Therese aus dem Winckel

W. war eine Mehrfachbegabte, deren Biografie geprägt ist von den Beschränkungen, die ihre Zeit alleinstehenden, berufstätigen Frauen auferlegte. Sie war Mitglied des Dresdner Liederkreises und gilt als eine der prägenden Persönlichkeiten der Dresdner Romantik. – Als W. vier Jahre alt war, trennten sich die Eltern und sie zog mit ihrer Mutter zur Großmutter in deren kleines Haus im Italienischen Dörfchen in Dresden. W. wurde sorgfältig erzogen und erwarb Kenntnisse in Geschichte, Geografie und Geometrie sowie im Italienischen, Englischen und Französischen. Außerdem erlernte sie das Klavier-, Mandolinen- und Gitarrenspiel. Ersten Harfenunterricht erteilte der ehemalige Harfenlehrer von Marie Antoinette namens Emich (Emig). Sie erhielt privaten Malunterricht und wurde von Anton Graff in ihrem künstlerischen Bestreben ermuntert. Während eines Aufenthalts in Leipzig verfasste sie erste kleine Aufsätze - Kunst- und Musikkritiken - die der Musikschriftsteller und Komponist Johann Friedrich Rochlitz teilweise anonym im „Journal für deutsche Frauen“ veröffentlichte. Die 1800 eingegangene Verlobung W.s mit Rochlitz wurde aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen bald wieder aufgelöst. Ende 1805 ist ein erstes öffentliches Auftreten W.s. anlässlich einer Schiller-Erinnerungsfeier belegt, die sie mit Harfenspiel und Gesang mitgestaltete. Eine Professionalisierung ihrer Fähigkeiten als Malerin blieb ihr verwehrt, da Frauen noch keinen Zugang zu Kunstakademien hatten. Der Dresdner Akademiemaler Joseph Grassi hatte sie gleich zu Beginn ihrer Studien in den Bereich des Kopierens verwiesen, der zeittypischen Denkweise entsprechend, die Frauen lediglich ein nachschöpferisches, aber kein originär kreatives Talent zugestand. – Um ihre Fähigkeiten zu erweitern, brach W. 1806 mit ihrer Mutter zu einer Studienreise nach Paris auf. Mit Empfehlungsschreiben von Karl August Böttiger, Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg und einer Auswahl ihrer nach Werken in der Dresdner Gemäldegalerie gefertigten Kopien traf sie in der französischen Hauptstadt ein, um die großen Sammlungen der von ihr bevorzugten italienischen Maler des 16. und 17. Jahrhunderts zu studieren und unter der Anleitung bekannter akademischer Maler wie Jacques Louis David ihre fast ausschließlich autodidaktisch erworbenen Fähigkeiten weiter zu professionalisieren. In Paris wurde ihr ein eigenes Atelier zur Verfügung gestellt, sie erhielt privilegierten Zugang zum Louvre sowie zu zwei Privatsammlungen und rühmte in ihren Briefen an den herzoglichen Freund und Förderer Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg die im Vergleich zu Deutschland größere Offenheit und Unterstützung für weibliches Talent. Die Pariser Eindrücke weckten in ihr den Wunsch nach einer Künstlerlaufbahn. Nach schweren inneren Kämpfen, die in ihrem Briefwechsel mit dem Herzog und in ihrer Autobiografie dokumentiert sind, fügte sie sich aber in die Rolle der Kopistin. Neben der malerischen Weiterbildung nahm sie Unterricht im Harfenspiel bei dem Komponisten und Harfenisten François-Joseph Naderman, selbst Sohn eines Harfenbauers. Bei Sébastien Erard, in dessen privater Kunstsammlung sie ebenfalls kopierte, kaufte