Abraham Meyer Goldschmidt
Abraham Meyer Goldschmidt war ein Vertreter des religiösen Reformjudentums. Er verstand sich als jüdischer Deutscher und wirkte für die Integration der deutschen Judenheit in einem deutschen Nationalstaat. Als Gemeinderabbiner der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig erwarb er sich besondere Verdienste um die Ausgestaltung des Kultusbereichs und des Religionsunterrichts und als jüdisch-deutscher Vermittler fand er auch Anerkennung im öffentlichen Leben. Das starke Anwachsen der Leipziger Judenheit im 19. Jahrhundert wird üblicherweise durch die Ansiedlung von orthodoxen Juden aus Osteuropa erklärt. Die Familie Goldschmidt steht exemplarisch dafür, dass auch religiös-liberale Juden aus Osteuropa nach Leipzig kamen. – Goldschmidt wurde in einem orthodoxen Elternhaus in
Krotoschin (poln. Krotoszyn) geboren. Die Familie lebte in engen finanziellen Verhältnissen. Der Großvater Benas machte Goldschmidt mit der deutschen und französischen Sprache und Kultur vertraut. Mit 14 Jahren bezog Goldschmidt das Elisabet-Gymnasium in
Breslau (poln. Wrocław). 1829, nach drei Jahren, kehrte er zunächst zurück nach Krotoschin, um als Lehrer an der jüdischen Elementarschule zu unterrichten und dadurch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, bevor er erneut nach Breslau ging, um das Abitur abzulegen. Anschließend arbeitete Goldschmidt als Hauslehrer in einer jüdischen Kaufmannsfamilie in
Krakau (poln. Kraków). Hier fasste er den Entschluss, Rabbiner zu werden. Er studierte an den Universitäten in Breslau und
Berlin und wurde 1840 an der Universität
Jena zum Dr. phil. promoviert. Erneut nahm Goldschmidt nun eine Stelle als Hauslehrer in einer jüdischen Fabrikantenfamilie in
Warschau an und wirkte als Prediger an einer liberalen Synagoge. 1850 wurde Goldschmidt als Prediger an der deutschsprachigen jüdischen Gemeinde in Warschau fest angestellt. – 1840 heiratete Goldschmidt die Kaufmannstochter
Pauline Sternfeld. Das Ehepaar hatte drei Söhne. Nach sechs Jahren Ehe starb Pauline. In zweiter Ehe heiratete Goldschmidt 1853 seine Cousine Henriette Benas. In Leipzig förderte Goldschmidt später die Ideen seiner Ehefrau Henriette und propagierte ebenfalls die neue gesellschaftliche Teilhabe des weiblichen Geschlechts. – 1858 wurde Goldschmidt als Nachfolger von Adolf Jellinek durch den sächsischen Oberrabbiner Wolf Landau in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig als Gemeinderabbiner in sein Amt eingeführt. Als sprachgewandter und Optimismus ausstrahlender Intellektueller fand Goldschmidt schnell Aufnahme auch in nichtjüdische bildungsbürgerliche Kreise der sächsischen Messestadt. Er war Mitglied im Leipziger Schiller-Verein und pflegte mit dem Vereinsvorsitzenden Heinrich Wuttke freundschaftliche Kontakte. Spätestens seit Januar 1860 engagierte sich Goldschmidt im Schiller-Verein für die Errichtung eines Lessing-Denkmals in Kamenz. Als dann 1863 eine Lessing-Büste eingeweiht wurde, wirkte auch er als Festredner mit. Zu dieser Zeit hatten Juden in Kamenz kein Niederlassungsrecht und Goldschmidt war der einzige anwesende Jude. In den 1860er-Jahren referierte Goldschmidt in Leipzig und anderen deutschen Städten wie Breslau und
