Konrad von Landsberg

Mit K. starb der von Dedo V. (III., der Feiste, der Fette) 1156 begründete Familienzweig der Wettiner, der als Groitzsch-Rochlitzer Linie bezeichnet wird, bereits 1210 wieder aus. Das hatte zur Folge, dass K., entgegen seiner politischen Bedeutung, von der auf die meißnischen Wettiner fixierten sächsischen Dynastie- und Landesgeschichte bis heute weitestgehend übersehen wurde. Dabei gehörte K. in den beiden Jahrzehnten vor und nach 1200 zu den führenden deutschen Reichsfürsten und war die herausragende Gestalt innerhalb des wettinischen Familienverbands. – Der polnische Geschichtsschreiber und Bischof Vinzenz Kadłubek nannte K. einen Dedoniden, also einen Angehörigen der Familie Dedos. Bereits 1185 erschien K. mit dem Titel Markgraf (marchio) - allerdings noch ohne territorialen Zusatz -, als sein Vater Dedo nach einem politischen Interessenausgleich zwischen Kaiser Friedrich I. (Barbarossa), dem Erzbischof Wichmann von Magdeburg und der eigenen Familie gegen Entrichtung von 4.000 Mark Silber mit der Ostmark (marchia Orientalis) belehnt worden war. In der zweiten Hälfte der 1180er-Jahre gelang es K. gemeinsam mit seinem Vater, ihr ostmärkisch-lausitzisches Territorium mit der Eroberung des Köpenicker Herrschaftsbereichs an Dahme und Spree beträchtlich nach Norden hin auszuweiten. Während der meißnischen Nachfolgewirren 1189, als Albrecht (I., der Stolze) seinen Vater Markgraf Otto (der Reiche) gefangen nahm, stand K. auf Albrechts Seite. Die dadurch eingetretene Entfremdung zum Kaiser scheint unter dessen Sohn Heinrich VI. fortgedauert zu haben. Es wird vermutet, dass K. einer der führenden Fürsten innerhalb des - letztendlich erfolgreichen - sächsischen Widerstands gegen den kaiserlichen Erbreichsplan zur Einschränkung des fürstlichen Wahlrechts war. Seit 1195 war K. der Senior innerhalb des wettinischen Familienverbands und damit auch Vogt des Augustiner-Chorherrenstifts auf dem Lauterberg (heute Petersberg) bei Halle/Saale. Mit dem Einzug der Mark Meißen (1195-1198) als heimgefallenes Reichslehen rückte K. als einzig verbliebener Reichsfürst der Gesamtfamilie in eine stärkere Verantwortung für deren Interessen. Vom Tod Kaiser Heinrichs VI. 1197 und der folgenden Doppelwahl 1198 - beides verringerte den politischen Druck des im benachbarten Pleißenland stark präsenten Königtums auf die Wettiner -, erfuhr K. im Heiligen Land. Dort war er im März 1198 in Akkon (Israel) an der Gründung des Deutschen Ordens beteiligt. Philipp von Schwaben, einer der beiden aus der Doppelwahl hervorgegangenen Thronprätendenten, zog die Wettiner auf seine Seite: Er gab der meißnischen Linie die gleichnamige Markgrafschaft zurück. K. und sein älterer Bruder Graf Dietrich von Sommerschenburg und Groitzsch erhielten von König Philipp entgegen der von Friedrich Barbarossa verbrieften Freiheit die Vogtei über das Benediktinerkloster Pegau. In den folgenden zehn Jahren bis zur Ermordung Philipps 1208 blieb K. dessen zuverlässiger Verbündeter; er unterstützte die reichsfürstlichen Erklärungen zugunsten Philipps an Papst Innozenz III. in Speyer 1199 und in Halle 1202. In der Saalestadt waren alle damals existierenden wettinischen Linien (Meißen, Ostmark/Lausitz, Brehna, Groitzsch-Sommerschenburg und Wettin) für Barbarossas jüngsten Sohn eingetreten. Für das 1200 geplante Schiedsgericht über den Thronstreit war K. als fürstlicher Vertreter Philipps vorgesehen. 