Gustav Wustmann
W. stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Angestellter in der Dresdner Garnison. Nach der Garnisonfreischule besuchte W. als Chorknabe schulgeldfrei die Kreuzschule und wohnte in ihrem Alumnat. Spärliche Einkünfte, etwa durch Kurrendesingen, verwandte er zur Bildung in seinen Hauptinteressengebieten Musik, bildende Kunst und Literatur. Dank einer Förderung studierte er 1862 bis 1866 Klassische Philologie und Archäologie in Leipzig. Mit einer Arbeit über den Hofmaler
Alexander des Großen,
Apelles, erwarb W. 1866 den Dr. phil. und wurde im folgenden Jahr nach verkürzter Probezeit wegen hervorragender Leistungen als Tertius (dritter Gymnasiallehrer) am Nikolaigymnasium in Leipzig angestellt. 1871 trat er eine nebenamtliche Arbeit als Sekretär der Stadtbibliothek an und gab im gleichen Jahr eine Schulausgabe von
Goethes
Götz von Berlichingen heraus. 1875 verfasste er eine Monografie über den Leipziger Baumeister Hieronymus Lotter. Darüber hinaus war W. Mitarbeiter mehrerer Zeitschriften („Daheim“, „Gartenlaube“ und „Grenzbote“). Beim „Grenzboten“ stieg er 1876 zum Redakteur und Verantwortlichen für den Besprechungsteil auf. – 1881 entschloss sich der Leipziger Rat, im Vergleich zu anderen deutschen Städten spät, eine entsprechend dotierte Stelle für die Leitung der Stadtbibliothek und des Ratsarchivs einzurichten. Somit wechselte W. aus seiner Schultätigkeit am Nikolaigymnasium zu diesem neuen Aufgabengebiet, das seinen Neigungen zur Forschung entgegenkam. Er begann eine umfangreiche Erschließung der Quellen zur Geschichte Leipzigs einschließlich der Kunst- und Literaturgeschichte und ihre Publikation. Befähigt durch seine philologische Ausbildung untersuchte er kritisch die zeitgenössische Sprachpraxis. Das Ergebnis, „Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen“ (erstmals 1891) erlebte in 70 Jahren insgesamt 14 Auflagen (zuletzt Berlin 1966). Eine Zusammenstellung der Literatur aus der vorangegangenen Generation, „Als der Großvater die Großmutter nahm. Ein Liederbuch für altmodische Leute“ (1886), kam auf vier Auflagen zu W.s Lebzeiten, zwei weitere folgten 1922 und als Inseltaschenbuch 1986. – Der Bestand der Stadtbibliothek wurde während seiner Amtszeit vervierfacht. Für das Ratsarchiv erreichte er eine bessere Unterbringung und führte eine Benutzerordnung ein. W. förderte zahlreiche Doktoranden, die zur Leipziger Geschichte arbeiteten. Andererseits war er ein „schwieriger Zeitgenosse“. 1882 wählte ihn der Leipziger Geschichtsverein zu seinem Vorsitzenden. Neun Jahre später trennte man sich allerdings; Vereinsabende seien anscheinend „W.s Bühne“ gewesen. Er war zu einer Institution der Leipziger Geschichtswissenschaft geworden. Wie seine bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts reichende „Geschichte der Stadt Leipzig“ (1906) ausweist, stellte er die Vergangenheit komplex dar, blieb aber in einer Zeit der Methodendiskussion bei traditionellen Ansätzen. 1897 wurde W. zum Professor ernannt. – W. starb an den Folgen einer Operation. Seine Publikationsliste weist 21 Monografien und eine Vielzahl von Artikeln auf, die bisher nicht bibliografisch erfasst wurden.
Werke Apelles’ Leben und Werke, Diss. Leipzig 1870; Der Leipziger Baumeister Hieronymus Lotter (1497-1580), Leipzig 1875; Als der Großvater die Großmutter nahm, Leipzig 1886, Leipzig 61986; Aus Leipzigs Vergangenheit, 3 Bde., Leipzig 1889-1909; Quellen zur Geschichte der Stadt Leipzig, 2 Bde., Leipzig 1889-1895; Alumneumserinnerungen, 1890; Allerhand Sprachdummheiten, Leipzig 1891, Berlin 141966; Leipzig durch die Jahrhunderte. Ein Atlas, Leipzig 1891; Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt Leipzig für alt und jung, Leipzig 1897 (ND Leipzig 31990); Leipzig und die Immobiliengesellschaft, Leipzig 1899, Leipzig 21903; Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 1, Leipzig 1906.
Literatur J. Vogel, Gustav W., Leipzig 1912; B. Berger, Geehrt und vergessen. Einige Anmerkungen zum 160. Geburtstag von Gustav W., in: V. Schimpff (Hg.), Historia in museo, Langenweißbach 2004. – DBA I, II; Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog 18/1913, S. 275-280; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2, München 1992, S. 685.
Siegfried Hoyer
29.8.2005
Empfohlene Zitierweise:
Siegfried Hoyer, Artikel: Gustav Wustmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18289 [Zugriff 26.12.2024].
Gustav Wustmann
Werke Apelles’ Leben und Werke, Diss. Leipzig 1870; Der Leipziger Baumeister Hieronymus Lotter (1497-1580), Leipzig 1875; Als der Großvater die Großmutter nahm, Leipzig 1886, Leipzig 61986; Aus Leipzigs Vergangenheit, 3 Bde., Leipzig 1889-1909; Quellen zur Geschichte der Stadt Leipzig, 2 Bde., Leipzig 1889-1895; Alumneumserinnerungen, 1890; Allerhand Sprachdummheiten, Leipzig 1891, Berlin 141966; Leipzig durch die Jahrhunderte. Ein Atlas, Leipzig 1891; Bilderbuch aus der Geschichte der Stadt Leipzig für alt und jung, Leipzig 1897 (ND Leipzig 31990); Leipzig und die Immobiliengesellschaft, Leipzig 1899, Leipzig 21903; Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 1, Leipzig 1906.
Literatur J. Vogel, Gustav W., Leipzig 1912; B. Berger, Geehrt und vergessen. Einige Anmerkungen zum 160. Geburtstag von Gustav W., in: V. Schimpff (Hg.), Historia in museo, Langenweißbach 2004. – DBA I, II; Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog 18/1913, S. 275-280; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2, München 1992, S. 685.
Siegfried Hoyer
29.8.2005
Empfohlene Zitierweise:
Siegfried Hoyer, Artikel: Gustav Wustmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18289 [Zugriff 26.12.2024].