Lippmann Alexander Zunz

Wie weitere Dresdner Jüdinnen und Juden, die in den 1780er- und 1790er-Jahren geboren wurden, darunter die Geschwister Simon, Marcus und Clara Bondi, gehörte Lippmann Alexander Zunz jener Generation von Jüdinnen und Juden in Sachsen an, die während der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche um 1800 aufwuchsen, die Phase der Napoleonischen Kriege erlebten und am Prozess der rechtlichen Emanzipation der Jüdinnen und Juden wie der Verbürgerlichung partizipierten. – Zunz entstammte einer traditionsorientierten jüdischen Familie. Sein Vater Alexander Feibusch Zunz betrieb in Dresden Geld- und Wechselgeschäfte (nachgewiesen 1812). 1802 zählte dieser noch nicht zu jenen Juden, die über eine Konzession oder Duldung verfügten. Mit zehn Talern musste er zudem einen verhältnismäßig hohen jährlichen jüdischen Personensteuerbeitrag entrichten, der zugleich aber auch Auskunft über die Prosperität der Familie gibt. Enge Beziehungen bestanden in Dresden zur einflussreichen jüdischen Familie Bondi. Mit der Heirat von Esther Zunz, der Schwester von Zunz, mit Elias Meyer 1803 knüpfte die Familie weitere Bande mit der Dresdner jüdischen Elite. 1810 lebte die Familie in der Augustusstraße 374. Die Anstellung einer Magd im Haushalt zeugt ebenfalls davon, dass sie zu den wohlhabenden Dresdner Juden gehörte. – Über Zunz‘ schulische Ausbildung ist bislang nichts bekannt. Vermutlich erhielt er neben der Unterweisung in der jüdischen Religion auch eine allgemeine Ausbildung in Deutsch und Mathematik. Darauf deutet auch eine Zusammenstellung der Mitglieder der jüdischen Gemeinde von 1835 hin, nach der Zunz sowohl in Deutsch als auch in Judendeutsch (Deutsch in hebräischen Lettern) schreiben konnte. – 1814 starb der Vater von Zunz mutmaßlich an Typhus, der in Dresden grassierte. Er hinterließ nach den Angaben der Familie etwa 1.000 Taler, die zwischen der Witwe, den beiden verheirateten Schwestern und Zunz aufgeteilt wurden. Offiziell genehmigt wurde der weitere Aufenthalt von Zunz in Dresden erst 1818. Für sich und seine 81-jährige Mutter hatte er jährlich vier Taler an jüdischer Personensteuer zu entrichten. Seinen Lebensunterhalt verdiente Zunz in den Folgejahren durch den Juden gestatteten Handel, der sich auf gebrauchte Gegenstände, aber auch Geldgeschäfte erstreckte. Nachweislich besuchte er auch die Leipziger Messe, wie einem Brief seines entfernten Cousins, des Predigers und Vertreters der „Wissenschaft des Judentums“ Leopold Zunz, vom Herbst 1820 zu entnehmen ist. Erstmals im Dresdner Adressbuch ist Zunz 1829 als Geld- und Wechselhändler genannt. – 1826 verlobte sich Zunz mit der 18 Jahre jüngeren Rosalie Bondi, einer hinterlassenen Tochter des ehemaligen Gemeindevorstehers, Geld- und Wechselhändlers Simon Bondi und dessen Ehefrau Nanette. Nach behördlicher Genehmigung heiratete das Paar am 17.6.1827 in Dresden. Zunz verfügte zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben über ein Vermögen von 500 Talern, seine Braut brachte eine Aussteuer von 1.000 Talern mit in die Ehe ein. Der Personensteuerbeitrag für die Eheleute und eine jüdische Dienstmagd betrug fortan 6 Taler. Die Ehe blieb kinderlos. Offenbar kurz nach der Heirat erfolgte der Umzug in die Mittlere Frauengasse 396, wo er bis zu seinem Tod lebte. Der vergleichsweise hohe Mietzins von 100 Kreuzern (1835) weist auf große Räumlichkeiten und einen gehobenen Lebensstil hin. 1850 war Zunz im Adressbuch als Partikular (von franz. Particulier/Privatperson), ab dem Folgejahr dann als Handelsmann