W. eine von diesem neu entwickelte Doppelpedalharfe. In W.s Salon trafen sich v.a. Mitglieder der deutschen und dänischen Kolonie in Paris. Wie schon während der Anreise aus Deutschland, schrieb sie lebendige Berichte von ihren Eindrücken des Pariser Kunst- und Musiklebens, die in der „Dresdner Abendzeitung“ erschienen. – Zu weiteren Studien hatte W. einen Aufenthalt in Rom geplant, doch der Tod des Vaters und der Verlust des väterlichen Vermögens erzwangen 1808 eine Rückkehr nach Deutschland. Die Heimreise finanzierte W. mit dem Verkauf einiger ihrer Gemäldekopien und öffentlichen Auftritten als Harfenistin, bevorzugt mit Werken zeitgenössischer französischer Komponisten. Zu Besuchern ihrer Konzerte gehörten u.a. Achim von Arnim in Heidelberg und Johann Wolfgang von Goethe in Weimar. Zurück in Dresden, bemühte sie sich vergeblich um einen offiziellen Großauftrag als Kopistin, der ihren Lebensaufenthalt gesichert hätte. Sie blieb jedoch auf Einzelaufträge berühmter Werke der Dresdner Galerie nicht zuletzt für auswärtige Besucher angewiesen und nahm an den Dresdner Akademieausstellungen teil. Sie kopierte weiter in der Dresdner Galerie, bis ihr 1815 dieses Privileg von einer neuen Direktion untersagt wurde. W. verlegte sich daher aufs Kopieren ihrer eigenen Kopien sowie auf die Kopien zeitgenössischer Dresdner Künstler, wie der Werke des mit ihr befreundeten Gerhard von Kügelgen. 45 ihrer ursprünglich 127 Gemälde befinden sich heute im Stadtmuseum Bautzen, wobei es sich überwiegend um Kopien nach italienischen Meistern des 16. und 17. Jahrhunderts und nach zeitgenössischen Dresdner Künstlern sowie einige wenige Porträts handelt. Sieben davon befinden sich als Dauerleihgabe im Kügelgenhaus - Museum der Dresdner Romantik. – Auch W.s Bemühungen um eine feste Anstellung als Harfenistin blieben bis auf eine einjährige Tätigkeit als Aushilfsharfenistin am Dresdner Hoftheater vergeblich. Allerdings unterwies sie mehrere sächsische Prinzessinnen in der Kunst des Harfenspielens und erteilte Harfenunterricht im privaten Rahmen. Sie bildete einige später sehr erfolgreiche Schüler aus, wie den Konzertharfenisten August Tombo, den späteren Klavierlehrer von Richard Strauß. In ihren Beiträgen in der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ ihres Freunds Rochlitz setzte sie sich für die technische Verbesserung und musikalische Anerkennung der Harfe ein. – Um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, gab W. auch Unterricht in englischer, französischer und italienischer Sprache und nahm nach dem Tod ihrer Mutter Pensionärinnen in ihr Haus auf. Auch ihre schriftstellerischen bzw. journalistischen Beiträge verfasste sie weiterhin, in der Regel unter verschiedenen Pseudonymen (Comala, Theorosa, H.) und unterhielt ein ästhetisches Kränzchen, das auch auswärtige Besucher zu ihr führte. Sie war Mitglied des Dresdner Liederkreises um Friedrich Kind und Theodor Hell. Neben Elise Bürger und Louise Seidler zählte sie auch den romantisch-religiösen Dichter Otto Heinrich Graf von Loeben zu ihren Freunden, den sie vergeblich für den Liederkreis zu gewinnen suchte. Um allen ihren Pflichten und Erwerbszweigen nachzukommen, führte sie bis wenige Tage vor ihrem Tod ein straff reglementiertes Leben.

