Gregor Brück

Als „Jurist der Reformation“ oder „Advokat der Evangelischen“ nahm B. 1521 bis 1547 eine herausragende Stellung am kursächsisch ernestinischen Hof der Reformationszeit ein. Sein Wirken als Kanzler, Unterhändler und Verhandlungsführer auf zahlreichen Fürsten- und Reichstagen, als Mitverfasser der Confessio Augustana und bei der Begründung des Schmalkaldischen Bunds machte ihn zu einem der wichtigsten Staatsmänner der sächsischen Geschichte. – 1502 immatrikulierte sich B. an der Wittenberger Universität, an der er am 22.12.1505 das Bakkalaureat der freien Künste erwarb und sein Studium beider Rechte ab 1506 in Frankfurt/Oder fortsetzte. 1508 kehrte B. nach Wittenberg zurück, wo er 1509 sein Bakkalaureat in den beiden Rechten anmeldete, um anschließend bei Hieronymus Schurff zu promovieren. B. wurde Gehilfe des Juristen Henning Göde und konnte bei diesem juristische Praxiserfahrungen sammeln. Seine Tätigkeit als Jurist ließ ihn bald zu einem gefragten Vertreter für Städte, Adel und Bürger im Kurfürstentum Sachsen werden. – B.s Aufstieg am kursächsisch ernestinischen Hof begann nach seiner 1519 erfolgten Wahl in den Wittenberger Rat, wo er durch seine Fähigkeiten die Aufmerksamkeit kurfürstlicher Hofräte auf sich zog. Zudem war durch den Tod Degenhardt Pfeffingers ein Posten im kurfürstlichen Rat vakant geworden. 1520 erscheint B. in den Quellen erstmals im Gefolge des Kurfürsten Friedrich III. (der Weise), der ihn im selben Jahr zum Kanzler des mitregierenden Bruders Johann (der Beständige) in Weimar ernannte. 1521 erhielt er in Wittenberg den Grad eines Doktors beider Rechte und wurde gleichzeitig Kanzler am dortigen Hof. – B. nahm im Zuge der Parteinahme der Ernestiner für die Reformation und Martin Luther an zahlreichen Gesprächen des Kurfürsten mit bedeutenden Persönlichkeiten wie Erasmus von Rotterdam, Mercurius Gattinara, dem Kanzler Kaiser Karls V., oder an Verhandlungen im Vorfeld des Wormser Reichstags 1521 mit dem päpstlichen Legaten Hieronymus Aleander teil. B. verflocht in der Folge die kursächsische Politik mit den Anliegen der Reformatoren um Luther bzw. versuchte, zwischen diesen zu vermitteln und die Reformation juristisch zu fundamentieren. – Als die Augustiner mit dem Beginn der Wittenberger Bewegung im Oktober 1521 die Abschaffung der Messe anstrebten, verhandelte B. mit der Universität und dem Kapitel der Stadtkirche. So war er neben den Anliegen innerhalb der Reichspolitik auch an vielen Angelegenheiten der lokalen Durchsetzung der Reformation beteiligt. Nach dem Tod Kurfürst Friedrichs blieb B. auch unter den neuen Landesherren Kurfürst Johann und ab 1532 Kurfürst Johann Friedrich (der Großmütige) weiter am Hof. So begleitete und beriet er Johann auf den Reichstagen zu Speyer 1526 und 1529. Dort allerdings nicht mehr als Kanzler - dieses Amt gab er vermutlich auch krankheitsbedingt im Januar 1529, andere Quellen sprechen von 1526, an Christian Beyer ab -, sondern als Hofrat oder „Alter Kanzler“, der aber nach wie vor die Leitlinien der ernestinischen Politik bestimmte. Nach dem Rücktritt Georg Spalatins 1525 war er der bedeutendste Rat der Ernestiner. Durch die Abgabe reichspolitisch weniger relevanter Aufgaben und die Wahl des ständigen Wohnsitzes in Wittenberg, war es B. ab 1529 möglich, Assessor des dortigen