Adam Friedrich Oeser
Der aus
Pressburg (slowak. Bratislava) stammende O. wirkte über mehrere Jahrzehnte in Dresden und Leipzig. Dabei machte er sich insbesondere um die 1764 neu gegründete Leipziger Kunstakademie verdient, als deren erster Direktor er einen maßgeblichen Beitrag zum Aufbau und zur Etablierung dieser Institution leistete. Darüber hinaus gilt O. als ein bedeutender Wegbereiter des Klassizismus. – Nach dem frühen Tod seines Vaters war O. ab 1722 für zweieinhalb Jahre Schüler des Pressburger Lyceums und begann im Anschluss eine Lehre, um das Handwerk eines Zuckerbäckers zu erlernen. Zwischen 1728 und 1730 folgte eine zweite Lehre, die er bei dem Stillleben- und Dekorationsmaler
Ernst Friedrich Kamauf in Pressburg, das zum Habsburgerreich gehörte, absolvierte. Hiernach begab er sich nach
Wien, wo er u.a. Unterricht in der Ölmalerei bei Jacob van Schuppen, dem Direktor der kaiserlichen Hofakademie, sowie in der illusionistischen Deckenmalerei bei Daniel Gran erhielt. 1732/1733 ging O. zurück nach Pressburg. Dort lernte er Georg Raphael Donner kennen, der ihm Fertigkeiten auf dem Gebiet der Bildhauerei und später auch erstes Wissen über die Kunst der Antike vermittelte. 1735 kehrte er nach Wien zurück und gewann im selben Jahr mit einer Darstellung der „Opferung Isaaks“ den Wettbewerb der Kunstakademie. – Ab 1739 lebte O. in Dresden, wo er Schüler der Zeichenakademie unter Louis de Silvestre wurde. Über den Kreis des Grafen Heinrich von Bünau, der sich im Schloss Nöthnitz bei Dresden versammelte, lernte er Johann Joachim Winckelmann kennen, der 1754/1755 im Haus der Familie Oeser in Dresden wohnte. O. unterrichtete ihn in dieser Zeit nicht nur im Zeichnen, sondern gab auch sein Wissen sowie die Ansichten Donners über die Kunst der Antike an Winckelmann weiter. In O.s Haus verfasste Winckelmann seine bekannte Erstlingsschrift „Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“ (1755), die zum Grundlagenwerk des Klassizismus wurde. Kurz nach Beginn des Siebenjährigen Kriegs verließ O. Dresden und ging auf Einladung Bünaus auf dessen Schloss Dahlen, wo er bis 1759 lebte. In dieser Zeit war er mit der Ausmalung der Schlösser Dahlen und
Dahme südlich von
Berlin sowie des Guts
Oßmannstedt in der Nähe von
Weimar, das ebenfalls zum Besitz Bünaus gehörte, beschäftigt. 1759 ging O. schließlich nach Leipzig, wo er 1764 zum Hofmaler sowie zum ersten Direktor der dortigen „Zeichnungs-, Mahlerey- und Architectur-Academie“ ernannt wurde. Die primäre Funktion der Einrichtung war die einer Zeichenschule, während in den anderen Disziplinen der bildenden Kunst grundlegende Fertigkeiten vermittelt wurden. O. war zunächst der einzige Lehrer der Akademie und hielt den Unterricht mangels geeigneter Räumlichkeiten in seiner Privatwohnung ab. Mit der Zeit gelang es ihm jedoch, die Lehrsituation zu verbessern. 1765 bezog man Unterrichtsräume im Westflügel der Pleißenburg, wo O. auch eine Wohnung erhielt. Im selben Jahr kam Johann Wolfgang Goethe nach Leipzig und nahm 1766 bis 1768 Zeichenunterricht bei ihm. Für das 1766 neu gebaute Leipziger Theater malte O. den Bühnenvorhang, der in Aquarellkopien (u.a. im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig) und Beschreibungen überliefert ist. Darüber hinaus war O. neben seiner Tätigkeit an der Akademie vornehmlich mit der Ausführung von dekorativen Wand- und Deckengemälden beschäftigt, die zahlreiche öffentliche wie private Häuser in und um Leipzig schmückten. Er versah das Gewandhaus 1781 mit Deckengemälden und stellte für die Nikolaikirche zwischen 1787 und 1794 einen Zyklus von mehr als 30 Gemälden her, der von seinen Zeitgenossen als „Oeserbibel“ bezeichnet wurde. Für den Sammler Gottfried Winckler führte er im größten Raum seiner Gemäldesammlung in der Katharinenstraße ein allegorisches Deckengemälde aus. – O. war zudem für den Weimarer Hof tätig. Ab 1775 war er mit der Ausmalung des Wittumspalais für die Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach beschäftigt und entwickelte sich zu einem der wichtigsten Künstler an ihrem Musenhof. Er entwarf außerdem eine Reihe bildhauerischer Arbeiten, wie das Denkmal für den Dichter Christian Fürchtegott Gellert, das 1774 im Auftrag des Leipziger Verlegers Johann Wendler angefertigt wurde. Mit der Ausführung dieser Arbeiten befasste er sich nicht selbst, sondern lieferte Modelle oder Entwürfe. Diese wurden zumeist von Friedrich Samuel Schlegel umgesetzt, der zwischen 1765 und 1779 als Lehrer für Bildhauerei an der Leipziger Kunstakademie beschäftigt war. Besonders während seiner Zeit in Leipzig schuf O. darüber hinaus eine große Zahl an Buchillustrationen, u.a. für Schriften Winckelmanns, Goethes und Christoph Martin Wielands. Zu Franz Wilhelm Kreuchaufs „Historischen Erklärungen der Gemälde, welche Herr Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet“ (1768) lieferte er elf Illustrationen, die Johann Friedrich Bause im Kupferstich umsetzte. O. blieb bis zu seinem Tod 1799 Direktor der Leipziger Akademie. Sein Nachfolger wurde der Maler Johann Friedrich August Tischbein.