und ab 1856 wiederum als Partikular genannt, lebte also von seinem Vermögen. – Ab der zweiten Hälfte der 1820er-Jahre gehörte auch Zunz zu den Akteuren innergemeindlicher Reformprozesse und der rechtlichen Emanzipation der sächsischen Jüdinnen und Juden. Bereits 1828 war er als Mitglied des Gemeindeausschusses Mitunterzeichner eines Gesuchs an den König Anton um Aufhebung von Beschränkungen, wodurch Juden das Betreiben eines bürgerlichen Gewerbes und dessen Erlernung, die Aufnahme jüdischer Lehrlinge in Innungen sowie der Erwerb von Grundstücken ermöglicht werden sollte. Auch das 1831 angesichts der sächsischen Verfassungsgebung wiederholte Gesuch zeichnete Zunz mit. Offenbar war er - wie sein Schwager Elias Veit Meyer und zahlreiche Mitglieder der Familie Bondi - auch Mitglied des Dresdner Mendelssohn-Vereins, der die Ausbildung junger Juden in Handwerk und Landwirtschaft förderte. Zum Bau der neuen Synagoge (1838-1840) bewilligte er 250 Taler und gehörte damit zu den Großspendern unter den Dresdner Juden. Als im Januar 1840 aufgrund deutlich gestiegener Baukosten eine Zwangsversteigerung des Rohbaus drohte, zeichnete Zunz weitere 100 Taler. Im Herbst 1839 wurde er zudem zum Ersatzmann als Gemeindedeputierter gewählt. 1854 befürwortete er mit 124 weiteren Gemeindemitgliedern die Wahl von Wolf Landau zum neuen Dresdner und sächsischen Oberrabbiner. Auch eine Spende für die von Ludwig Philippson 1859 ins Leben gerufene Israelitische Bibelanstalt, die hebräische und hebräisch-deutsche Bibeln verbreitete, zeugt von Zunzʼ reformorientierten jüdischen Selbstverständnis. Gleichzeitig hielt er an den jüdischen Traditionen fest, wofür u.a. das dreibändige, von Josef Karo verfasste Schulchan Aruch (1797/1798-1803/1804) in seinem Besitz steht, das eine Zusammenfassung religiöser Vorschriften des Judentums enthält und von seiner Witwe 1870 dem Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau (poln. Wrocław) übergeben wurde. – Auf der Basis seines Vermögens betätigte sich Zunz im Sinn der Zedaka (jüdische Wohltätigkeit). Er förderte u.a. den Israelitischen Frauenverein zu Dresden, das Krankenunterstützungsinstitut für Israeliten und die Krankenverpflegungsgesellschaft mit regelmäßigen Beiträgen und Spenden. Als Dresdner spendete er 1854 wie andere Mitglieder der jüdischen Gemeinde aber auch für den Bau des Turms der evangelischen Dreikönigskirche in Dresden-Neustadt. Auch im Kleinen wirkte Zunz offenbar wohltätig. Als ihn Anfang 1840 eine Zeitungsanzeige indirekt als geizig darstellte und damit antijüdischen Stereotypen Raum ließ, verteidigte ihn seine namentlich nicht genannte böhmische Dienstmagd, der Geld abhandengekommen war: So habe das Ehepaar Zunz ihre Familie bereits früher unterstützt und sie liebe und verehre es deshalb wie ihre eigenen Eltern. – Zunz litt, wie Familienbriefe belegen, spätestens ab seinem fünften Lebensjahrzehnt unter gesundheitlichen Problemen. Mehrfach besuchte das Ehepaar deshalb in den Sommermonaten Karlsbad (tschech. Karlovy Vary), wo sich Zunz eine Linderung seines Leidens erhoffte, zugleich aber auch an der bürgerlichen Praxis des Kurbesuchs partizipierte. Er starb nach einem längeren Leiden in der Nacht des 6.7.1867 im Alter von 81 Jahren. In einem repräsentativen Doppelgrab auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Dresden fand Zunz seine letzte Ruhe. – Besondere Bedeutung für Dresden erlangte Zunz durch seine Stiftungstätigkeit, bei der Zedaka und bürgerliches Engagement ineinandergriffen. Bereits 1856 hatte er testamentarisch 