Joseph Bondi
In der Biografie von Joseph Bondi spiegeln sich exemplarisch individuelle Hoffnungen auf eine Emanzipation der sächsischen Jüdinnen und Juden und die erfolgreiche Etablierung im Bürgertum wider. – Bereits im Alter von drei Jahren verlor Bondi seine
Mutter, die im Kindbett verstarb. Fortan kümmerte sich sein um Bondis Erziehung, wobei er vermutlich von Verwandten unterstützt wurde. In der Hoffnung auf eine baldige Gleichstellung der sächsischen Jüdinnen und Juden ermöglichte
Jontua Bondi seinem Sohn den Erwerb einer umfassenden allgemeinen Bildung. Als einer der ersten Dresdner Juden besuchte Bondi das renommierte Kreuzgymnasium, wo er 1837 die Maturitätsprüfung bestand. Nach dem Willen seines Vaters sollte er anschließend Jura studieren. Die nur zögerlichen Fortschritte bei der rechtlichen Gleichstellung der sächsischen Jüdinnen und Juden führten indes dazu, dass ihnen die Advokatur im Anschluss an ein Jurastudium zunächst weiterhin verwehrt blieb. Jontua Bondi petitionierte deshalb an die Ständeversammlung, die letztlich einer Dispensregelung für den Einzelfall zustimmte. – Im Oktober 1839 immatrikulierte sich Bondi zum Jurastudium an der Universität Leipzig. Hier gehörte er mit Isidor Kaim im Februar 1840 zu den Gründungsmitgliedern des Unterstützungsvereins Jeschuat-Achim für hilfsbedürftige jüdische Studierende. Eine schwere Augenerkrankung zwang ihn jedoch bereits im Folgejahr zum Abbruch seines Studiums. – Nach einer Phase der Rekonvaleszenz trat er 1845 in das Dresdner Bankhaus Mendel Schie & Co. ein, dessen Inhaber mit Bondi verwandt waren. Im Folgejahr heiratete er
Auguste Schie, eine Tochter des Mitinhabers Wilhelm Schie. Diese Eheverbindung war jedoch nicht von Dauer, so dass Bondi wohl auch deshalb im Jahr der Scheidung 1853 aus dem Bankhaus austrat und sein eigenes Wechselcomptoir eröffnete. Zugleich erwarb er das Dresdner Bürgerrecht. 1859 heiratete er
Julie Gottschalk, die sich nach der Scheidung Bondis bereits um die Erziehung seiner Tochter
Fanny Sidonie gekümmert hatte. Ein Jahr später übernahm Bondi offensichtlich den größten Teil des Bankgeschäfts seines kinderlos verstorbenen Onkels Markus David Bondi. 1870 trat der
Hanauer Bankier
Ignatz Maron in das Bankhaus ein, der zugleich
Cäcilie Bondi, eine Halbschwester der zweiten Ehefrau Bondis , heiratete. Das u.a. wegen seiner Aktienmehrheit an der Waldschlösschen-Brauerei renommierte Privatbankhaus Bondi & Maron bestand bis zu seiner Liquidierung 1936/1937 fort. Als Bankier gehörte Bondi zwischen 1877 und 1895 dem Aufsichtsrat der Deutschen Bank an. Außerdem wirkte er als Kassierer und Leiter des Schiedsgerichts der Dresdner Börse. Trotz seiner anerkannten Stellung im Dresdner Wirtschaftsbürgertum blieb ihm eine entsprechende offizielle Ehrung lange verwehrt. Seine Ernennung zum Königlich Sächsischen Kommerzienrat erfolgte erst 1891. – In der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden trat Bondi erstmals 1838 als Ordner bei der Grundsteinlegung für die von Gottfried Semper entworfene Synagoge in Erscheinung. Nach dem Tod der mit ihm verwandten Gemeindevorsteher Bernhard Beer und Wilhelm Schie