Werke Bühnenvorhang für das Alte Theater in Leipzig, 1766 (nicht erhalten); Illustrationen zu Franz Wilhelm Kreuchauffs „Historischen Erklärungen der Gemälde, welche Herr Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet“ (1768), gestochen von Johann Friedrich Bause; Gemäldezyklus mit Darstellungen aus dem Leben Jesu, 1787-1794, Nikolaikirche Leipzig.
Literatur Alphons Dürr, Adam Friedrich O. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1879 (P); Richard Oehler, Adam Friedrich O.s Bücherillustrationen, in: Jahrbuch der Sammlung Kippenberg 5/1925, S. 73-100; Friedrich Schulze, Adam Friedrich O. und die Gründung der Leipziger Kunstakademie, Leipzig 1940; Max Kunze (Hg.), Johann Joachim Winckelmann und Adam Friedrich O. Eine Aufsatzsammlung, Stendal 1977; Martin Bircher/Gisold Lammel, Helvetien in Deutschland. Schweizer Kunst aus Residenzen deutscher Klassik 1770-1830, Zürich 1990; Kristina Gräfe, Adam Friedrich O. und die Gründung der Kunstakademie in Leipzig, in: Thomas Topfstedt/Hartmut Zwahr (Hg.), Leipzig um 1800. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Beucha 1998, S. 127-142; Heike Lüddemann, Goethe und die Leipziger Kunstakademie unter Adam Friedrich O., in: Rainer Behrends (Hg.), Johann Wolfgang Goethe und Leipzig, Leipzig 1999, S. 77-92; Michael Wenzel, Adam Friedrich O. Theorie und Praxis in der Kunst zwischen Aufklärung und Klassizismus, Weimar 1999; Die Wandbilder Adam Friedrich O.s im Roten Turm von Belvedere, hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik, Weimar 1999; Timo John, Adam Friedrich O. 1717-1799. Studie über einen Künstler der Empfindsamkeit, Beucha 2001; ders., „Ich lebe unter Kaufleuten“. Der Leipziger Akademiedirektor Adam Friedrich O. als Kunstvermittler für den Weimarer Musenhof, in: Antlitz des Schönen. Klassizistische Bildhauerkunst im Umkreis Goethes, hrsg. vom Thüringer Landesmuseum Heidecksburg/Freundeskreis Heidecksburg e.V., Rudolstadt 2003, S. 33-57; Michael Wenzel, Die Zeichnungs-, Mahlerey-, und Architectur-Academie in Leipzig als Bildungsstätte von Künstlern, Handwerkern und Laien (1764-1799), in: Detlef Döring/Cecilie Hollberg (Hg.), Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften, Teil 1, Dresden 2009, S. 324-331; Gerd-Helge Vogel, Adam Friedrich O. Götterhimmel und Idylle, Berlin 2017. – ADB 24, S. 468f.; AKL, Bd. 93, Berlin 2017, S. 215; DBA I, II, III; DBE 7, S. 471; NDB 19, S. 457f.; Stadtlexikon Leipzig A bis Z, hrsg. von PRO LEIPZIG e.V., Leipzig 2005, S. 443f.; Thieme/Becker, Bd. 25, Leipzig 1999, S. 571-573; Jane Turner (Hg.), The Dictionary of Art, Bd. 23, London/New York 1996, S. 358f.
