Heinrich Scherl der Ältere

S. war am Ende seines Lebens der reichste Bürger Leipzigs. In einer weit verzweigten Nürnberger Familie geboren, kam er 1506 angeblich unbemittelt nach Leipzig. Er wurde Bürger und 1508 Mitglied der Kramer-Innung. Frühzeitig gelangte S. zu erheblichem Wohlstand und engagierte sich v.a. im Bergbau, im Hüttenwesen und im Silberhandel. Bereits 1510 gehörte er zu den Gläubigern des Grafen Gebhardt von Mansfeld. 1513 war S. Teilhaber der Hasenthaler und 1524 - gemeinsam mit Jacob Welser - der Leutenberger Saigerhütte. 1529 zählte er mit mehreren Gesellschaftern, darunter Graf Albrecht von Mansfeld, zu den Mitinhabern einer der beiden Saigerhütten bei Eisfeld und kaufte 1535 u.a. mit Hieronymus Lotter die Saigerhütte Ludwigstadt. Das Hauptkontor unter der Geschäftsführung von S. und Lotter wurde in Leipzig eingerichtet. 1548 betrug S.s Kapitaleinlage 40.000 Gulden. Über die zeitlichen Abläufe seiner Beziehungen zum erzgebirgischen Bergbau ist bisher nichts bekannt. In seinem Testament von 1548 werden insgesamt 164 ¼ Kuxe als Berganteile in den Revieren Annaberg (105), Buchholz (12 ¾), Marienberg (17 ¼), Joachimsthal (17) und weitere 12 ¼ in kleineren Revieren genannt. Daneben betrieb er in großem Stil einen „Seidengewandt- und Specereyhandel“ zwischen Nürnberg und Breslau (poln. Wrocław); 1548 betrug die Kapitaleinlage 13.500 Gulden. Schon Jahre zuvor wurde S.s Vermögen nach einer Urkunde im Knopf des Thomaskirchturms von 1537 auf 100.000 Gulden geschätzt. – Seine wiederholte Wahl in hohe Stadtämter zwischen 1521 und 1537 als Ratsherr, Stadtrichter und Baumeister sind Ausdruck seiner Position in der Stadt. Entscheidend dazu beigetragen hat zweifellos auch sein frühes Bekenntnis zur Reformation. 1524 richtete S. gemeinsam mit anderen führenden Handelsmännern Leipzigs eine Bittschrift an Herzog Georg (der Bärtige), worin es um die Anstellung eines lutherischen Predigers in der Stadt ging, die natürlich auf Ablehnung stieß. Dennoch blieb S. von landesherrlichen Repressionen verschont, während andere Anhänger Martin Luthers, wie sein späterer Schwiegersohn Greger Ulrich und sein Schwager Peter Gengenbach, Leipzig verlassen mussten. Unmittelbar nach dem Tod Herzog Georgs 1539 bekannte sich S. wieder öffentlich zur Reformation. Er setzte dem ersten lutherischen Superintendenten eine jährliche Rente aus und war 1540 Gastgeber Luthers, der in seinen Tischgesprächen von dem „schwer reichen Mann“ S. berichtete. – Als erfahrener Geschäftsmann nutzte S. die Säkularisation geistlicher Güter in Leipzig 1543 für eigene Interessen. Vom Stadtrat beauftragt zum Verkauf von Silbergerät und aller anderen Wertgegenstände von Leipziger Klöstern, erwarb er nicht nur verschiedene Kostbarkeiten für seine Familie, sondern v.a. den Grundbesitz des Thomasklosters und des Zisterzienser-Nonnenklosters St. Georg für insgesamt 6.975 Gulden. Die von S. auf dem Grund des ehemaligen Thomasklosters erbauten Wohnhäuser brachten bis zu seinem Tod eine Wertsteigerung von über 100 Prozent (1543 für 4.500 Gulden erworben, 1548 auf 9.600 Gulden geschätzt). Insgesamt besaß S. nach eigenen Angaben in seinem Testament städtische Immobilien im Wert von 23.650 Gulden, mit einem Wohnhaus in der Hainstraße für 5.000 Gulden und einem Wohnhaus in der Katharinenstraße für 4.000 Gulden, die ihn zum reichsten Grundbesitzer in Leipzig machten. – Zugleich bewies S. sehr großzügiges soziales Engagement. Er bedachte nicht nur seine zahlreichen Vettern, Neffen und andere weitläufige Verwandte in seinem Testament mit mehreren tausend Gulden, sondern stiftete darüber hinaus Gelder u.a. für durch einen Brand geschädigte Leipziger sowie die beiden Hospitäler. – Aufschlussreich sind die von S. geknüpften familiären und geschäftlichen Beziehungen. Durch seine erste Ehe wurde er Schwager des Leipziger Großkaufmanns, Bergwerksunternehmers und vielfachen Hausbesitzers Martin Leubel, der vor S. der reichste Handelsmann Leipzigs war. Seine zweite Ehe machte ihn zum Schwager des Leipziger Bürgermeisters Hieronymus Lotter; zu seinen Schwiegersöhnen zählten die Leipziger Handelsmänner Georg Fach, Peter Buchner, Ulrich Cantzler, Veit Straube, Greger Ulrich, Lorenz Mordeisen, der Nürnberger Großhändler Martin Pfinzing d.J. und der spätere kursächsische Kanzler Ulrich Mordeisen. Alle Genannten bzw. ihre Familien waren erfolgreich im Textilhandel zwischen Nürnberg, Leipzig und Schlesien tätig und beteiligten sich aktiv im Bergbau und Hüttenwesen. Nach S.s Tod und der unmittelbar folgenden Erbteilung verlor die Kaufmannsfamilie Scherl schnell an Bedeutung.

Quellen Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Testament Heinrich S.; Stadtarchiv Leipzig, Tit. (F) LIX, Nr. 25, Paket 1, Bd. 2, Testament Heinrich S.s des Eltern, 1549.

Literatur E. Kroker, Die sächsischen Bergwerke und Leipzig. Martin Leubel, Heinrich S., in: ders., Beiträge zur Geschichte der Stadt Leipzig im Reformationszeitalter, Leipzig 1908, S. 69-88. – NDB 18, S. 90.

Manfred Straube
17.2.2006


Empfohlene Zitierweise:
Manfred Straube, Artikel: Heinrich Scherl der Ältere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3472 [Zugriff 7.12.2024].

Heinrich Scherl der Ältere



Quellen Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Testament Heinrich S.; Stadtarchiv Leipzig, Tit. (F) LIX, Nr. 25, Paket 1, Bd. 2, Testament Heinrich S.s des Eltern, 1549.

Literatur E. Kroker, Die sächsischen Bergwerke und Leipzig. Martin Leubel, Heinrich S., in: ders., Beiträge zur Geschichte der Stadt Leipzig im Reformationszeitalter, Leipzig 1908, S. 69-88. – NDB 18, S. 90.

Manfred Straube
17.2.2006


Empfohlene Zitierweise:
Manfred Straube, Artikel: Heinrich Scherl der Ältere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3472 [Zugriff 7.12.2024].