Frankfurt/Main über Gotthold Ephraim Lessing und die Beziehungen zwischen Deutschen und Juden. – 1859 war Goldschmidt an der Gründung des Vereins zur Förderung geistiger Interessen im Judentum in Leipzig beteiligt. Der Verein gründete zur Erinnerung an Moses Mendelssohn eine Mendelssohn-Stiftung und beging jährlich eine Mendelssohn-Feier. Innerhalb der Jüdischen Gemeinde, die einen religiös-liberalen Kultus ausübte, war Goldschmidt um einen Interessenausgleich zwischen Reformjudentum und Orthodoxie und deutschen Juden und Ostjuden bemüht. – Für den liberalen Gottesdienst der Leipziger Jüdischen Gemeinde stellte Goldschmidt ein Gebetbuch in zwei Bänden zusammen, die 1874 und 1876 erschienen. Das Gebetbuch wurde noch in den 1930er-Jahren im Gottesdienst der Leipziger Hauptsynagoge verwendet. Auch an der Gründung des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes (DIGB) 1869 in Leipzig wirkte Goldschmidt mit. Bis 1882 hatte der DIGB seinen Sitz in Leipzig und Goldschmidt war Mitglied des Ausschusses. 1883 wurde er anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums zum Ehrenmitglied der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig ernannt. Sein Nachfolger als Gemeinderabbiner wurde 1886 Nathan Porges. – Von seinen Zeitgenossen wurde Goldschmidt in die Reihe der bedeutendsten deutschsprachigen Kanzelredner des Judentums aufgenommen.
Werke Festrede bei der am 3. Januar 1861 vom Verein zur Förderung israelitischer Interessen zu Leipzig veranstalteten Gedächtnisfeier Moses Mendelssohns, Leipzig 1861; Nachruf, dem Andenken des Dr. J. M. Jost gewidmet, in: Jahrbuch für die Geschichte der Juden und des Judentums 2/1861, S. VII-XXII; Rede zur Feier der Schlacht von Leipzig gehalten im Handwerker-Verein zu Gera, Gera 1865; Begrüßungsworte bei Eröffnung der ersten israelitischen Synode zu Leipzig am 29. Juni 1869, Leipzig 1869; Durch Kampf zur Versöhnung! Predigt am Sabbath den 24. Thammus 5629 (3. Juli 1869) während der ersten israelitischen Synode in der Gemeinde-Synagoge zu Leipzig, Leipzig 1869; Predigt bei dem am allgemeinen Bettage (3. August 1870) im israelitischen Gemeinde-Tempel zu Leipzig stattgehabten Gottesdienste, Leipzig 1870; „Gott hat seinem Volke den Sieg verliehen.“ Predigt zur Sieges- und Friedensfeier im israelitischen Gemeinde-Tempel zu Leipzig am 6. März 1871, Leipzig 1871; Gottesdienstlicher Vortrag zur Feier des 25jährigen Bestehens der israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig am 2. Juni 1872, Leipzig 1872; Gottesdienstlicher Vortrag bei der Trauer- und Gedächtnisfeier für Seine hochselige Majestät König Johann von Sachsen am 19. November 1873 in der Gemeinde-Synagoge zu Leipzig, Leipzig 1873; Israelitisches Gebetbuch für die öffentliche Andacht; zunächst für die israelitische Gemeinde zu Leipzig, 2 Bde., Leipzig 1874/1876; Rede zur Weihe der Lessingbüste in Kamenz, in: Ernst Beck (Hg.), Das Lessingfest zu Kamenz am 1. Juni 1883, Kamenz 1883, S. 25-30.
Literatur Gedenkblätter zur Erinnerung an Rabbiner Dr. A. M. Goldschmidt, hrsg. vom Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, Leipzig 1889 (P); Bernhard Jacobsohn, Fünfzig Jahre Erinnerungen aus Amt und Leben, Berlin 1912, S. 74; Rabbiner Dr. A. M. Goldschmidt (Nekrolog), in: Allgemeine Zeitung des Judentums 53/1889, H. 9, S. 140f. – ADB 49, S. 435-438; Michael Brocke/Julius Carlebach (Hg.), Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 1, Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871, Bd. 1, München 2004, Nr. 0582.
