Elisabeth von Hessen
E. zählt zu den prägnantesten Fürstinnen des Reformationszeitalters und gehörte zeitweise zu den einflussreicheren Exponenten der lutherischen Fürstenreformation. Ihr in seltener Dichte überkommener Briefwechsel bietet eines der farbigsten und detailliertesten Quellenzeugnisse der Zeit. – E. kam 1502 als Tochter des regierenden hessischen Landgrafen
Wilhelm II. zur Welt. Bereits drei Jahre später beurkundeten ihr Vater und Herzog Georg (der Bärtige) von Sachsen eine Eheberedung für ihre Kinder E. und Johann (der Jüngere). Damit sollten die engen Verbindungen zwischen den albertinischen Wettinern und dem Haus Hessen gestärkt werden. Nach dem Tod Wilhelms II. 1509 übernahmen in Hessen adlige Regenten mit
Ludwig von Boyneburg an der Spitze die Macht und brachten
Philipp, E.s Bruder, unter ihre Obhut. E.s Mutter
Anna wurde auf ihren Witwenhof Rotenburg abgeschoben, an dem ihre Tochter eine vergleichsweise freizügige, aber materiell beeinträchtigte Kindheit verlebte. Als Landgräfin Anna 1514 nach langem juristischen Kampf selbst die Regentschaft für ihren Sohn übernahm, kehrte mit ihr auch E. nach Marburg zurück. Dort wurde am 27.8.1515 die Ehe E.s mit Herzog Johann von Sachsen geschlossen; das Beilager fand wegen des Alters der Braut erst am 20.5.1516 in Marburg statt. Die Heimfahrt nach Sachsen erfolgte im Herbst 1517, wo E. am 11.11. in Leipzig feierlich empfangen wurde. – Am wettinisch-albertinischen Hof in Dresden kam E. als Gemahlin des zur Herrschaftsnachfolge bestimmten Herzogs Johann eine von vielfältigen Erwartungen und Ansprüchen erfüllte, zentrale Rolle im höfisch-dynastischen Rahmen zu. Doch blieb die Ehe E.s und Johanns zeitlebens kinderlos und im weiblichen Hofstaat nahm bis zu ihrem Tod 1534 Herzogin Barbara, die Gemahlin Herzog Georgs (der Bärtige), die erste Stelle ein. Hieraus und aus dem Gegensatz zwischen dem strengen, autoritären und alten „Hausvater“ Georg und der Spielräume auslotenden, lebendigen und jugendlichen E. entwickelten sich schon zeitig Konflikte. Mit E.s Zuwendung zur lutherischen Reformation 1526 erhielt diese Konfrontation um eine disziplinierende Integration der jungen Herzogin in den Dresdner Hof eine religiöse Vertiefung und Verschärfung. Seit dieser Zeit suchte und fand E. stärkeren Rückhalt bei den lutherischen Verwandten, ihrem Bruder, Landgraf Philipp, und ihrem Cousin, Herzog (seit 1532 Kurfürst) Johann Friedrich (der Großmütige) von Sachsen. 1532/33 geriet E. durch Ehebruchsvorwürfe
Hans von Schönbergs und Heinrich von Schleinitz’, zweier einflussreicher albertinischer Räte, weiter unter Druck. Der „Fall E.“ entwickelte sich über Sachsen hinaus zur diplomatisch-politischen Kontroverse zwischen lutherischen und altgläubigen Fürsten. E. bestritt die gefährlichen Anschuldigungen heftig. Seit März 1533 verweigerte sie überdies Beichte und Abendmahl in der katholischen Form und stellte damit den Streit um das religiöse Bekenntnis in den Vordergrund der Auseinandersetzung. Im Sommer 1533 erkrankte sie schwer. Erst nach dem Tod der Schwiegermutter Herzogin Barbara im Februar 1534 ebbte der Konflikt ab. E.s Beziehungen zu Herzog Georg normalisierten sich und es wurde ein Modus vivendi für das im Privaten gelebte lutherische Bekenntnis E.s am Dresdner Hof gefunden. – Im Januar 1537 starb E.s Gemahl, Herzog Johann. Gegen Widerstände am Hof übernahm E. im März 1537 ihre Rochlitzer Wittumsherrschaft mit den Städten Mittweida und Geithain und seit dem 1.5.1537 auch mit Schloss Kriebstein, Hartha und Waldheim. Ihr Wittum verstand E. nicht als bloße Versorgungsresidenz, sondern als eigenen Herrschaftsbereich. Seit Dezember 1537 setzte sie dort gegen den Willen von Herzog Georg die Reformation durch und trat im Sommer 1538 dem Schmalkaldischen Bund bei. Seit 1538 erzog die kinderlose E. in Rochlitz ihre Nichte
