Marcus David Landau

Der Rabbinersohn und pädagogische Autodidakt Marcus Landau gehörte zu den bedeutendsten Schulmännern Dresdens im 19. Jahrhundert und gleichzeitig zu den führenden Köpfen in der wichtigen Modernisierungsphase innerhalb der jüdischen Gemeinde. Seine Schüler sind derjenigen Generation zuzurechnen, die sich aktiv für die Emanzipation und Verbürgerlichung der Juden in Sachsen einsetzte. So besuchte der Mediziner und Politiker Bernhard Hirschel ab 1823 Landaus Unterricht und erhielt dort nach eigener Aussage erstmals wertvolle geistige Anregungen. Der Jurist und Landtagsabgeordnete Emil Lehmann würdigte die fortschrittlichen Methoden und Verdienste seines ersten Lehrers, der die Schüler zu selbstständigem Denken angehalten habe und oft mit ihnen in die Natur gegangen sei. Auf christlicher Seite würdigte Paul Scheven sein Lebenswerk, der berichtete, dass Landaus Kinderschule seit Beginn des 19. Jahrhunderts für guten allgemeinen Jugendunterricht sorgte. – Von seinem Vater, dem Talmudgelehrten und späteren Dresdner Oberrabbiner David Wolf Landau erzogen, hatte sich Landau nach der Übersiedlung nach Dresden 1801 im Selbststudium weitergebildet. Bereits 1806 erfolgte die von ihm gezielt angestrebte, lukrative Eheschließung mit Reitzel, der einzigen Tochter des vermögenden Dresdner Juden Löbel Marcus. Mit Kost und Logis versorgt im Haus seines Schwiegervaters, betrieb er wissenschaftliche Studien und eignete sich eine säkulare Bildung an. Der mathematisch interessierte Landau erlernte zunächst den Beruf des Kaufmanns und war bis zur Gründung seiner Privatschule als Handelsmann auf Jahrmärkten tätig. Auf Nachfrage erklärten die jüdischen Gemeindeältesten 1826, dass er verheiratet sei, Kinder habe und sich in „leidlichen“ Vermögensverhältnissen befinden würde. Der auf die Söhne übertragene Bildungsdrang, der familiäre Hintergrund der Eltern, aber auch der Anbruch einer neuen Zeit waren wesentlichen Faktoren für die Zukunftsperspektive der Söhne. So konnten z.B. Abraham Landau und Löbel Landau trotz bescheidener finanzieller Ausgangslage in angesehene Dresdner Familien wie die des Oberrabbiners Abraham Levy oder die des Kaufmanns Löbel Marcus einheiraten. Wolf Landau wiederum wurde 1854 neuer Oberrabbiner in Dresden. – Spätestens seit Beginn der 1820er-Jahre betrieb Landau eine jüdische Privatschule (Cheder) in einer Stube seiner Wohnung, die 1835 von 14 Schülerinnen und Schülern besucht wurde. Am Vormittag wurden dort die säkularen Fächer wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte sowie Erdkunde unterrichtet, während der Nachmittagsunterricht dem Lesen und Übersetzen des Hebräischen gewidmet war. Für die Unterweisung in den hebräischen Gebeten hatte Landau eine selbstgefertigte Übersetzung des Gebetbuchs (Sidur) zusammengestellt. Besonderen Wert legte er auf die Vermittlung der deutschen Sprache und verwendete in Deutsch und Rechnen moderne Lehrbücher. Für die Qualität seines Unterrichts spricht, dass auch Kinder gutsituierter Eltern zu seinen Schülern gehörten. – 1836 wurden die bisherigen Privatlehrer Marcus Landau und Ruben Aaron Meyer in die neu gegründete Gemeindeschule übernommen. Diese Regelung akzeptierte der die Schulaufsicht führende Oberrabbiner Zacharias Frankel freilich nur als Übergangslösung, da beide Lehrkräfte über keine pädagogische Ausbildung verfügten. Daher sollte Landau eigentlich nur für den Religionsunterricht eingesetzt werden, jedoch wurde 1843 die von ihm angewandte reformpädagogische Methodik im Fach Rechnen im Rahmen einer öffentlichen Schulprüfung ausdrücklich gewürdigt. 1839 bis 1854 stand zudem sein Sohn Wolf als Erster Lehrer im Dienst der Gemeindeschule, an der auch christliche Lehrer tätig waren. Nach dem Lehrplan für 1857 unterrichtete der inzwischen fast 70-jährige Landau Rechnen/Mathematik in allen drei Klassen, dazu noch Deutsch und Hebräisch in der dritten Klasse, der jeweils neuen Anfängerklasse. – Seit 1843 erfolgte der Unterricht in der Wohnung Landaus auf der Scheffelgasse 34 (ab 1859: Rampische Gasse 3); um 1848 wohnte er auf der Münzgasse 2, wo auch der im Umfeld der Revolution gegründete Israelitische Reformverein Dresden seinen Sitz hatte. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Lehrers Landau waren und blieben freilich sehr bescheiden. 1838 unterrichtete er 35 Wochenstunden bei einem Jahresgehalt von 192 Talern, das 1844 aufgrund der finanziellen Probleme der Gemeinde noch auf 162 Taler gekürzt werden musste. Angesichts der finanziellen Probleme der Gemeinde verzichtete Landau 1857 auf die Hälfte seines Gehalts, damit eine Neueinstellung an der Schule realisiert werden konnte. – Der langjährige Lehrer Landau gehörte auch als Vorbeter und Schriftführer zu den wirkungsreichen Persönlichkeiten innerhalb der Dresdner jüdischen Gemeinde. Bis zur Aufhebung der privaten Synagogen und Bethäuser 1838 hatte er sich als Vorbeter in der Privatsynagoge Mendel Schies auf der Webergasse im Arnoldschen Haus betätigt. Im Jahresbericht des fortschrittlichen, auf Bildungsförderung angelegten Mendelssohn-Vereins wird Landau 1832/1833 als Mitglied und freiwilliger Spender aufgeführt. Aufgrund des geringen Jahresbeitrags konnte er als Mitglied des 1833 gegründeten jüdischen Geselligkeitsverein „Union“ in den inneren Zirkel bürgerlicher Geselligkeit vordringen. In den 1820er-Jahren gehörte Landau zudem zur aktiven Kerngruppe des Kranken-Unterstützungs-Instituts, einer als Solidargemeinschaft konzipierten Krankenversicherung. – Der verdiente Dresdner Pädagoge Landau starb 1859 und wurde auf dem Alten Jüdischen Friedhof beigesetzt.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10079 Landesregierung, Loc. 31019/1; Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XLII.237m, 239b; Daniela Wittig, Das Verzeichniß der Ruhenden auf dem israelitischen Friedhof zu Dresden aus dem Jahre 1852: Auswertung und Ergebnisse, in: Medaon. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 2/2008 9/2015, H. 16, S. 1-67.