100 Taler, die er 1863 auf 500 Taler aufstockte, hinterlegt, deren Zinsen an den Sterbetagen seiner Eltern die Abhaltung des Kaddisch (jüdisches Totengebet) in der Synagoge gewährleisten und jüdischen Hilfsbedürftigen zugutekommen sollten. Ebenso stiftete er 50 Taler zugunsten der jüdischen Gemeindeschule, die Rosalie Zunz später um 100 Taler aufstockte, und 100 Taler zugunsten der Synagogenkasse. Auch seine Neffen Philipp und Moritz Elimeyer bedachte der kinderlose Zunz mit Legaten in Höhe von jeweils 1.500 Gulden. Der Nachwelt in Erinnerung blieb Zunz aber v.a. durch größere von ihm selbst oder für ihn eingerichteten Stiftungen: Wenige Monate vor seinem Tod deponierte er beim Dresdner Stadtrat im April 1866 preußische Staatsobligationen im Wert von 500 Talern, deren Zinsen für christliche und jüdische Arme bestimmt sein sollten. Am ersten Todestag spendete seine Witwe nicht nur 20 Taler für Dresdner Arme, sondern etablierte zudem eine Stiftung zum Andenken an Zunz bei der Israelitischen Religionsgemeinde zur Mietunterstützung von Dresdner Jüdinnen und Juden. Die erste Ausstattung mit Wertpapieren im Wert von 500 Talern erhöhte sie später um weitere 1.000 Taler. Die Zinsen einer weiteren, unter dem gleichen Datum eingerichteten Stiftung mit einem Kapital von 1.000 Talern sollten einerseits mögliche mittellose Verwandte ihres Manns absichern und andererseits den Wohltätigkeitseinrichtungen der jüdischen Gemeinde zufallen. Zudem deponierte Rosalie Zunz 4.500 Taler im Auftrag ihres verstorbenen Manns bei der Stadtkasse, deren Zinsen für die Aufstockung der Gehälter und Gratifikationen für Lehrer vergeben werden sollten. Außerdem übergab sie weitere 100 Taler an das Jüdisch-Theologische Seminar in Breslau, die dort in einer Stipendienstiftung angelegt wurden. Rosalie Zunz betrieb auf diese Weise aktive Nachlassarbeit, um den Namen ihres Manns sowohl innerhalb der jüdischen Gemeinschaft als auch der Dresdner Stadtgesellschaft insgesamt in Erinnerung zu bewahren.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 2360/08, 2377/02, 2377/03, 2442/09, 10079 Landesregierung, Loc. 31018, Bd. 25, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 826c, 10747 Kreishauptmannschaft Dresden, Nr. 344, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 11132, 11133, 11135, 11142; Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv, B.X.41, B.XI.293m, C.XLII.39, C.XLII.85, C.XLII.139, C.XLII.180, C.XLII.199 II, C.XLII.238s, C.XLII.238v, Kirchliche Wochenzettel 1803, 1827, 1867; Leo Baeck Institute New York, MF 542 Elias Bondi Collection; Dresdner Anzeiger 17.1.1840, S. 3, 20.1.1840, S. 3, 10.2.1854, S. 5, 7.7.1867, 3. Beilage, S. 15, 14.7.1867, S. [2]; Allgemeine Zeitung des Judentums 14.8.1860, S. 485; Dresdner Journal 7.7.1867, S. 696; Zacharias Frankel, Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 17/1868, H. 2, S. 63; Adressbuch Dresden 1812, 1829, 1850, 1851, 1856; Jahres-Rechnung der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden auf das Jahr 1875 und Verwaltungsbericht für dieselbe auf die Jahre 1874 und 1875, S. 20; Uebersicht der Einnahme und Ausgabe des israelitischen Frauen-Vereins zu Dresden in dem Zeitraume 27. September 1851 bis 31. Dezember 1852; Jahres-Rechnung der von der hohen Staatsregierung confirmirten Kranken-Verpflegungs-Gesellschaft der Israelitischen Gemeinde zu Dresden. Vom 1. Thebet 5616/10. Decbr. 1855 bis zum 30. Kislew 5617/27. Decbr. 1856; Alter Jüdischer Friedhof Dresden, Grab-Nr. 34/8 (Grabstein, epidat - epigraphische Datenbank).