Porträt Abraham Meyer Goldschmidt, Kupferstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Porträtsammlung, Inventar-Nr. PORT_00137207_01 POR MAG (Bildquelle); Gedenkblätter zur Erinnerung an Rabbiner Dr. A. M. Goldschmidt, hrsg. vom Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, Leipzig 1889, S. 8.
Steffen Held
21.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Held, Artikel: Abraham Meyer Goldschmidt,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1749 [Zugriff 11.8.2025].
Abraham Meyer Goldschmidt
Werke Festrede bei der am 3. Januar 1861 vom Verein zur Förderung israelitischer Interessen zu Leipzig veranstalteten Gedächtnisfeier Moses Mendelssohns, Leipzig 1861; Nachruf, dem Andenken des Dr. J. M. Jost gewidmet, in: Jahrbuch für die Geschichte der Juden und des Judentums 2/1861, S. VII-XXII; Rede zur Feier der Schlacht von Leipzig gehalten im Handwerker-Verein zu Gera, Gera 1865; Begrüßungsworte bei Eröffnung der ersten israelitischen Synode zu Leipzig am 29. Juni 1869, Leipzig 1869; Durch Kampf zur Versöhnung! Predigt am Sabbath den 24. Thammus 5629 (3. Juli 1869) während der ersten israelitischen Synode in der Gemeinde-Synagoge zu Leipzig, Leipzig 1869; Predigt bei dem am allgemeinen Bettage (3. August 1870) im israelitischen Gemeinde-Tempel zu Leipzig stattgehabten Gottesdienste, Leipzig 1870; „Gott hat seinem Volke den Sieg verliehen.“ Predigt zur Sieges- und Friedensfeier im israelitischen Gemeinde-Tempel zu Leipzig am 6. März 1871, Leipzig 1871; Gottesdienstlicher Vortrag zur Feier des 25jährigen Bestehens der israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig am 2. Juni 1872, Leipzig 1872; Gottesdienstlicher Vortrag bei der Trauer- und Gedächtnisfeier für Seine hochselige Majestät König Johann von Sachsen am 19. November 1873 in der Gemeinde-Synagoge zu Leipzig, Leipzig 1873; Israelitisches Gebetbuch für die öffentliche Andacht; zunächst für die israelitische Gemeinde zu Leipzig, 2 Bde., Leipzig 1874/1876; Rede zur Weihe der Lessingbüste in Kamenz, in: Ernst Beck (Hg.), Das Lessingfest zu Kamenz am 1. Juni 1883, Kamenz 1883, S. 25-30.
Literatur Gedenkblätter zur Erinnerung an Rabbiner Dr. A. M. Goldschmidt, hrsg. vom Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, Leipzig 1889 (P); Bernhard Jacobsohn, Fünfzig Jahre Erinnerungen aus Amt und Leben, Berlin 1912, S. 74; Rabbiner Dr. A. M. Goldschmidt (Nekrolog), in: Allgemeine Zeitung des Judentums 53/1889, H. 9, S. 140f. – ADB 49, S. 435-438; Michael Brocke/Julius Carlebach (Hg.), Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 1, Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871, Bd. 1, München 2004, Nr. 0582.
Porträt Abraham Meyer Goldschmidt, Kupferstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Porträtsammlung, Inventar-Nr. PORT_00137207_01 POR MAG (Bildquelle); Gedenkblätter zur Erinnerung an Rabbiner Dr. A. M. Goldschmidt, hrsg. vom Vorstand der israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig, Leipzig 1889, S. 8.
Steffen Held
21.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Held, Artikel: Abraham Meyer Goldschmidt,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1749 [Zugriff 11.8.2025].