wurde er im August 1861 Mitglied des Gemeindevorstands. In dieser Funktion begleitete er die Gemeinde in den konfliktreichen Zeiten fortgesetzter Kultusreformen, wie der Einführung der Orgel in der Dresdner Synagoge 1870, und des starken Wachstums durch den Zuzug von Jüdinnen und Juden aus dem östlichen Europa. Schwerpunkte seiner Vorstehertätigkeit bildeten die Gemeindefinanzen und Bauangelegenheiten. Er verwaltete zahlreiche Gemeindestiftungen und förderte Pläne zu einem Synagogenneubau, die indes nie realisiert werden konnten. Außerdem gehörte er der Kranken-Verpflegungs-Gesellschaft an und war Dresdner Vertreter der international agierenden Alliance Israélite Universelle. Anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums als Gemeindevorsteher errichtete
Helene Bondi, seine Schwester, 1886 die Joseph-Bondi-Stiftung, deren Zinsen Bondi der Israelitischen Religionsgemeinde widmete. Aus gesundheitlichen Gründen schied er zum Jahresende 1893 aus dem Gemeindevorstand aus. – Bondi verstand sich als Dresdner Bürger jüdischen Glaubens. Er hielt nicht mehr alle religionsgesetzlichen jüdischen Lebensregeln ein und handhabte auch die religiöse Erziehung seiner Kinder freier. – Als Angehöriger des Dresdner Großbürgertums engagierte sich Bondi v.a. philanthropisch. 1870 begründete Bondi zum Andenken an seine verstorbene Tochter Sidonie Fürst die Sidonien-Stiftung, die konfessionsübergreifend den Schulbesuch armer Kinder förderte. Eine gleichnamige Stiftung innerhalb und zugunsten der Israelitischen Religionsgemeinde etablierte er im selben Jahr zusammen mit Helene Bondi. Ebenfalls 1870 war er Gründungsmitglied des Vereins Asyl für Obdachlose, der sich für wohnungslose Frauen und Kinder einsetzte und dessen Vorstand er in der Folgezeit angehörte. Auch den Gemeinnützigen Verein zu Dresden unterstützte er immer wieder mit finanziellen Zuwendungen, so etwa nach dem Tod seiner Schwester 1896 mit einer Spende von 5.000 Mark für eine Helene-Bondi-Stiftung. Für sein soziales Engagement wurde Bondi mit der sächsischen Carola-Medaille in Silber geehrt. – Bondi starb 1897 an einer Lungenentzündung. Die große Familiengrabanlage aus schwarzem Lamprophyr mit weißen Marmorplatten zählt zu den bedeutendsten Gräbern des Neuen Israelitischen Friedhofs. Seine Nachfahren stifteten dem Gemeinnützigen Verein zu Dresden 100.000 Mark mit der Auflage, davon für dessen Sommerferienheim in Klingenberg ein weiteres Gebäude zur Aufnahme erholungs- und genesungsbedürftiger Kinder zu errichten. Dieses Joseph-Bondi-Haus wurde im Juli 1900 eingeweiht, behielt diesen Namen jedoch nur bis in die Zeit des Nationalsozialismus.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32523, Rep. 22, 10692 Ständeversammlung des Königreichs Sachsen, Nr. 1144/2; Stadtarchiv Dresden, 2.3.9. Gewerbeamt A, Nr. B.5575 (Bondi, Joseph, 1853), 2.1. Ratsarchiv, C.XXI.20-94 Kirchliche Wochenzettel/Trauungen (Aufgebote), Taufanzeigen und Sterbefälle 1819, C.XXI.20-126 Kirchliche Wochenzettel/Trauungen, Taufanzeigen und Sterbefälle, 1846; Landesarchiv Berlin, P Rep. 567, Nr. 126 Standesamt Berlin-Grunewald, Sterbehauptregister 1935, Nr. 102.