1202 führte er eine Gesandtschaft nach Rom an, um für seinen König zu werben. Mit dabei waren der Lauterberger Propst Walter und der neu gewählte Bischof Dietrich von Merseburg - ein illegitimer Sohn Markgraf Dietrichs (II.) von der Ostmark. Die Legitimierung und Anerkennung seines Vetters Dietrich als Merseburger Bischof erreichte K. an der Kurie, obwohl er päpstlichen Versuchen widerstand, ihn zum Abfall von König Philipp zu verleiten. K. verstärkte die diplomatischen Aktivitäten zugunsten seines Herrschers sogar noch in Zusammenarbeit mit dem Magdeburger Erzbischof Ludolf und dem Passauer Bischof Wolfger. Zur Stärkung der staufischen Partei verheiratete K. seine Tochter Agnes - wohl 1205 - mit dem welfischen Pfalzgrafen Heinrich bei Rhein, der darauf die Partei seines Bruders, des Königs Otto IV., verließ. Nach dem gewaltsamen Tod Philipps 1208 erkannten K. und dessen meißnischer Vetter Dietrich (III., der Bedrängte) nach Zahlung von 22.000 Mark Silber Otto IV. als neuen König an. Als K. schon zwei Jahre später starb, folgte ihm Dietrich von Meißen als Markgraf der Ostmark/Lausitz aufgrund kaiserlicher Belehnung, die auf der Burg Landsberg erfolgte. – K.s Bedeutung resultiert aber nicht nur aus seinem reichspolitischen Engagement während des Thronstreits, sondern auch aus den territorialen Erfolgen beim Ausbau seiner ostsächsischen Herrschaft, wo er die nachhaltigen Anstrengungen des Vaters erfolgreich fortsetzte: Von Dedo erbte K. 1190 die Herrschaft Rochlitz, die er mit dem Ausbau der gleichnamigen Burg weiter repräsentativ ausgestaltete; nach dem Tod seines Bruders Dietrich gelangte die Grafschaft Groitzsch an ihn, deren Mittelpunkt ebenfalls in einer gleichnamigen Burg bestand. Sein Hauptwirkungsgebiet aber war die Ostmark, die er - anders als die allodialen Besitzungen Groitzsch und Rochlitz - vom Reich zu Lehen hielt. Nach dieser Ostmark nannte er sich in seinen Urkunden und auf den Siegeln konsequent „marchio Orientalis“. Sein Fürstentum war eines der sieben sächsischen Fahnlehen und verbürgte seinem Inhaber die Zugehörigkeit zum auserwählten Kreis der Reichsfürsten (principes imperii). Im 12. und beginnenden 13. Jahrhundert galt die Ostmark als identisch mit der Lausitz: Auf dem Höhepunkt der Macht K.s erstreckte sie sich von der Burg Landsberg - der für K. namengebenden Stammburg der Ostmark - nahe Halle über Eilenburg und Torgau ostwärts nach Cottbus und Lübben und nordwärts über Köpenick am Zusammenfluss von Dahme und Spree im Südosten des heutigen Berlins hinaus bis Altlandsberg im südlichen Barnim und Lebus nördlich von Frankfurt/Oder. Mit dieser Ausdehnung war die hochmittelalterliche Ostmark/Lausitz wesentlich größer als das, was heute unter Lausitz/Niederlausitz verstanden wird. Die markgräfliche Gerichtsstätte befand sich in Delitzsch. Münzen mit seinem Bild prägte K. wohl in Eilenburg, Torgau und unter Ausnutzung seiner Vogteirechte auch in der Münzstätte des Pegauer Abts. Weitere Vogteien hatte er über das Hochstift Naumburg und das Zisterzienserkloster Dobrilugk inne. Ein Klostergründungsversuch nahe Storkow/Mark 1209 kam wegen seines baldigen Todes nicht mehr zur Ausführung, während seine Hospitalgründung in Geithain noch gelang. Wichtige Burgen mit Vasallen befanden sich in Baruth/Mark, Kossenblatt nahe Beeskow, Niemegk bei Bitterfeld, Pirkau bei Groitzsch, Rochlitz, Saathain, Storkow, möglicherweise Strausberg. 1209 eroberte K. in einem aufsehenerregenden Feldzug Land und Burg Lebus, die bisher sein piastischer Schwager Władysław III. Laskonogi, Herzog von Großpolen, innehatte. Er sicherte damit das schon länger in seinem Herrschaftsgebiet befindliche Köpenick nach Osten hin ab. Bereits seit den 1190er-Jahren hatte er das strategisch und verkehrsmäßig sehr günstig an einem Spreeübergang liegende „Copnic“ ausbauen und von dort aus den südlichen Barnim durch Landesausbau erschließen lassen. Im Februar 1210 urkundete K. in Köpenick als Markgraf zugunsten des Klosters Buch bei Leisnig. Nach seinem Tod gingen diese Besitzungen und die darin investierten Anstrengungen den Wettinern unter den überforderten meißnischen Markgrafen Dietrich (der Bedrängte) und Heinrich (der Erlauchte), der minderjährig und deshalb politisch unselbstständig war, verloren. – K. wurde im Augustiner-Chorherrenstift Zschillen hinter dem Lettner im Querhaus des Chorraums an der Seite seiner Eltern und Geschwister als letzter männlicher Dedonide bestattet. Wie die Aufteilung des allodialen Erbes unter die anteilsmäßig berechtigten verbliebenen wettinischen Linien (Brehna, Wettin) erfolgte, ist unklar.

