Marcus Bondi
Als Privatgelehrter, Schriftsteller und Mineralienhändler gehörte Marcus Bondi zu jenen herausragenden jüdischen Persönlichkeiten in Dresden, die sich bereits früh bildungsbürgerlichen Wertevorstellungen öffneten und sich schon als sächsische Untertanen verstanden, als die rechtliche Gleichstellung noch in weiter Ferne lag. – Bondi, ein Enkel des kursächsischen Hoffaktors Simon Isaac Bondi und Sohn des Wechselhändlers Wolf Simon Bondi, erhielt bereits in seiner Kindheit neben der traditionellen jüdischen Ausbildung auch Unterricht in allgemeinen Fächern und insbesondere in der deutschen Sprache. Bereits im jugendlichen Alter publizierte er 1802 erste literarische Versuche in der von Wilhelm Gottlieb Becker herausgegebenen Zeitschrift „Erholungen“. Sein besonderes Interesse für die deutsche Sprache zeigte Bondi mit einer verbesserten Übersetzung des Gebets des sächsischen Oberrabbiners David Wolf Landau, das dieser anlässlich der Erhebung Sachsens zum Königreich 1806 verfasst hatte. Seine Rolle als Grenzgänger zwischen der jüdischen und der bildungsbürgerlichen Welt drückte sich in seinen Aufsätzen in den frühen deutschsprachigen jüdischen Zeitschriften „Sulamith“ und „Jedidja“ aus. Für seine Mitarbeit an einem zusammen mit seinem Bruder Simon Bondi 1812 publizierten Fremdwörterbuch „Or-Ester“ zu Talmud, Targum und Midrasch, für das er die deutsche Einleitung und die deutschen Worterklärungen verfasste, wurde Bondi 1817 auf eigenen Antrag hin von der Universität Halle-Wittenberg zum Doktor der Philosophie promoviert. 1823 wurde er Außerordentliches Mitglied des „Vereins für Cultur und Wissenschaft des Judenthums“. – Bereits im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts publizierte Bondi v.a. in allgemeinen und Unterhaltungszeitschriften. In der Phase der Napoleonischen Kriege wirkte er zumindest 1815 als Schreiber für das Bankhaus der mit ihm verwandten Brüder
Conrad August und Siegmund (Sigismund) Blumner in Dresden. Nachweislich setzte er sein schriftstellerisches Wirken spätestens 1817 fort und publizierte immer wieder kleinere Beiträge, Sinnsprüche und Scherzreden in der von Karl Gottfried Theodor Winkler und Friedrich Kind herausgegebenen „Dresdner Abend-Zeitung“ sowie teils auch mehrteilige Erzählungen in Unterhaltungszeitschriften wie dem „Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz“, dem „Komus“, der „Eos“, dem „Freimüthigen für Deutschland“, dem „Literarischen Merkur“ und dem „Erzähler“. Inhaltlich und nicht selten selbstironisch nahm er in seinen Texten immer wieder auf bildungsbürgerliche Gewohnheiten sowie Aspekte des Literatur- und Theaterbetriebs Bezug. Zudem sprach er sich für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Schriftstellerei aus. – 1819 stellte Bondi seine literarische Arbeit ein, was vermutlich durch die Verschärfung der Pressezensur infolge der Karlsbader Beschlüsse bedingt war. Ab 1822 betrieb er in Dresden offiziell eine Mineralienhandlung und machte seine bisherige private Sammelleidenschaft zum Beruf. In den 1820er-Jahren baute er auch durch europaweite Reisen ein weltweites Handels- und Korrespondenznetz auf. Zu seinen Abnehmern gehörten neben privaten Sammlerinnen und Sammlern auch große staatliche Mineraliensammlungen und -kabinette, etwa in
Wien, Dresden,
Berlin und
Ballenstedt. Mit namhaften Mineralogen und Wissenschaftlern seiner Zeit wie August Breithaupt in Freiberg, den Brüdern Gustav und Heinrich Rose in Berlin, John Henry Heuland in
London, Jöns Jakob Berzelius in
Stockholm oder Charles Upham Shepard in den Vereinigten Staaten stand Bondi im Austausch. Zwar beteiligte er sich nicht mit eigenen Fachpublikationen am wissenschaftlichen Diskurs, wurde aber als Händler und wegen seiner fachlichen Expertise darin immer wieder erwähnt. In Dresden wurde er zum Ehrenmitglied der Mineralogischen Gesellschaft ernannt. Bis zu seinem Tod führte er seine Mineralienniederlage fort, die in Dresden zum Anlaufpunkt für auswärtige Mineralogen avancierte. – Bondi blieb Junggeselle. Als Bildungsbürger par excellence beschäftigte er sich intensiv mit aktuellen Neuerscheinungen der Literatur, besuchte Theater und andere Kulturveranstaltungen. Seine Bildung und sein bürgerlicher Habitus öffneten ihm nicht nur in Dresden die Türen namhafter Persönlichkeiten seiner Zeit. Bondi, der zeitlebens Mitglied der jüdischen Gemeinde in Dresden blieb und 1831 auch als Mitglied des interkonfessionellen Mendelssohn-Vereins genannt wurde, vertrat ein modernes jüdisches Selbstverständnis und ordnete die jüdischen Religionsgesetze seiner Alltagspraxis unter. Am 20.9.1831 gehörte Bondi zu jenen Mitgliedern der Dresdner Kommunalgarde, die bei der Übergabe der ersten sächsischen Verfassung mit Gewehr paradierten. – Nach Bondis Tod erwarb seine Schwester Clara Bondi 1865 dessen Mineraliensammlung und vermachte sie der Mineralogisch-Petrographischen Sammlung der Universität Leipzig. Im gleichen Jahr stiftete sie zum Andenken an ihren Bruder zusammen mit ihren Nichten
Rosalie Zunz und
Betty Bondi ein von Konfession und Herkunft unabhängiges Stipendium für mittellose Studenten an der Bergakademie Freiberg.