Hofgerichts, später Oberhofgerichtsassessor in Leipzig und Altenburg zu werden, ein Posten, den er aber auf eigenen Wunsch am 26.1.1533 wieder aufgab. Mit der Konzentration auf die Reichspolitik erreichten der Einfluss und die Bedeutung B.s in seiner Wittenberger Schlüsselstellung zwischen Hof und Reformatoren ihren Höhepunkt. Sämtliche Korrespondenzen des Hofs sind von ihm korrigiert oder aber neben historischen Gutachten verfasst worden. – Auf dem Reichstag in Augsburg 1530 überreichte B. die von ihm mitverfasste Confessio Augustana Kaiser Karl V. und begann eine lang andauernde Vermittlungspolitik zwischen den Protestanten und den kaiserlichen Beratern. Die Idee, dass die Glaubensartikel schriftlich aufzusetzen und vorzutragen seien, um so als Manifest des lutherischen Glaubens zu gelten, entsprach B.s Verständnis als Jurist. – Als Reaktion auf den Reichstagsabschied, die Speyerer Protestation der evangelischen Reichsstände und das Wormser Edikt 1521 kam es 1530 zur Gründung des protestantischen Schmalkaldischen Bunds, dessen rechtlicher Rahmen wesentlich auf B. zurückging. Zudem betreute er ab 1530 die Auseinandersetzungen um die Religionsfrage vor dem Reichskammergericht als Sprecher aller protestantischen Reichsstände. Ein Jahr später war B. bei Unterhandlungen zwischen Katholiken und Protestanten zugegen und führte am 22.12.1531 in Bitterfeld eine Disputation mit dem kurmainzisch magdeburgischen Kanzler Christoph Türk, bei der die Rolle Kardinal Albrechts von Brandenburg und dessen Haltung zur Reformation erörtert wurde. B. war von der Rechtmäßigkeit des Widerstands gegen den Kaiser überzeugt und sah darin eine Möglichkeit, die führende Rolle Kursachsens als „Schutzmacht“ des protestantischen Glaubens im Reich zu stärken. Im Frühjahr 1532 zunächst beim Konvent in Schweinfurt und Nürnberg bei den Verhandlungen zugegen, trug er am 2.8.1532 zum Zustandekommen des „Nürnberger Anstands“ bei, einer gegenseitigen befristeten Rechts- und Friedensgarantie für den gegenwärtigen konfessionellen Besitzstand. – B.s Wirken richtete sich auch auf die praktische Umsetzung der Reformation in Kursachsen. Sein Rat war bei der Ausarbeitung eines Landeskirchenregiments und dem Beginn der kirchlichen Visitationen erforderlich. Durch diese Arbeit wurde er zu einem unentbehrlichen Berater für Luther und Philipp Melanchthon. Für den ernestinischen Hof, aber auch für Herzog Georg (der Bärtige) von Sachsen konnte er zudem als Vermittler und Schiedsrichter in zahlreichen dynastischen wie besitzrechtlichen Streitigkeiten tätig werden. – Ab 1537 hielt sich B. aufgrund seines Alters mehr und mehr von auswärtigen Unterhandlungen und den damit verbundenen anstrengenden Reisen fern. Der Vizekanzler Franz Burchart übernahm diese Aufgaben unter Wahrung der Leitlinien B.s. Dass B. nach wie vor als „Weisungsberechtigter Rat“ die Richtlinien der Politik bestimmte, lag auch an der sich schnell ändernden Meinung Kurfürst Johann Friedrichs, dessen Handlungen oft wechselhaft, nicht selten sprunghaft waren. Burchart und B. konnten den Kurfürst nach langen Beratungen und der Abwägung aller Möglichkeiten zu einer einheitlichen Politik bewegen, die die seines Vaters und Onkels fortsetzte. Mit seiner konsequenten und langfristigen Haltung zu den Zielen der Reformation verdiente sich B. den Respekt und die Anerkennung Luthers, der sich dahingehend in seinen „Tischreden“ äußerte, dass alle Juristen gottlos seien, außer B. – B.s Rat und seine Vermittlung in juristischen Fragen um die Durchsetzung der Reformation waren auch in der erzbischöflich magdeburgischen Residenzstadt Halle/Saale gefragt, in der 1540/41 Justus Jonas d.