Quellen Chronicon Montis Sereni, hrsg. von E. Ehrenfeuchter (MGH SS 23), Hannover 1874, S. 130-226; Genealogia Wettinensis, hrsg. von E. Ehrenfeuchter (MGH SS 23), Hannover 1874, S. 226-230; Die Siegel der Wettiner bis 1324 und der Landgrafen von Thüringen bis 1247, hrsg. von O. Posse, Leipzig 1888; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, I. Hauptteil, Abteilung A, Bd. 2-3: Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1100-1195, 1196-1234, hrsg. von O. Posse/H. Ermisch, Leipzig 1889, 1898; V. Kadłubek, Chronica Polonorum, hrsg. von M. Plezia, Krakau 1994.

Literatur O. Posse, Die Wettiner, Leipzig/Berlin 1897 (ND Leipzig 1994); E. Mertens, Der Brakteatenfund von Nordhausen, Halle/Saale 1929; W. Schwinkowski, Münz- und Geldgeschichte der Mark Meißen und Münzen der weltlichen Herren nach meißnischer Art (Brakteaten) vor der Groschenprägung, Teil 1: Abbildungstafeln, Frankfurt/Main 1931, Abbildungen Nr. 115-119; S. Pätzold, Die frühen Wettiner, Köln/Weimar/Wien 1997; B. Marquis, Meißnische Geschichtsschreibung des späten Mittelalters (ca. 1215-1420), München 1998; H. Winkel, Herrschaft und Memoria, Leipzig 2010; M. Lindner, Das Augustiner-Chorherrenstift Zschillen als Grablege der Dedoniden, in: D. M. Mütze (Hg.), Regular- und Säkularkanonikerstifte in Mitteldeutschland, Dresden 2011, S. 57-82; ders., Conradus Orientalis marchio und die urkundliche Ersterwähnung Köpenicks im Jahre 1210, in: ders./G. Nath (Hg.), Köpenick vor 800 Jahren. Von Jacza zu den Wettinern, Berlin 2014, S. 22-33. – ADB 16, S. 587f.; DBA I.

Porträt Brakteat mit der Abbildung Konrads II. von Landsberg, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Münzkabinett (Bildquelle).

Michael Lindner
9.10.2014


Empfohlene Zitierweise:
Michael Lindner, Artikel: Konrad von Landsberg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2503 [Zugriff 21.11.2024].

Konrad von Landsberg



Quellen Chronicon Montis Sereni, hrsg. von E. Ehrenfeuchter (MGH SS 23), Hannover 1874, S. 130-226; Genealogia Wettinensis, hrsg. von E. Ehrenfeuchter (MGH SS 23), Hannover 1874, S. 226-230; Die Siegel der Wettiner bis 1324 und der Landgrafen von Thüringen bis 1247, hrsg. von O. Posse, Leipzig 1888; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, I. Hauptteil, Abteilung A, Bd. 2-3: Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1100-1195, 1196-1234, hrsg. von O. Posse/H. Ermisch, Leipzig 1889, 1898; V. Kadłubek, Chronica Polonorum, hrsg. von M. Plezia, Krakau 1994.

Literatur O. Posse, Die Wettiner, Leipzig/Berlin 1897 (ND Leipzig 1994); E. Mertens, Der Brakteatenfund von Nordhausen, Halle/Saale 1929; W. Schwinkowski, Münz- und Geldgeschichte der Mark Meißen und Münzen der weltlichen Herren nach meißnischer Art (Brakteaten) vor der Groschenprägung, Teil 1: Abbildungstafeln, Frankfurt/Main 1931, Abbildungen Nr. 115-119; S. Pätzold, Die frühen Wettiner, Köln/Weimar/Wien 1997; B. Marquis, Meißnische Geschichtsschreibung des späten Mittelalters (ca. 1215-1420), München 1998; H. Winkel, Herrschaft und Memoria, Leipzig 2010; M. Lindner, Das Augustiner-Chorherrenstift Zschillen als Grablege der Dedoniden, in: D. M. Mütze (Hg.), Regular- und Säkularkanonikerstifte in Mitteldeutschland, Dresden 2011, S. 57-82; ders., Conradus Orientalis marchio und die urkundliche Ersterwähnung Köpenicks im Jahre 1210, in: ders./G. Nath (Hg.), Köpenick vor 800 Jahren. Von Jacza zu den Wettinern, Berlin 2014, S. 22-33. – ADB 16, S. 587f.; DBA I.

Porträt Brakteat mit der Abbildung Konrads II. von Landsberg, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Münzkabinett (Bildquelle).

Michael Lindner
9.10.2014


Empfohlene Zitierweise:
Michael Lindner, Artikel: Konrad von Landsberg,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2503 [Zugriff 21.11.2024].