Gottfried Winckler der Jüngere
W. spielte für das kulturelle Leben Leipzigs im 18. Jahrhundert eine prägende Rolle. Er war nicht nur Mitbegründer der Gewandhauskonzerte, sondern auch Besitzer einer der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen dieser Zeit, die weit über Leipzig hinaus bekannt wurde. – W. entstammte einer Familie von Kaufleuten, die um 1600 in Leipzig ansässig geworden war. Sein Vater gelangte durch Wechselgeschäfte und den Handel mit Farbwaren und Spezereien zu Wohlstand. 1746 bis 1747 besuchte W. die kurfürstliche Landesschule in
Schulpforte. Gemeinsam mit
Johann Friedrich Richter und dessen Bruder Johann Thomas Richter, der später ebenfalls Besitzer einer Kunstsammlung von erheblicher Größe war, unternahm er in jungen Jahren eine Kavalierstour nach
Hamburg, England, in die Niederlande, nach Frankreich und in die Schweiz. Obwohl es W.s Anliegen war zu studieren, trat er auf Wunsch seines Vaters die Nachfolge in dessen Gewerbe an. – W. wurde 1778 in das Leipziger Ratskollegium aufgenommen und 1792 zum Baumeister des Rats ernannt. 1776 gehörte er zu den einhundert Stiftern, die die Gesellschaft „Harmonie“ in Leipzig gründeten, eine Vereinigung von Kaufleuten, Gelehrten, Beamten und Künstlern, die der Geselligkeit sowie mildtätigen Zwecken gewidmet war. Daneben war er wie schon sein Vater Mitglied der stärker exklusiven „Vertrauten Gesellschaft“, einer aus Kaufleuten bestehenden Vereinigung, die v.a. berufsständische, aber auch karitative Ziele verfolgte. Außerdem war er 1781 Mitbegründer und bis 1784 Mitglied der Direktion der Leipziger Gewandhauskonzerte. – Auf Grundlage der Kunstwerke, die er von seinem Vater erbte, baute W. eine umfangreiche Sammlung auf, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Leipzig eine der bekanntesten war. Für die Erweiterung seiner Sammlung war er im Kunsthandel und auf Messen im In- und Ausland aktiv. Neben Gemälden umfasste sie eine große Zahl an Druckgrafiken sowie Handzeichnungen und Gemmen, die sich im Wohnhaus der Familie in der Katharinenstraße sowie im Gartenhaus vor dem Grimmaischen Tor befanden. Außerdem besaß W. eine umfangreiche kunstgeschichtliche Bibliothek. 1768 wurde die Gemäldesammlung öffentlich zugänglich gemacht und war seitdem in der Katharinenstraße mittwochs 14 bis 16 Uhr für Besucher geöffnet. Zu diesem Anlass beauftragte W. den befreundeten Kaufmann und Kunsthistoriker Franz Wilhelm Kreuchauf mit der Abfassung des Katalogs „Historische Erklaerungen der Gemaelde, welche Herr Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet“. Der für diese Zeit ungewöhnlich ausführliche Katalog beinhaltet vier Abschnitte zu den Gemälden von italienischen, deutschen, niederländischen und französischen Künstlern und umfasst dabei 628 Nummern, wobei die niederländischen Werke den überwiegenden Teil ausmachen. Die enthaltenen Verzierungsvignetten wurden von dem mit W. befreundeten Direktor der Leipziger Kunstakademie Adam Friedrich Oeser entworfen und von Johann Friedrich Bause im Kupferstich umgesetzt. Oeser war es auch, der das größte Zimmer der Sammlungsräume im Haus in der Katharinenstraße mit einem allegorischen Deckengemälde versah. Außerdem war es ihm erlaubt, die Sammlung W.s zur Ausbildung seiner Schüler zu nutzen. Über den Katalog hinaus wird ein Teil der Sammlung durch eine Serie von acht Aquarellen dokumentiert, die
Christian Friedrich Wiegand um 1795 anfertigte (heute im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig). Darauf sind 218 Gemälde in zeitgenössischer Hängung dargestellt, die sich im Gartenhaus W.s befanden. Die Sammlung gehörte zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt und lockte zahlreiche Besucher an. Johann Gottlob Schulz führte sie in seiner „Beschreibung der Stadt Leipzig“ auf und bemerkte, mancher Fürst würde sich glücklich schätzen, eine so herrliche und kostbare Sammlung von Gemälden zu besitzen, sie sei eine der größten Zierden der Stadt. Goethe besuchte die Sammlung mehrfach. Während seiner Studienzeit in Leipzig, in der er Zeichenunterricht bei Oeser nahm, beschäftigte er sich dort mit dem Kopieren einiger Druckgrafiken. Auch Daniel Chodowiecki suchte die Sammlung 1773 und 1789 auf. Nach dem Tod W.s 1795 erbten seine drei noch lebenden Söhne die Kunstsammlung. Die Gemälde wurden unter ihnen aufgeteilt und ein Großteil der Sammlung zum Verkauf angeboten oder auf Aktionen veräußert. Zu diesem Zweck wurden die Werke abschnittsweise in Auktionskatalogen verzeichnet. W.s Sammlung wurde schließlich weit verstreut, ein Teil der Gemälde ging nach Russland.