Ä., ein enger Freund Luthers, als Reformator tätig wurde und auf den erbitterten Widerstand des magdeburgischen Administrators Johann Albrecht von Brandenburg-Ansbach stieß. Durch die Besetzung des Naumburger Bistums mit Nikolaus von Amsdorf 1542 kam es zu wiederholten Spannungen Johann Friedrichs mit Kaiser Karl V., der die Einsetzung Amsdorfs als „Gegenbischof“ missbilligte und damit die gleiche Meinung vertrat wie B., der dem Kurfürsten von diesem Vorgehen abgeraten hatte. Das beratende und politische Gewicht B.s wurde zunehmend geringer, obwohl er nach wie vor einen dominierenden Einfluss gegenüber dem neuen Kanzler Melchior von Ossa hatte. Johann Friedrichs Wille, in den Stiftern Naumburg, Merseburg und Wurzen die Reformation und damit die Einbindung der Bistümer in das kursächsische Territorium durchzusetzen, schuf auch die Voraussetzung für die erneuten Konflikte mit den Albertinern, besonders mit Herzog Moritz. Die Entfremdung der Ernestiner von einer prokaiserlichen Politik und damit von den Grundsätzen der Diplomatie B.s, die auf Ausgleich bedacht war, bereitete den Weg für Moritz, der in dieser Sache der kaiserlichen Seite zuneigte und in der Folge mit der Vollstreckung der Reichsacht gegen Johann Friedrich beauftragt wurde. In der Schlacht bei Mühlberg am 24.4.1547 wurde Johann Friedrich gefangen genommen, verlor die Kurwürde an Moritz und in der Wittenberger Kapitulation einen Großteil des ernestinischen Territoriums. B., der zwischenzeitlich im Heerlager des Kurfürsten weilte, bearbeitete 1546/47 wiederholt auch kleinere Rechtsfälle, so auch das Testament Luthers. Er folgte den Söhnen Johann Friedrichs nach Jena und Weimar als neuen Residenzen und sorgte sich dort zunächst um einige Prozesse des ernestinischen Hauses. Er verlor seine vormals bedeutende politische Rolle und übte auch sein Amt als sächsischer Hofrat nicht mehr aus. In Jena setzte er sich als Professor der Rechte für die Gründung des Gymnasiums ein, das 1557 zur Universität erhoben wurde. – Nach der Rückkehr Johann Friedrichs aus der kaiserlichen Gefangenschaft 1552 zog sich B. immer weiter aus den Geschäften am Hof zurück und verließ sein Haus in Jena, direkt gegenüber der Kirche St. Michael, nur noch selten, da ihn neben einer Gehbehinderung auch andere Krankheiten quälten. Nur vereinzelt wurde er für den Rat der Stadt Jena oder in dringlichen Fällen für die herzogliche Familie noch tätig. Nach seinem Tod wurde B. in der Jenaer Stadtkirche St. Michael bestattet, wo heute ein lebensgroßes Epitaph an ihn erinnert. – Die Leistungen B.s für die Reformation und deren Durchsetzung in Kursachsen und auf der Reichsebene verzahnten in seinem Wirken die Felder der Landes- und Reichspolitik derart, dass eine Trennung unmöglich war. Diese Tatsache und seine Handlungen werden aus dem überlieferten umfangreichen Briefwechsel von über 1.200 Briefen besonders deutlich, der leider nur verstreut ediert vorliegt oder teilweise sogar noch gänzlich unbearbeitet ist.