Literatur Gemeindevorsteher Commerzienrath Joseph Bondi 1861-1893. Denk- und Dankschrift dem aus dem Gemeinderath Scheidenden von seinen Collegen gewidmet (P); Emil Lehmann, Oberrabbiner, Vorsteher und Deputirte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden nach urkundlichen Quellen. Dem verehrten Amtsgenossen, Herrn Gemeindevorsteher Joseph Bondi zum 25jährigen Vorstands-Jubiläum, 7. August 1886, Dresden; Frank Thiele (Hg.), Neuer jüdischer Friedhof in der Dresdner Johannstadt, Dresden [2003], S. 92-94; Daniel Ristau, Tiefverwurzelt - Die Familie Bondi, in: Heike Liebsch (Hg.), Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden, Berlin/Leipzig 2021, S. 234-241; ders., Die Familie Bondi und das „Jüdische“. Beziehungsgeschichte unter dem bürgerlichen Wertehimmel, 1790-1870, Göttingen 2023.
Porträt Porträt Joseph Bondi (mit Autograph), Buchdruck (nach Fotografie), Repro aus: Gemeindevorsteher Commerzienrath Joseph Bondi 1861-1893. Denk- und Dankschrift dem aus dem Gemeinderath Scheidenden von seinen Collegen gewidmet. Dresden, o. J., Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Aufnahme-Nr. df_hauptkatalog_0280553, Foto: Regine Richter, 2002.01 (Bildquelle) [CC BY-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International Lizenz].
Daniel Ristau
5.9.2025
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Ristau, Artikel: Joseph Bondi,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27135 [Zugriff 30.10.2025].
Joseph Bondi
Quellen Sächsisches Staatsarchiv, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32523, Rep. 22, 10692 Ständeversammlung des Königreichs Sachsen, Nr. 1144/2; Stadtarchiv Dresden, 2.3.9. Gewerbeamt A, Nr. B.5575 (Bondi, Joseph, 1853), 2.1. Ratsarchiv, C.XXI.20-94 Kirchliche Wochenzettel/Trauungen (Aufgebote), Taufanzeigen und Sterbefälle 1819, C.XXI.20-126 Kirchliche Wochenzettel/Trauungen, Taufanzeigen und Sterbefälle, 1846; Landesarchiv Berlin, P Rep. 567, Nr. 126 Standesamt Berlin-Grunewald, Sterbehauptregister 1935, Nr. 102.
Literatur Gemeindevorsteher Commerzienrath Joseph Bondi 1861-1893. Denk- und Dankschrift dem aus dem Gemeinderath Scheidenden von seinen Collegen gewidmet (P); Emil Lehmann, Oberrabbiner, Vorsteher und Deputirte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden nach urkundlichen Quellen. Dem verehrten Amtsgenossen, Herrn Gemeindevorsteher Joseph Bondi zum 25jährigen Vorstands-Jubiläum, 7. August 1886, Dresden; Frank Thiele (Hg.), Neuer jüdischer Friedhof in der Dresdner Johannstadt, Dresden [2003], S. 92-94; Daniel Ristau, Tiefverwurzelt - Die Familie Bondi, in: Heike Liebsch (Hg.), Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden, Berlin/Leipzig 2021, S. 234-241; ders., Die Familie Bondi und das „Jüdische“. Beziehungsgeschichte unter dem bürgerlichen Wertehimmel, 1790-1870, Göttingen 2023.
Porträt Porträt Joseph Bondi (mit Autograph), Buchdruck (nach Fotografie), Repro aus: Gemeindevorsteher Commerzienrath Joseph Bondi 1861-1893. Denk- und Dankschrift dem aus dem Gemeinderath Scheidenden von seinen Collegen gewidmet. Dresden, o. J., Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Aufnahme-Nr. df_hauptkatalog_0280553, Foto: Regine Richter, 2002.01 (Bildquelle) [CC BY-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International Lizenz].
Daniel Ristau
5.9.2025
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Ristau, Artikel: Joseph Bondi,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27135 [Zugriff 30.10.2025].