Quellen Franz Wilhelm Kreuchauf, Historische Erklaerungen der Gemaelde, welche Herr Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet, Leipzig 1768; Johann Gottlob Schulz, Beschreibung der Stadt Leipzig, Leipzig 1784, S. 322-331; Michael Huber, Johann Gottlob Stimmel, Catalogue Raisonné du Cabinet d’Estampes de feu Monsieur Winckler, Banquieur et membre du Senat à Leipzig, 5 Bde., Leipzig 1801-1810; W. Gottfried (Bürger u. Kaufmann), in: Kartei Leipziger Familien, Seite F_01945.
Literatur Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig vom 25. November 1781 bis 25. November 1881, Leipzig 1884; Georg Wilhelm Schulz, Gottfried W. und seine Sammlungen, in: Werner Teupser (Hg.), Kunst und ihre Sammlung in Leipzig. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Leipziger Kunstvereins und Museums der bildenden Künste, Leipzig 1937, S. 63-102; Eduard Trautscholdt, Zur Geschichte des Leipziger Sammelwesens, in: Magdalena George (Hg.), Festschrift Hans Vollmer, Leipzig 1957, S. 217-252; Horst Gerson, Ausbreitung und Nachwirkung der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Amsterdam 1983; Roland Kanz, Dichter und Denker im Porträt. Spurengänge zur deutschen Porträtkultur des 18. Jahrhunderts, München 1993; Ralph Krüger, Bürgerliche Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts in Leipzig, in: Thomas Topfstedt/Hartmut Zwahr (Hg.), Leipzig um 1800. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Beucha 1998, S. 113-126; Heike Lüddemann, Goethe und die Leipziger Kunstakademie unter Adam Friedrich Oeser, in: Rainer Behrends (Hg.), Johann Wolfgang Goethe und Leipzig. Beiträge und Katalog, Leipzig 1999, S. 77-92; Detlef Döring, Kunstsammlungen, in: ders./Cecilie Hollberg (Hg.), Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften, Teil: Essays, Dresden 2009, S. 146-151; Nina Simone Schepkowski, Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Berlin 2009. – Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, hrsg. von PRO LEIPZIG e.V., Leipzig 2005, S. 645.
Porträt Bildnis des Gottfried W. d.J., Johann Friedrich Bause nach einem Gemälde von Johann Friedrich August Tischbein, 1766, Kupferstich, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. NL297/2/1/Nr.1, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz].
Alana Möller
16.02.2021
Empfohlene Zitierweise:
Alana Möller, Artikel: Gottfried Winckler der Jüngere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24959 [Zugriff 21.11.2024].
Gottfried Winckler der Jüngere
Quellen Franz Wilhelm Kreuchauf, Historische Erklaerungen der Gemaelde, welche Herr Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet, Leipzig 1768; Johann Gottlob Schulz, Beschreibung der Stadt Leipzig, Leipzig 1784, S. 322-331; Michael Huber, Johann Gottlob Stimmel, Catalogue Raisonné du Cabinet d’Estampes de feu Monsieur Winckler, Banquieur et membre du Senat à Leipzig, 5 Bde., Leipzig 1801-1810; W. Gottfried (Bürger u. Kaufmann), in: Kartei Leipziger Familien, Seite F_01945.
Literatur Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig vom 25. November 1781 bis 25. November 1881, Leipzig 1884; Georg Wilhelm Schulz, Gottfried W. und seine Sammlungen, in: Werner Teupser (Hg.), Kunst und ihre Sammlung in Leipzig. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Leipziger Kunstvereins und Museums der bildenden Künste, Leipzig 1937, S. 63-102; Eduard Trautscholdt, Zur Geschichte des Leipziger Sammelwesens, in: Magdalena George (Hg.), Festschrift Hans Vollmer, Leipzig 1957, S. 217-252; Horst Gerson, Ausbreitung und Nachwirkung der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Amsterdam 1983; Roland Kanz, Dichter und Denker im Porträt. Spurengänge zur deutschen Porträtkultur des 18. Jahrhunderts, München 1993; Ralph Krüger, Bürgerliche Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts in Leipzig, in: Thomas Topfstedt/Hartmut Zwahr (Hg.), Leipzig um 1800. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Beucha 1998, S. 113-126; Heike Lüddemann, Goethe und die Leipziger Kunstakademie unter Adam Friedrich Oeser, in: Rainer Behrends (Hg.), Johann Wolfgang Goethe und Leipzig. Beiträge und Katalog, Leipzig 1999, S. 77-92; Detlef Döring, Kunstsammlungen, in: ders./Cecilie Hollberg (Hg.), Erleuchtung der Welt. Sachsen und der Beginn der modernen Wissenschaften, Teil: Essays, Dresden 2009, S. 146-151; Nina Simone Schepkowski, Johann Ernst Gotzkowsky. Kunstagent und Gemäldesammler im friderizianischen Berlin, Berlin 2009. – Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, hrsg. von PRO LEIPZIG e.V., Leipzig 2005, S. 645.
Porträt Bildnis des Gottfried W. d.J., Johann Friedrich Bause nach einem Gemälde von Johann Friedrich August Tischbein, 1766, Kupferstich, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. NL297/2/1/Nr.1, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz].
Alana Möller
16.02.2021
Empfohlene Zitierweise:
Alana Möller, Artikel: Gottfried Winckler der Jüngere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24959 [Zugriff 21.11.2024].