Quellen Leo Baeck Institute New York, MF 524 Elias Bondi Collection; Naturhistorisches Museum Wien, Mineralogisch-Petrographische Abteilung, Archiv; Universitätsarchiv Halle/Saale, Dekanatsakten mit Promotionsvorgängen der Philosophischen Fakultät, Rep. 21/II, Nr. 10; Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv, Nr. C.XLII.65.
Werke Aphorismen, in: Erholungen 3/1802, S. 158-167; M. W. Idnob (Hg.), Verbesserte Uebersetzung des am 23. December 1806 in sämmtlichen Bethäusern der hiesigen Israelitischen Gemeinde zur Feyer der Annahme der Königswürde gehaltenen Gebets. Von einem Israeliten, Dresden 1807; mit Simon Bondi, ראסת אור oder Beleuchtung der im Talmud von Babylon und Jerusalem, in den Targumim und Midraschim vorkommenden fremden, besonders lateinischen Wörter, Dessau 1812; Simon Bondi, in: Sulamith 5/1817, H. 1, S. 33-39; Simon Bondi. Rückblick auf dessen Leben, in: Jedidja 1/1817, H. 1, S. 117-125; Gedanken eines Ziegenbocks über die Bühne, in: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz 2/1818, H. 143, S. 570f., H. 144, S. 574f.; Knall-Fidibusse, in: Der Gesellschafter 2/1818, H. 11, S. 43.
Literatur Julius Fürst (Bearb.), Bibliotheca Judaica. Bibliographisches Handbuch umfassend die Druckwerke der jüdischen Literatur, T. 1, Leipzig 1863, S. 125f. – Johann Georg Meusel, Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller, Lemgo 1820, S. 214f.
Daniel Ristau
16.9.2024
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Ristau, Artikel: Marcus Bondi,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25588 [Zugriff 30.1.2025].
Marcus Bondi
Quellen Leo Baeck Institute New York, MF 524 Elias Bondi Collection; Naturhistorisches Museum Wien, Mineralogisch-Petrographische Abteilung, Archiv; Universitätsarchiv Halle/Saale, Dekanatsakten mit Promotionsvorgängen der Philosophischen Fakultät, Rep. 21/II, Nr. 10; Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv, Nr. C.XLII.65.
Werke Aphorismen, in: Erholungen 3/1802, S. 158-167; M. W. Idnob (Hg.), Verbesserte Uebersetzung des am 23. December 1806 in sämmtlichen Bethäusern der hiesigen Israelitischen Gemeinde zur Feyer der Annahme der Königswürde gehaltenen Gebets. Von einem Israeliten, Dresden 1807; mit Simon Bondi, ראסת אור oder Beleuchtung der im Talmud von Babylon und Jerusalem, in den Targumim und Midraschim vorkommenden fremden, besonders lateinischen Wörter, Dessau 1812; Simon Bondi, in: Sulamith 5/1817, H. 1, S. 33-39; Simon Bondi. Rückblick auf dessen Leben, in: Jedidja 1/1817, H. 1, S. 117-125; Gedanken eines Ziegenbocks über die Bühne, in: Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz 2/1818, H. 143, S. 570f., H. 144, S. 574f.; Knall-Fidibusse, in: Der Gesellschafter 2/1818, H. 11, S. 43.
Literatur Julius Fürst (Bearb.), Bibliotheca Judaica. Bibliographisches Handbuch umfassend die Druckwerke der jüdischen Literatur, T. 1, Leipzig 1863, S. 125f. – Johann Georg Meusel, Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller, Lemgo 1820, S. 214f.
Daniel Ristau
16.9.2024
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Ristau, Artikel: Marcus Bondi,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25588 [Zugriff 30.1.2025].