Adolph Marcus

Studium und erfolgreiche Promotion von Adolph Marcus im Fach Medizin und die anschließende ärztliche Niederlassung in Leipzig deuten neue akademische Ambitionen bei Jüdinnen und Juden in Sachsen vor der Mitte des 19. Jahrhunderts an. Das Engagement für die jüdische Gemeinde und die gleichzeitige Konversion zum Protestantismus sowie ein offenbar unstetes Leben in der Folgezeit werfen jedoch Fragen auf, die mangels Zeugnissen aus späterer Zeit offenbleiben müssen. – Marcus war der Erstgeborene des Leipziger Speisewirts Abraham Marcus und seiner ersten Ehefrau Rahel Oestreicher. Er besuchte in Leipzig die Thomasschule. Am 26.4.1820 immatrikulierte er sich noch unter seinem ersten Namen, Abraham, an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Marcus blieb unter seinen Geschwistern, die, soweit ersichtlich, mehrheitlich kaufmännische Berufe erlernten, der Einzige, der unmittelbar nach dem Schulbesuch eine akademische Laufbahn einschlug. Noch 1827 wurde er, anlässlich der Auseinandersetzung über den Nachlass seines Vaters, unter dem Vornamen Abraham als Medizinstudent bezeichnet. Seine Dissertation reichte er, nun unter dem Namen Adolph Marcus, an der Medizinischen Fakultät der Universität Gießen ein, wo er das Promotionsverfahren am 7.12.1831 erfolgreich abschloss. – Anschließend kehrte Marcus nach Leipzig zurück und trat dort fortan als Adolph Marcus auf. Ein vergleichbarer Übergang zu einem nichtjüdischen Vornamen ist spätestens bis 1835 auch bei allen anderen seiner Brüder und Halbbrüder zu verzeichnen. Bereits im Leipziger Adressbuch 1832 ist Marcus als „D. med. et chir., Brühl 356“ (heute Brühl 2/4) verzeichnet, lebte also wieder bei seiner Stiefmutter Caroline, geb. Fränkel, die nach dem Tod ihres Manns dessen Speisewirtschaft im Brühl 2 weiterführte. Dort betrieb Marcus auch seine ärztliche Praxis. Der aus Dresden stammende Medizinstudent Bernhard Hirschel berichtete um 1834 über einen Besuch bei Marcus, er habe den Arzt gebeten, sich für ihn um Freitische und Unterricht zu bemühen, was dieser sofort zugesagt habe, den Sonntagstisch habe er sogleich bei dessen Mutter, einer Speisewirtin erhalten. Die Familie Marcus sei sehr zahlreich gewesen, wobei die Mutter nach dem Tod des Vaters alles im Haus besorgt habe. Zu einer eigentlichen Annäherung sei es zwischen der Familie und Hirschel aber kaum gekommen, da Töchter wie Söhne so „fad, so echt leipzigerisch-philisterhaft waren, daß an eine geistige Verknüpfung nicht zu denken war“. – Parallel zu seiner ärztlichen Tätigkeit wirkte Marcus an der Entstehung einer jüdischen Gemeinde in Leipzig mit. Diese Aktivitäten konkretisierten sich Ende 1835: Eine erste Sitzung von Gemeindemitgliedern wurde abgehalten, die sich mit der Konstituierung eines formellen Vorstands und dessen Wahl befasste. Die 37 Teilnehmer dieser Zusammenkunft wählten Levi Bendix als Vorsteher der Gemeinde, Abraham Meyer und Adolph Meyer als Beisitzer. Marcus wurde Sekretär. Diese wichtige Funktion übte er bis 1839 aus. Währenddessen entschied sich Marcus allerdings für die Konversion zum Protestantismus und ließ sich im Januar 1837 in der Kirche zu Wahren bei Leipzig taufen. Seinen Namen behielt er bei. Auch sein Bruder, der Handlungsgehilfe Moritz Marcus, konvertierte in diesem Jahr. Gleichwohl blieb Marcus zunächst formell weiterhin Sekretär im Gemeindevorstand - vielleicht auch, weil dessen nächste Sitzung erst am 6.6.1839 stattfand. Ob und wann er die anderen Vorstandsmitglieder über seinen Schritt informierte, ist nicht bekannt. Am 12.6.1839 erhielt der Leipziger Stadtrat schließlich die Mitteilung, dass der gesamte bisherige Vorstand der Leipziger Judenschaft seine Ämter niedergelegt habe und Marcus Anton Aschard zum Vorsteher, John Behrend Oppenheimer und Eduard Boas als Beisitzer sowie Julius Fürst zum Sekretär gewählt worden seien. – Der weitere Lebensweg von Marcus lässt sich nur lückenhaft rekonstruieren. Nach 1840 hielt er sich für längere Zeit in London auf. Die letzte Eintragung in einem Leipziger Adressbuch 1841 lautet: „Hr. D. Adolph Markus ... Auf Reisen.“ Ab 1843 muss er allerdings wieder in Leipzig gewesen sein, für wie lange, ist unbekannt. In dieser Zeit suchte er um das Leipziger und damit auch sächsische Bürgerrecht nach, das er am 8.1.1844 erhielt. Ob und wann Marcus eine Familie gründete und wann er verstarb, ist nicht bekannt.

Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Leichenbuch Reg.-Nr. 52 (1871), 0008 Ratsstube, Tit. XXXIV, Nr. 27, 70d, 79c, 86, Bd. 5, 88, Tit. LI, Nr. 91, 290, II. Sekt., J 246, M 1519, 0011 Vormundschaftsstube, Vormundschaftsgericht, Nr. 6200, 6290, 6970, 0056 Wahl- und Listenamt, Nr. 3466, 3666, 0036 Polizeiamt der Stadt Leipzig, Meldebücher M/Nr. 60; Bernhard Hirschel, Meine Lebensgeschichte [MS, Leo Baeck Institute Archive, LBI Memoir Collection, ME 316a]; Adressbücher Leipzig, 1804, 1818, 1828, 1831, 1840, 1844, 1871; Leipziger Tageblatt und Anzeiger 13.2.1844, S. 1; Familiengeschichtliche Ecke, in: Leipziger Jüdische Wochenschau 3/1930, Nr. 1, S. 6. – Franz Koessler, Verzeichnis der Doktorpromotionen an der Universität Gießen von 1801-1884, Gießen 1970; Friedrich Gottlob Leonhardi, Leipzig um 1800, hrsg. von Klaus Sohl, Leipzig 2010.

Literatur Franz Koessler, Katalog der Dissertationen und Habilitationsschriften der Universität Gießen von 1801-1884, Gießen 1970; Hartmut Zwahr, Leipzig im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft (1763-1871), in: Klaus Sohl, Neues Leipzigisches Geschicht-Buch, Leipzig 1990, S. 132-179; Judaica Lipsiensia, Zur Geschichte der Juden in Leipzig, hrsg. von der Ephraim Carlebach Stiftung, Leipzig 1994; Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Leipziger Gemeindesynagoge 1855-1930, hrsg. von der Ephraim-Carlebach-Stiftung, Reprint, Berlin 1994; Thomas Topfstedt/Hartmut Zwahr (Hg.), Leipzig um 1800, Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Beucha 1998; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und Jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs Alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Andrea Lorz
2.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Andrea Lorz, Artikel: Adolph Marcus,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27907 [Zugriff 16.9.2025].

Adolph Marcus



Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Leichenbuch Reg.-Nr. 52 (1871), 0008 Ratsstube, Tit. XXXIV, Nr. 27, 70d, 79c, 86, Bd. 5, 88, Tit. LI, Nr. 91, 290, II. Sekt., J 246, M 1519, 0011 Vormundschaftsstube, Vormundschaftsgericht, Nr. 6200, 6290, 6970, 0056 Wahl- und Listenamt, Nr. 3466, 3666, 0036 Polizeiamt der Stadt Leipzig, Meldebücher M/Nr. 60; Bernhard Hirschel, Meine Lebensgeschichte [MS, Leo Baeck Institute Archive, LBI Memoir Collection, ME 316a]; Adressbücher Leipzig, 1804, 1818, 1828, 1831, 1840, 1844, 1871; Leipziger Tageblatt und Anzeiger 13.2.1844, S. 1; Familiengeschichtliche Ecke, in: Leipziger Jüdische Wochenschau 3/1930, Nr. 1, S. 6. – Franz Koessler, Verzeichnis der Doktorpromotionen an der Universität Gießen von 1801-1884, Gießen 1970; Friedrich Gottlob Leonhardi, Leipzig um 1800, hrsg. von Klaus Sohl, Leipzig 2010.

Literatur Franz Koessler, Katalog der Dissertationen und Habilitationsschriften der Universität Gießen von 1801-1884, Gießen 1970; Hartmut Zwahr, Leipzig im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft (1763-1871), in: Klaus Sohl, Neues Leipzigisches Geschicht-Buch, Leipzig 1990, S. 132-179; Judaica Lipsiensia, Zur Geschichte der Juden in Leipzig, hrsg. von der Ephraim Carlebach Stiftung, Leipzig 1994; Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Leipziger Gemeindesynagoge 1855-1930, hrsg. von der Ephraim-Carlebach-Stiftung, Reprint, Berlin 1994; Thomas Topfstedt/Hartmut Zwahr (Hg.), Leipzig um 1800, Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Beucha 1998; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und Jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs Alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Andrea Lorz
2.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Andrea Lorz, Artikel: Adolph Marcus,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27907 [Zugriff 16.9.2025].