Werke Geschichte der Handlungen in der Sache des Heiligen Glaubens auf dem Reichstage zu Augsburg im J. 1530, hrsg. von K. E. Förstermann, Halle/Saale 1831.

Literatur J. A. Wimmer, Vita Gregorii Pontani iuris utriusque doctoris et trium saxoniae electorum cancellarii cum viveret gravissimi, Altenburg 1730; T. Kolde, Der Kanzler B. und seine Bedeutung für die Entwicklung der Reformation, in: Zeitschrift für die historische Theologie 44/1874, S. 343-408; D. v. Cölln, Der Kanzler Dr. Gregorius von B., ein evangelischer Staatsmann nach dem Herzen Gottes, Leipzig 1883; G. Mentz, Beiträge zur Charakteristik des kursächsischen Kanzlers Dr. Gregor B., in: Archiv für Urkundenforschung 6/1918, S. 299-322; H. F. v. Ehrenkrook, Zur Geschichte der Kanzlerfamilie von Brück, in: Familiengeschichtliche Blätter 32/1934, S. 19-24; E. Fabian, Verzeichnis vom Briefwechsel des Reformationskanzlers Dr. Gregor B., Frankfurt/Main 1952; ders., Dr. Gregor B., Tübingen 1957 (P); P. Rohrlach, Der Reformationskanzler Gregor B., in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 10/1983, S. 70f.; U. v. Brück, Im Dienste der Reformation. Ein Lebensbild des kursächsischen Kanzlers Gregor B., Berlin 1985 (P); J. Bauer/B. Hellmann (Hg.), Verlust und Gewinn. Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen, Rudolstadt 2003; V. Leppin, Johann Friedrich I., Gütersloh 2006; I. Ludolphy, Friedrich der Weise, ND Leipzig 2007; Gregor von B., hrsg. v. der Evangelischen Kirchengemeinde St. Lambertus, Stadt Brück, Halle/Saale 2012. – ADB 3, S. 388-392; DBA I, II, III; DBE 2, S. 152; NDB 2, S. 653f.; RGG4 1, Sp. 1778; TRE 7, S. 212-216; H. Zedler (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 28, Halle/Saale u.a. 1754, Sp. 1458, Online-Ausgabe: www.zedler-lexikon.de.

Porträt Gregor B., L. Cranach d.Ä., 1533, Ölgemälde, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Gregor B., L. Cranach d.J., 1557, Ölgemälde, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle); Gregor B., 1558, Grabepitaph, Stadtkirche St. Michael Jena.

Stefan Auert-Watzik
1.9.2012


Empfohlene Zitierweise:
Stefan Auert-Watzik, Artikel: Gregor Brück,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/816 [Zugriff 2.11.2024].

Gregor Brück



Werke Geschichte der Handlungen in der Sache des Heiligen Glaubens auf dem Reichstage zu Augsburg im J. 1530, hrsg. von K. E. Förstermann, Halle/Saale 1831.

Literatur J. A. Wimmer, Vita Gregorii Pontani iuris utriusque doctoris et trium saxoniae electorum cancellarii cum viveret gravissimi, Altenburg 1730; T. Kolde, Der Kanzler B. und seine Bedeutung für die Entwicklung der Reformation, in: Zeitschrift für die historische Theologie 44/1874, S. 343-408; D. v. Cölln, Der Kanzler Dr. Gregorius von B., ein evangelischer Staatsmann nach dem Herzen Gottes, Leipzig 1883; G. Mentz, Beiträge zur Charakteristik des kursächsischen Kanzlers Dr. Gregor B., in: Archiv für Urkundenforschung 6/1918, S. 299-322; H. F. v. Ehrenkrook, Zur Geschichte der Kanzlerfamilie von Brück, in: Familiengeschichtliche Blätter 32/1934, S. 19-24; E. Fabian, Verzeichnis vom Briefwechsel des Reformationskanzlers Dr. Gregor B., Frankfurt/Main 1952; ders., Dr. Gregor B., Tübingen 1957 (P); P. Rohrlach, Der Reformationskanzler Gregor B., in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 10/1983, S. 70f.; U. v. Brück, Im Dienste der Reformation. Ein Lebensbild des kursächsischen Kanzlers Gregor B., Berlin 1985 (P); J. Bauer/B. Hellmann (Hg.), Verlust und Gewinn. Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen, Rudolstadt 2003; V. Leppin, Johann Friedrich I., Gütersloh 2006; I. Ludolphy, Friedrich der Weise, ND Leipzig 2007; Gregor von B., hrsg. v. der Evangelischen Kirchengemeinde St. Lambertus, Stadt Brück, Halle/Saale 2012. – ADB 3, S. 388-392; DBA I, II, III; DBE 2, S. 152; NDB 2, S. 653f.; RGG4 1, Sp. 1778; TRE 7, S. 212-216; H. Zedler (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 28, Halle/Saale u.a. 1754, Sp. 1458, Online-Ausgabe: www.zedler-lexikon.de.

Porträt Gregor B., L. Cranach d.Ä., 1533, Ölgemälde, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Gregor B., L. Cranach d.J., 1557, Ölgemälde, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle); Gregor B., 1558, Grabepitaph, Stadtkirche St. Michael Jena.

Stefan Auert-Watzik
1.9.2012


Empfohlene Zitierweise:
Stefan Auert-Watzik, Artikel: Gregor Brück,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/816 [Zugriff 2.11.2024].