Porträt Bildnis des Adam Friedrich O., Christian Gottfried Schulze nach Anton Graff, vor 1800, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. 37/46, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek; Adam Friedrich O., Anton Graff, um 1770, Öl auf Leinwand, Museum der bildenden Künste Leipzig, Inventar-Nr.: Kat. 1924 Nr. 755, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Fotografie: Heinrich, 1939 (Bildquelle).
Alana Möller
8.9.2020
Empfohlene Zitierweise:
Alana Möller, Artikel: Adam Friedrich Oeser,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3055 [Zugriff 2.11.2024].
Adam Friedrich Oeser
Werke Bühnenvorhang für das Alte Theater in Leipzig, 1766 (nicht erhalten); Illustrationen zu Franz Wilhelm Kreuchauffs „Historischen Erklärungen der Gemälde, welche Herr Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet“ (1768), gestochen von Johann Friedrich Bause; Gemäldezyklus mit Darstellungen aus dem Leben Jesu, 1787-1794, Nikolaikirche Leipzig.
Literatur Alphons Dürr, Adam Friedrich O. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts, Leipzig 1879 (P); Richard Oehler, Adam Friedrich O.s Bücherillustrationen, in: Jahrbuch der Sammlung Kippenberg 5/1925, S. 73-100; Friedrich Schulze, Adam Friedrich O. und die Gründung der Leipziger Kunstakademie, Leipzig 1940; Max Kunze (Hg.), Johann Joachim Winckelmann und Adam Friedrich O. Eine Aufsatzsammlung, Stendal 1977; Martin Bircher/Gisold Lammel, Helvetien in Deutschland. Schweizer Kunst aus Residenzen deutscher Klassik 1770-1830, Zürich 1990; Kristina Gräfe, Adam Friedrich O. und die Gründung der Kunstakademie in Leipzig, in: Thomas Topfstedt/Hartmut Zwahr (Hg.), Leipzig um 1800. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Beucha 1998, S. 127-142; Heike Lüddemann, Goethe und die Leipziger Kunstakademie unter Adam Friedrich O., in: Rainer Behrends (Hg.), Johann Wolfgang Goethe und Leipzig, Leipzig 1999, S. 77-92; Michael Wenzel, Adam Friedrich O. Theorie und Praxis in der Kunst zwischen Aufklärung und Klassizismus, Weimar 1999; Die Wandbilder Adam Friedrich O.s im Roten Turm von Belvedere, hrsg. von der Stiftung Weimarer Klassik, Weimar 1999; Timo John, Adam Friedrich O. 1717-1799. Studie über einen Künstler der Empfindsamkeit, Beucha 2001; ders., „Ich lebe unter Kaufleuten“. Der Leipziger Akademiedirektor Adam Friedrich O. als Kunstvermittler für den Weimarer Musenhof, in: Antlitz des Schönen. Klassizistische Bildhauerkunst im Umkreis Goethes, hrsg. vom Thüringer Landesmuseum Heidecksburg/Freundeskreis Heidecksburg e.V., Rudolstadt 2003, S. 33-57; Michael Wenzel, Die Zeichnungs-, Mahlerey-, und Architectur-Academie in Leipzig als Bildungsstätte von Künstlern, Handwerkern und Laien (1764-1799), in: Detlef Döring/Cecilie Hollberg (Hg.), Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften, Teil 1, Dresden 2009, S. 324-331; Gerd-Helge Vogel, Adam Friedrich O. Götterhimmel und Idylle, Berlin 2017. – ADB 24, S. 468f.; AKL, Bd. 93, Berlin 2017, S. 215; DBA I, II, III; DBE 7, S. 471; NDB 19, S. 457f.; Stadtlexikon Leipzig A bis Z, hrsg. von PRO LEIPZIG e.V., Leipzig 2005, S. 443f.; Thieme/Becker, Bd. 25, Leipzig 1999, S. 571-573; Jane Turner (Hg.), The Dictionary of Art, Bd. 23, London/New York 1996, S. 358f.
Porträt Bildnis des Adam Friedrich O., Christian Gottfried Schulze nach Anton Graff, vor 1800, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. 37/46, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek; Adam Friedrich O., Anton Graff, um 1770, Öl auf Leinwand, Museum der bildenden Künste Leipzig, Inventar-Nr.: Kat. 1924 Nr. 755, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Fotografie: Heinrich, 1939 (Bildquelle).
Alana Möller
8.9.2020
Empfohlene Zitierweise:
Alana Möller, Artikel: Adam Friedrich Oeser,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3055 [Zugriff 2.11.2024].