Barbara, Tochter Landgraf Philipps. Auch nach Herzog Georgs Tod 1539 blieb das Verhältnis E.s zu den regierenden, nunmehr lutherischen Albertinern, Herzog Heinrich (der Fromme) und Moritz, nicht ohne Spannungen. Am 17.7.1543 tauschte E. auf albertinischen Druck hin Kriebstein mit Hartha und Waldheim gegen die Ämter Dornburg und Camburg ein. Während des Schmalkaldischen Kriegs besetzte der kaisertreue Markgraf
Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach Anfang 1547 Rochlitz. Bereits am 2.3. konnte Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen das Schloss im Handstreich zurückgewinnen und E. befreien. Vor den Kriegswirren wich E. nun zunächst nach Dornburg und schließlich nach Kassel aus, wo sie v.a. nach der Gefangensetzung ihres Bruders, Landgraf Philipp, Einfluss auf die hessische Politik zu erlangen versuchte. Unter dem Vorwurf des Hochverrats zog derweil Kurfürst Moritz zu E.s Verbitterung noch 1547 das Rochlitzer Wittum ein. Erst am 7.7.1549 erlangte E. einen Vergleich mit Moritz, in dem sie für ein Jahrgeld von 7.000 Gulden auf Rochlitz verzichten musste. Nach dem Tod von Moritz erhöhte dessen Nachfolger Kurfürst August 1553 dieses Jahrgeld auf 9.000 Gulden, behielt aber Rochlitz weiter ein. – In Kassel stießen E.s politische Ambitionen zunehmend auf Ablehnung, sodass sie sich 1548 zum Rückzug gezwungen sah. Sie erwarb damals den hessischen Anteil an Stadt und Amt Schmalkalden für ausstehende Schulden in Höhe von 15.000 Gulden. Seit Herbst 1548 residierte E. im baulich modernisierten Hessenhof zu Schmalkalden. Auch dort verstand sich E. als herrschaftliche und politische Akteurin und setzte u.a. eine Getränkesteuer durch. Als sie 1553 den unter Reichsacht gestellten Markgrafen Albrecht Alkibiades unterstützte, geriet sie ins politische Abseits. Schmalkalden wurde in der Folge durch die Truppen ihres lebenslangen Intimfeinds Herzog
Heinrich (der Jüngere) von Braunschweig-Wolfenbüttel zeitweise besetzt. – Seit dem Frühjahr 1552 erkrankte E. immer wieder schwer, von 1555 an konnte sie aufgrund ihrer angegriffenen Gesundheit Schmalkalden bis zu ihrem Tod 1557 nicht mehr verlassen. E.s Leichnam wurde auf eigenen Wunsch hin in die Marburger Elisabethkirche überführt und dort bestattet. – E. war eine herausragende Fürstin ihrer Zeit. Sie forderte herrschaftlichen Einfluss, besaß politisches Gewicht und nahm an religiösen Debatten Anteil. Über die Spielräume einer „gewöhnlichen“ Fürstin und Fürstenwitwe ebenso wie über weibliche Rollenmuster hinaus wuchs ihr dabei eine markante politische und kommunikative Bedeutung innerhalb der Fürstenreformation zu. Seit ihrer Zeit am Dresdner Hof engagierte sich E. mit wechselndem Erfolg als Mediatorin politischer Konflikte. An der Vermittlung des Kaadener Friedens von 1534 war sie beteiligt. In den Rochlitzer Jahren zwischen 1537 und 1547 entwickelte E. ein weitgespanntes Nachrichten- und Korrespondenznetz. Noch in ihrer Schmalkaldener Zeit versuchte sie, über persönliche Briefe Einfluss auf politische und familiäre Angelegenheiten zu erlangen, ohne dort freilich an die vorherige politische Bedeutung und Reichweite anknüpfen zu können.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 12803, Personennachlass E. Werl; Die Korrespondenz der Herzogin E. von Sachsen und ergänzende Quellen, Bd. 1: Die Jahre 1505 bis 1532, bearb. und hrsg. von A. Thieme, Leipzig 2010.