Quellen Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftensammlung, Mscr.Dresd.App.1191, Nr. 986-987: Autobiografie W.s vom Mai 1860, Mscr.Dresd.h.37,8, Bd. 24, Nachlass Carl August Böttiger, Briefe W.s an Böttiger; Archiv des Stadtmuseums Bautzen, Nachlass W.; Briefwechsel eines deutschen Fürsten mit einer jungen Künstlerin, hrsg. von W. v. Metzsch-Schilbach, Berlin 1893.

Werke Autobiografie, 1860; Altarbild, Dorfkirche Brockwitz, vor 1822.

Literatur H. v. Chézy, Unvergessenes, Bd. 2, Leipzig 1858; A. Stern, Beiträge zur Literaturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, Leipzig 1893, S. 177; A. Brunnemann, Therese aus dem W., ein Frauenleben aus der Dresdner Biedermeierzeit, in: Westermanns Monatshefte 64/1920, H. 11, S. 536-540; E. Haenel/E. Kalkschmidt, Das alte Dresden, München 1925, S. 256-279 (P); A. R. Gühne, Therese aus dem W., eine Dresdner Künstlerin, in: Dresdner Geschichtsblätter 45/1937, Nr. 2, S. 17-20; P. D. A. Atterbom, Reisebilder aus dem romantischen Deutschland, ND Stuttgart 1970, S. 110-113; M. Prause (Bearb.), Die Kataloge der Dresdner Akademie-Ausstellungen 1801-1850, 2 Bde., Berlin 1975; A. Estermann, Die deutschen Literatur-Zeitschriften, Bd. 2, Nr. 2, Nendeln 1977, S. 18, 49, 59, 122; ders., Die deutschen Literatur-Zeitschriften, Bd. 1, Nr. 1, S. 38f., 44, 85, Nendeln 1978; B. Kovalevski (Hg.), Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Künstlerinnen der Goethezeit, Ostfildern-Ruit 1999, S. 89, 318f. (P); S. Schellenberger, Vom Ethos der Kopie - Die Schenkung der Therese aus dem W. (1779 Weißenfels in Sa.- 1867 Dresden) an die Stadt Bautzen im Jahre 1864, in: Jahresschrift Stadtmuseum Bautzen 2/1996, S. 520 (P, WV); A. Strittmatter, Das „Gemäldekopieren“ in der deutschen Malerei zwischen 1780 und 1860, Münster 1998, S. 180-212, 295-301; dies., Die Pariser Jahre der Therese aus dem W. (1779-1867), in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 2000, Bd. 28, S. 67-76; S. Kaufmann, Goethes Malerin (Louise Seidler), Berlin 2003; A. Strittmatter, „Paris wird eine einzige große Wunderlampe sein“. Das Leben der Künstlerin Therese aus dem W., Berlin 2004 (P); C. Schweitzer, „…ist übrigens als Lehrerin höchst empfehlungswürdig“. Kulturgeschichte der Clavierlehrerin, Oldenburg 2008; dies., Bühnenabbrüche als Karriereknick, in: M. Gerads/R. Grotjahn (Hg.), Musik und Emanzipation, Oldenburg 2010, S. 141-150; dies., Therese aus dem W. in Paris, in: F. Hoffmann (Hg.), Reiseberichte von Musikerinnen des 19. Jahrhunderts, Hildesheim/Zürich/New York 2011, S. 17-36; B. Savoy/B. Nerlich (Hg.), Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt, Bd. 1, Berlin/Boston 2013, S. 313-315 (P); – ADB 43, S. 431-432; DBA II, III; C.W. A. O. v. Schindel, Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Teil 2, Leipzig 1825, S. 434f.; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser 6/1905, S. 876-880; Thieme/Becker, Bd. 36, S. 60; Bénézit. Dicitionary of Artists; http://www.sophie-drinker-institut.de/winckel-therese-aus-dem (20.6.2018).

Porträt Bildnis Therese a. d. W., C. C. Vogel v. Vogelstein, 1827, Schwarze-Kreide-Zeichnung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. C 3544, Foto: A. Diesend (Bildquelle); Therese a. d. W., Selbstbildnis, um 1830, Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Bautzen; Therese a. d. W., A. Molinari, vor 1831, Zeichnung, Städtische Galerie Dresden, Kunstsammlungen.

Eva Chrambach
17.9.2018


Empfohlene Zitierweise:
Eva Chrambach, Artikel: Therese aus dem Winckel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4187 [Zugriff 19.4.2024].

Therese aus dem Winckel



Quellen Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftensammlung, Mscr.Dresd.App.1191, Nr. 986-987: Autobiografie W.s vom Mai 1860, Mscr.Dresd.h.37,8, Bd. 24, Nachlass Carl August Böttiger, Briefe W.s an Böttiger; Archiv des Stadtmuseums Bautzen, Nachlass W.; Briefwechsel eines deutschen Fürsten mit einer jungen Künstlerin, hrsg. von W. v. Metzsch-Schilbach, Berlin 1893.