Literatur Bernhard Beer, Geschichtliche Darstellung der fünfzigjährigen Wirksamkeit des Kranken-Unterstützungs-Instituts für Israeliten zu Dresden. Zur Jubelfeier am 19. Juli 1857, Dresden [1857], S. 24; Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886, S. 72; Stiftungen in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden [1902], S. 7; Paul Röthig, Ein Handbuch für Wohltätigkeit und Wohlfahrtspflege in Dresden, Dresden 1906, S. 46; Nahum Nobert Glatzer (Hg.), Leopold Zunz. Jude, Deutscher, Europäer. Ein jüdisches Gelehrtenschicksal des 19. Jahrhunderts in Briefen an Freunde, Tübingen 1964, S. 112; Carsten L. Wilke, Von Breslau nach Mexiko: Die Zerstreuung der Bibliothek des Jüdisch-theologischen Seminars, in: Birgit E. Klein/Christiane E. Müller (Hg.), Memoria - Wege jüdischen Erinnerns, Berlin 2005, S. 315-338, hier S. 330.

Daniel Ristau
28.8.2025


Empfohlene Zitierweise:
Daniel Ristau, Artikel: Lippmann Alexander Zunz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27940 [Zugriff 6.9.2025].

Lippmann Alexander Zunz



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 2360/08, 2377/02, 2377/03, 2442/09, 10079 Landesregierung, Loc. 31018, Bd. 25, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 826c, 10747 Kreishauptmannschaft Dresden, Nr. 344, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Nr. 11132, 11133, 11135, 11142; Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv, B.X.41, B.XI.293m, C.XLII.39, C.XLII.85, C.XLII.139, C.XLII.180, C.XLII.199 II, C.XLII.238s, C.XLII.238v, Kirchliche Wochenzettel 1803, 1827, 1867; Leo Baeck Institute New York, MF 542 Elias Bondi Collection; Dresdner Anzeiger 17.1.1840, S. 3, 20.1.1840, S. 3, 10.2.1854, S. 5, 7.7.1867, 3. Beilage, S. 15, 14.7.1867, S. [2]; Allgemeine Zeitung des Judentums 14.8.1860, S. 485; Dresdner Journal 7.7.1867, S. 696; Zacharias Frankel, Das jüdisch-theologische Seminar zu Breslau, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 17/1868, H. 2, S. 63; Adressbuch Dresden 1812, 1829, 1850, 1851, 1856; Jahres-Rechnung der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden auf das Jahr 1875 und Verwaltungsbericht für dieselbe auf die Jahre 1874 und 1875, S. 20; Uebersicht der Einnahme und Ausgabe des israelitischen Frauen-Vereins zu Dresden in dem Zeitraume 27. September 1851 bis 31. Dezember 1852; Jahres-Rechnung der von der hohen Staatsregierung confirmirten Kranken-Verpflegungs-Gesellschaft der Israelitischen Gemeinde zu Dresden. Vom 1. Thebet 5616/10. Decbr. 1855 bis zum 30. Kislew 5617/27. Decbr. 1856; Alter Jüdischer Friedhof Dresden, Grab-Nr. 34/8 (Grabstein, epidat - epigraphische Datenbank).

Literatur Bernhard Beer, Geschichtliche Darstellung der fünfzigjährigen Wirksamkeit des Kranken-Unterstützungs-Instituts für Israeliten zu Dresden. Zur Jubelfeier am 19. Juli 1857, Dresden [1857], S. 24; Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886, S. 72; Stiftungen in der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden [1902], S. 7; Paul Röthig, Ein Handbuch für Wohltätigkeit und Wohlfahrtspflege in Dresden, Dresden 1906, S. 46; Nahum Nobert Glatzer (Hg.), Leopold Zunz. Jude, Deutscher, Europäer. Ein jüdisches Gelehrtenschicksal des 19. Jahrhunderts in Briefen an Freunde, Tübingen 1964, S. 112; Carsten L. Wilke, Von Breslau nach Mexiko: Die Zerstreuung der Bibliothek des Jüdisch-theologischen Seminars, in: Birgit E. Klein/Christiane E. Müller (Hg.), Memoria - Wege jüdischen Erinnerns, Berlin 2005, S. 315-338, hier S. 330.

Daniel Ristau
28.8.2025


Empfohlene Zitierweise:
Daniel Ristau, Artikel: Lippmann Alexander Zunz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27940 [Zugriff 6.9.2025].