Literatur G. Planitz, Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz, in: NASG 24/1903, S. 79-99; A. Fuckel, Herzogin E. von Rochlitz, in: Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden 16/1911, S. 8-34; E. Werl, E., Herzogin zu Sachsen, Bd. 1: Jugend in Hessen und Ehezeit am sächsischen Hofe zu Dresden, Weida 1938, Bd. 2-5, Diss. Leipzig 1937 [MS]; dies., Herzogin E. von Sachsen (1502-1557) als Schwester Landgraf Philipps d. Gr. von Hessen, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 7/1957, S. 199-229; dies., Aus der Reformationsgeschichte der Stadt Mittweida, in: F. Lau (Hg.), Das Hochstift Meißen, Berlin 1973, S. 223-240; R. Jütte, Die Leiden der E. von Rochlitz, in: W. Buchholtz/S. Kroll (Hg.), Quantität und Struktur, Rostock 1999, S. 337-356; G. Wartenberg, Herzogin E. von Sachsen als reformatorische Fürstin, in: M. Schattkowsky (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit, Leipzig 2003, S. 191-202; C. Nolte, „Got wertz wol machen“, in: P. Freybe (Hg.), Frauen fo(e)rdern Reformation, Wittenberg 2004, S. 9-28; P. Puppel, E. von Rochlitz, in: U. Braasch-Schwersmann/H. Schneider/W. E. Winterhager (Hg.), Landgraf Philipp der Großmütige 1504-1567, Marburg/Neustadt/Aisch 2004, S. 192f.; A. Thieme, Glaube und Ohnmacht?, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht, Leipzig 2005, S. 149-174; ders., Religiöse Rhetorik und symbolische Kommunikation, in: W. Müller (Hg.), Perspektiven der Reformationsforschung in Sachsen, Dresden 2009, S. 95-106. – DBA II, III; DBE 3, S. 88; NDB 4, S. 451; Sächsische Lebensbilder, Bd. 2, Leipzig 1938, S. 48-69.
Porträt E. von Sachsen, Reisebild, um 1577, Schmalkalden, Sammlung des Museums Schloss Wilhelmsburg (Bildquelle).
André Thieme
7.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
André Thieme, Artikel: Elisabeth von Hessen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1314 [Zugriff 21.12.2024].
Elisabeth von Hessen
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 12803, Personennachlass E. Werl; Die Korrespondenz der Herzogin E. von Sachsen und ergänzende Quellen, Bd. 1: Die Jahre 1505 bis 1532, bearb. und hrsg. von A. Thieme, Leipzig 2010.
Literatur G. Planitz, Zur Heiratsgeschichte der Herzogin von Rochlitz, in: NASG 24/1903, S. 79-99; A. Fuckel, Herzogin E. von Rochlitz, in: Zeitschrift des Vereins für Hennebergische Geschichte und Landeskunde in Schmalkalden 16/1911, S. 8-34; E. Werl, E., Herzogin zu Sachsen, Bd. 1: Jugend in Hessen und Ehezeit am sächsischen Hofe zu Dresden, Weida 1938, Bd. 2-5, Diss. Leipzig 1937 [MS]; dies., Herzogin E. von Sachsen (1502-1557) als Schwester Landgraf Philipps d. Gr. von Hessen, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 7/1957, S. 199-229; dies., Aus der Reformationsgeschichte der Stadt Mittweida, in: F. Lau (Hg.), Das Hochstift Meißen, Berlin 1973, S. 223-240; R. Jütte, Die Leiden der E. von Rochlitz, in: W. Buchholtz/S. Kroll (Hg.), Quantität und Struktur, Rostock 1999, S. 337-356; G. Wartenberg, Herzogin E. von Sachsen als reformatorische Fürstin, in: M. Schattkowsky (Hg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit, Leipzig 2003, S. 191-202; C. Nolte, „Got wertz wol machen“, in: P. Freybe (Hg.), Frauen fo(e)rdern Reformation, Wittenberg 2004, S. 9-28; P. Puppel, E. von Rochlitz, in: U. Braasch-Schwersmann/H. Schneider/W. E. Winterhager (Hg.), Landgraf Philipp der Großmütige 1504-1567, Marburg/Neustadt/Aisch 2004, S. 192f.; A. Thieme, Glaube und Ohnmacht?, in: E. Bünz/S. Rhein/G. Wartenberg (Hg.), Glaube und Macht, Leipzig 2005, S. 149-174; ders., Religiöse Rhetorik und symbolische Kommunikation, in: W. Müller (Hg.), Perspektiven der Reformationsforschung in Sachsen, Dresden 2009, S. 95-106. – DBA II, III; DBE 3, S. 88; NDB 4, S. 451; Sächsische Lebensbilder, Bd. 2, Leipzig 1938, S. 48-69.
Porträt E. von Sachsen, Reisebild, um 1577, Schmalkalden, Sammlung des Museums Schloss Wilhelmsburg (Bildquelle).
André Thieme
7.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
André Thieme, Artikel: Elisabeth von Hessen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1314 [Zugriff 21.12.2024].