Werke Autobiografie, 1860; Altarbild, Dorfkirche Brockwitz, vor 1822.

Literatur H. v. Chézy, Unvergessenes, Bd. 2, Leipzig 1858; A. Stern, Beiträge zur Literaturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, Leipzig 1893, S. 177; A. Brunnemann, Therese aus dem W., ein Frauenleben aus der Dresdner Biedermeierzeit, in: Westermanns Monatshefte 64/1920, H. 11, S. 536-540; E. Haenel/E. Kalkschmidt, Das alte Dresden, München 1925, S. 256-279 (P); A. R. Gühne, Therese aus dem W., eine Dresdner Künstlerin, in: Dresdner Geschichtsblätter 45/1937, Nr. 2, S. 17-20; P. D. A. Atterbom, Reisebilder aus dem romantischen Deutschland, ND Stuttgart 1970, S. 110-113; M. Prause (Bearb.), Die Kataloge der Dresdner Akademie-Ausstellungen 1801-1850, 2 Bde., Berlin 1975; A. Estermann, Die deutschen Literatur-Zeitschriften, Bd. 2, Nr. 2, Nendeln 1977, S. 18, 49, 59, 122; ders., Die deutschen Literatur-Zeitschriften, Bd. 1, Nr. 1, S. 38f., 44, 85, Nendeln 1978; B. Kovalevski (Hg.), Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Künstlerinnen der Goethezeit, Ostfildern-Ruit 1999, S. 89, 318f. (P); S. Schellenberger, Vom Ethos der Kopie - Die Schenkung der Therese aus dem W. (1779 Weißenfels in Sa.- 1867 Dresden) an die Stadt Bautzen im Jahre 1864, in: Jahresschrift Stadtmuseum Bautzen 2/1996, S. 520 (P, WV); A. Strittmatter, Das „Gemäldekopieren“ in der deutschen Malerei zwischen 1780 und 1860, Münster 1998, S. 180-212, 295-301; dies., Die Pariser Jahre der Therese aus dem W. (1779-1867), in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 2000, Bd. 28, S. 67-76; S. Kaufmann, Goethes Malerin (Louise Seidler), Berlin 2003; A. Strittmatter, „Paris wird eine einzige große Wunderlampe sein“. Das Leben der Künstlerin Therese aus dem W., Berlin 2004 (P); C. Schweitzer, „…ist übrigens als Lehrerin höchst empfehlungswürdig“. Kulturgeschichte der Clavierlehrerin, Oldenburg 2008; dies., Bühnenabbrüche als Karriereknick, in: M. Gerads/R. Grotjahn (Hg.), Musik und Emanzipation, Oldenburg 2010, S. 141-150; dies., Therese aus dem W. in Paris, in: F. Hoffmann (Hg.), Reiseberichte von Musikerinnen des 19. Jahrhunderts, Hildesheim/Zürich/New York 2011, S. 17-36; B. Savoy/B. Nerlich (Hg.), Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt, Bd. 1, Berlin/Boston 2013, S. 313-315 (P); – ADB 43, S. 431-432; DBA II, III; C.W. A. O. v. Schindel, Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Teil 2, Leipzig 1825, S. 434f.; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser 6/1905, S. 876-880; Thieme/Becker, Bd. 36, S. 60; Bénézit. Dicitionary of Artists; http://www.sophie-drinker-institut.de/winckel-therese-aus-dem (20.6.2018).

Porträt Bildnis Therese a. d. W., C. C. Vogel v. Vogelstein, 1827, Schwarze-Kreide-Zeichnung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. C 3544, Foto: A. Diesend (Bildquelle); Therese a. d. W., Selbstbildnis, um 1830, Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Bautzen; Therese a. d. W., A. Molinari, vor 1831, Zeichnung, Städtische Galerie Dresden, Kunstsammlungen.

Eva Chrambach
17.9.2018


Empfohlene Zitierweise:
Eva Chrambach, Artikel: Therese aus dem Winckel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4187 [Zugriff 19.4.2024].