Georg
G. wurde an der Schwelle zu einer neuen Epoche geboren. 1831 begann in Sachsen die Phase des Übergangs zur konstitutionellen Monarchie sowie umfassender bürgerlicher Reformen. Die Erziehung G.s lag wie die seiner Brüder zunächst in der Verantwortung von Albert von Langenn. In dieser Zeit entwickelte er eine besondere Liebe zur Musik und erlernte das Klavierspiel, welches ihm in späteren Jahren neben der mit großer Leidenschaft betriebenen Jagd zum wichtigen Ausgleich wurde. Ab Herbst 1843 übernahm der Oberstleutnant und spätere General
Maximilian von Engel als Oberstallmeister und Generaladjutant die Erziehung des Prinzen. Eine Thronfolge schien für den drittgeborenen Sohn praktisch ausgeschlossen, und der Vater entschied, G. die militärische Laufbahn einschlagen zu lassen. Bereits im vierten Lebensjahr wurde G. nomineller Chef des Regiments „Graf Flemming“, welches nun den Namen „Prinz Georg“ erhielt. Bald nahm er auch an Exerzierübungen der Kadetten und Artillerieschüler teil. 1846 trat er als Leutnant in das sächsische 2. Linieninfanterie-Regiment „Prinz Maximilian“ ein, das in Dresden in Garnison stand. Im folgenden Jahr verstarb sein 16-jähriger Bruder
Ernst. Die Wirren des Maiaufstands 1849 überstand G. zusammen mit seiner Familie auf der Festung Königstein. Im August des gleichen Jahres wurde er zum Oberleutnant befördert. Seine militärische Laufbahn wurde durch einen Besuch der Universität Bonn ab Herbst 1849 nur kurz unterbrochen; denn bereits im Mai 1851 kehrte er nach Dresden zurück und wurde im folgenden Jahr zum Hauptmann der Artillerie und 1853 zum Major befördert. 1856 erhielt G. das Kommando über das 3. Sächsische Jägerbataillon, bevor er im folgenden Jahr zum Oberstleutnant im Garderegiment und 1858 zum Oberst ernannt wurde. Ein so schnelles Avancement in der sächsischen Armee war natürlich nur Mitgliedern der königlichen Familie möglich. – Im August 1854 erreichte Dresden die Nachricht vom plötzlichen Unfalltod König Friedrich Augusts II. in Brennbichl/ Nordtirol nahe der Ötztaler Alpen. Da der Verstorbene keine Nachkommen hatte, wurde sein Bruder Johann im 53. Lebensjahr König von Sachsen. Damit rückten dessen Söhne Albert und G. plötzlich in die Nähe des Throns. G. wurde nunmehr anstelle des verstorbenen zweitgeborenen Prinzen Ernst Nutznießer der von Kurfürst Friedrich August III. seit 1779 mit einer Jahresrente ausgestatteten Sekundogenitur. Diese finanzielle Absicherung ermöglichte es ihm, die Gründung eines eigenen Hausstands ins Auge zu fassen. Als eine denkbare gute Partie galt die Tochter der portugiesischen Königin
Maria II. und ihres Gatten König
Ferdinand von Sachsen-Coburg. König Johann ließ seinem Sohn allerdings die Freiheit der Wahl. Da Maria Anna, die 16-jährige Infantin von Portugal und Lissabon, dem Prinzen gefiel, vermählte er sich mit ihr im Mai 1859 in Lissabon. – Nach der Thronbesteigung von König Johann übernahm G. eine Reihe der bisherigen Verpflichtungen seines Vaters. So führte er bis 1902 das Präsidium des Sächsischen Altertumsvereins. In dieser Eigenschaft trieb er erfolgreich die Bemühungen zur Restaurierung sächsischer Kulturgüter voran, z.B. des Doms in Meißen, der Goldenen Pforte zu Freiberg, des Renaissanceportals der ehemaligen Schlosskapelle zu Dresden sowie des Altarbilds von Lucas Cranach d.J. auf der Augustusburg. Zudem trat er für die Gründung der wissenschaftlichen Zeitschrift „Archiv für Sächsische Geschichte“ ein, die ab 1863 regelmäßig Forschungsergebnisse zur Geschichte des Landes veröffentlichte. Die Akademie der zeichnenden und bildenden Künste in Dresden erfreute sich seiner besonderen Aufmerksamkeit, und G. betätigte sich als toleranter Vorsitzender der Kommission für den Ankauf von Gemälden für die Königliche Galerie. Auch im politischen Bereich war G. aktiv, denn im Mai 1862 wurde er Mitglied der I. Kammer des Sächsischen Landtags. Nach der Thronbesteigung seines Bruders Albert übernahm er den Vorsitz der Finanzdeputation. G. trat zwar nicht als Redner in Erscheinung, galt jedoch als wohl informiertes Mitglied der Kammer. Er gehörte ihr 40 Jahre an. Ab 1873 nahm er zudem regelmäßig an den Sitzungen des Gesamtministeriums teil. Nach seiner Beförderung zum Generalmajor und der Kommandierung zur Reiterdivision 1861 reiste G. im folgenden Jahr zusammen mit seinem Bruder Albert zur Londoner Weltausstellung und traf Queen Victoria. Da G. zuvor bereits Portugal, Frankreich und Belgien besucht hatte und noch weitere Reisen durchführte, verfügte er über eine gewisse Kenntnis der außersächsischen europäischen Welt. 1863 wurde er Kommandeur der 1. Reiterbrigade. Der Krieg Preußens gegen Österreich 1866 fand Sachsen auf der Seite Österreichs. G. führte im sächsischen Armeekorps die 1. Sächsische Reiterbrigade und machte bei zwei kleineren Treffen bei Nechantitz und Problus durch seine Umsicht auf sich aufmerksam. In den Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen gelang es Österreich unter Mitwirkung Frankreichs wie bereits 1815, die territoriale Integrität Sachsens zu erhalten. Gemäß der vom König vorgegebenen Linie suchte Sachsen, künftig ein zuverlässiges Mitglied in dem unter preußischer Führung stehenden Norddeutschen Bund zu werden. Von seinem Vater König Johann sowie von Kaiser
Franz Joseph hoch dekoriert, widmete sich der zum Generalleutnant und Kommandeur der 2. Sächsischen Infanteriedivision Nr. 24 ernannte G. nach dem Beitritt Sachsens zum Norddeutschen Bund mit großem Eifer dem Umbau und der Ausbildung der sächsischen Armee nach preußischem Muster. Der Verzicht auf wesentliche Bestandteile der sächsischen Souveränität war wohl etwas leichter zu verkraften, weil es
Bismarck geschickt verstand, dem sächsischen Königshaus die Integration der sächsischen Armee in die Bundesarmee durch vielfältiges Entgegenkommen zu erleichtern. In Sachsen wurde der Eid weiterhin auf den sächsischen König geleistet, die alten Fahnen und Ehrenzeichen weiter geführt, und auch die Beförderung der Offiziere des sächsischen Kontingents der Bundesarmee blieb in sächsischen Händen. 1867 wurde G. Kommandeur der neu gebildeten 1. Sächsischen Infanteriedivision Nr. 23, die er im folgenden Jahr König Johann und König
Wilhelm I. von Preußen anlässlich einer Parade in Dresden vorführte. Doch blieb es nicht bei Paraden und Manövern. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 konnte der Prinz sein militärisches Führungstalent unter Beweis stellen. Den Oberbefehl über das XII. (Sächsische) Armeekorps erhielt sein Bruder, Kronprinz Albert. G. kommandierte in diesem Korps seine 1. Sächsische Infanteriedivision Nr. 23. Am 18.8.1870 führte er persönlich die Division beim verlustreichen Sturm auf St. Privat an. Als sein Bruder Albert am folgenden Tag den Oberbefehl über die IV., die sog. Maasarmee, erhielt, wurde G. für die restliche Kriegszeit Kommandeur des XII. Armeekorps, das erfolgreich an den Gefechten um Nouart, Beaumont, Sedan und schließlich an der Einschließung von Paris teilnahm. Nach den Kämpfen um Villiers verlieh König Wilhelm I. von Preußen G. im November 1870 den Orden „Pour le mérite“. Zusammen mit Kronprinz Albert nahm G. am 18.1.1871 an der Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles teil. Einen bereits geplanten Angriff auf Paris musste das Sächsische Armeekorps nicht mehr durchführen, da am 2.3. die Friedenspräliminarien ausgetauscht wurden. Am 11.7.1871 hielten die sächsischen Truppen ihren feierlichen Einzug in Dresden. König Johann beförderte seinen Sohn G. zum General der Infanterie und ernannte ihn gleichzeitig zum Inhaber des Schützenregiments Nr. 108. Das Oberkommando über das Sächsische Armeekorps gab G. an Kronprinz Albert zurück. Nach dem Tod des Vaters am 29.10.1873 wurde Albert König von Sachsen und übertrug das Kommando über das XII. Armeekorps am 9.11. seinem Bruder G. Am 15.6.1888 erreichte die militärische Laufbahn dieses wettinischen Prinzen ihren Höhepunkt: Kaiser
Wilhelm II. ernannte ihn zum Generalfeldmarschall des Deutschen Reichs und stellte ihn gleichzeitig als General-Inspekteur an die Spitze der 2. Armeeinspektion. Diese umfasste neben dem von Sachsen gestellten XII. Armeekorps auch die beiden von preußischen Truppen gebildeten Armeekorps V. und VI. Neben dem frühen Tod seiner Frau 1884 traf G. 1900 der unverhoffte Tod seines Sohnes
Albert, der mit seiner Kutsche in Wolkau bei Nossen verunglückte. – Einen Namen machte sich G. nicht nur in militärischen Kreisen, als er 1892 in einem geheimen Erlass scharf die immer noch vorkommenden Misshandlungen von Soldaten im Dienst verurteilte und unter Strafe stellte. Diese humane Einstellung des Wettiners fand ihr ausdrückliches Lob sogar in einer Reichstagsrede August Bebels. – Der Tod seines Bruders Albert am 19.6.1902 führte den inzwischen 70-jährigen Witwer G. auf den sächsischen Thron. In seine kurze Regierungszeit, die von wirtschaftlichen Problemen des Landes überschattet wurde, fielen allerdings keine Entscheidungen, die eine größere politische Relevanz für Sachsen hatten. Den wohl bittersten Schicksalsschlag seines Lebens erfuhr G. durch einen Familienskandal. Die mit seinem Sohn, dem Kronprinzen Friedrich August, verheiratete Schwiegertochter und damit die künftige Königin Sachsens, Erzherzogin Luise von Österreich-Toskana, die dem sächsischen Thronfolger bereits fünf Kinder geboren hatte, verließ im Dezember 1902 Dresden mit dem 23-jährigen belgischen Sprachlehrer
André Giron. Die Ehe des Kronprinzen wurde bereits im Februar des folgenden Jahres geschieden, doch erhielt Luise von G. die Erlaubnis, sich Gräfin Montignoso nennen zu dürfen. Als G., dem sein Mangel an Popularität in Sachsen durchaus bewusst war, am 15.10.1904 starb, folgte ihm sein Sohn Friedrich August III. auf den sächsischen Thron.
Literatur E. Schurig, Prinz G., Herzog zu Sachsen, Dresden 1897; K. Sturmhöfel, Zu König G.s Gedächtnis, Dresden 1905; O. Kaemmel, G., König von Sachsen, in: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog 9/1906, S. 23-29. – DBA I, II, III; DBE 3, S. 629; NDB 6, S. 227f.; K. Blaschke, Der Fürstenzug zu Dresden, Leipzig/Jena/Berlin 1991; Frank-Lothar Kroll (Hg.), Die Herrscher Sachsens, München 2004, S. 290-305.
Porträt C. Bantzer, 1903, Ölgemälde, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden, Inventar Nr. BAAG2885; Prinz Georg v. S., Druck, Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., Digitales Bildarchiv; Prinz Georg v. S., H. Prell, 1902, Pastell, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Reiner Pommerin
26.5.2005
Empfohlene Zitierweise:
Reiner Pommerin, Artikel: Georg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1650 [Zugriff 3.12.2024].
Georg
Literatur E. Schurig, Prinz G., Herzog zu Sachsen, Dresden 1897; K. Sturmhöfel, Zu König G.s Gedächtnis, Dresden 1905; O. Kaemmel, G., König von Sachsen, in: Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog 9/1906, S. 23-29. – DBA I, II, III; DBE 3, S. 629; NDB 6, S. 227f.; K. Blaschke, Der Fürstenzug zu Dresden, Leipzig/Jena/Berlin 1991; Frank-Lothar Kroll (Hg.), Die Herrscher Sachsens, München 2004, S. 290-305.
Porträt C. Bantzer, 1903, Ölgemälde, Militärhistorisches Museum der Bundeswehr Dresden, Inventar Nr. BAAG2885; Prinz Georg v. S., Druck, Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V., Digitales Bildarchiv; Prinz Georg v. S., H. Prell, 1902, Pastell, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Reiner Pommerin
26.5.2005
Empfohlene Zitierweise:
Reiner Pommerin, Artikel: Georg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1650 [Zugriff 3.12.2024].