Werke Rundgesang beim Feste der Unions-Gesellschaft am 26. Dezember 1835, als dem Vorabend des 80. Wiegenfestes Sr. Majestät des Königs Anton, Dresden 1835.

Literatur Bernhard Beer, Geschichtliche Darstellung der fünfzigjährigen Wirksamkeit des Kranken-Unterstützungs-Instituts für Israeliten zu Dresden, Dresden 1857; Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886; ders., Ein Halbjahrhundert in der israelitischen Religionsgemeinschaft zu Dresden, Dresden 1890; Paul Scheven, Die Bildungs- und Wohltätigkeits-Veranstaltungen der israelitischen Gemeinde zu Dresden, in: ders., Allerlei aus und über Dresden, H. 2, Dresden 1903, S. 59-64; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden. Von den ersten Juden bis zur Blüte der Gemeinde und deren Ausrottung, Darmstadt 1973; Dresdner Hefte 45/1996; Einst & jetzt: zur Geschichte der Dresdner Synagoge und ihrer Gemeinde, hrsg. von der Jüdischen Gemeinde zu Dresden und der Landeshauptstadt Dresden, Dresden 2001; Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - Jüdische Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Konstantin Hermann, Vereine in Dresden 1831 bis 1871, in: Dresdner Geschichtsbuch, Bd. 13, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Altenburg 2008, S. 76-96; Gunda Ulbricht/Olaf Klöckner (Hg.), Juden in Sachsen, Leipzig 2013; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Berlin 2016.

Jochen Vötsch
24.7.2025


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Marcus David Landau,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27572 [Zugriff 21.8.2025].

Marcus David Landau



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10079 Landesregierung, Loc. 31019/1; Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XLII.237m, 239b; Daniela Wittig, Das Verzeichniß der Ruhenden auf dem israelitischen Friedhof zu Dresden aus dem Jahre 1852: Auswertung und Ergebnisse, in: Medaon. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 2/2008 9/2015, H. 16, S. 1-67.

Werke Rundgesang beim Feste der Unions-Gesellschaft am 26. Dezember 1835, als dem Vorabend des 80. Wiegenfestes Sr. Majestät des Königs Anton, Dresden 1835.

Literatur Bernhard Beer, Geschichtliche Darstellung der fünfzigjährigen Wirksamkeit des Kranken-Unterstützungs-Instituts für Israeliten zu Dresden, Dresden 1857; Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886; ders., Ein Halbjahrhundert in der israelitischen Religionsgemeinschaft zu Dresden, Dresden 1890; Paul Scheven, Die Bildungs- und Wohltätigkeits-Veranstaltungen der israelitischen Gemeinde zu Dresden, in: ders., Allerlei aus und über Dresden, H. 2, Dresden 1903, S. 59-64; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden. Von den ersten Juden bis zur Blüte der Gemeinde und deren Ausrottung, Darmstadt 1973; Dresdner Hefte 45/1996; Einst & jetzt: zur Geschichte der Dresdner Synagoge und ihrer Gemeinde, hrsg. von der Jüdischen Gemeinde zu Dresden und der Landeshauptstadt Dresden, Dresden 2001; Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - Jüdische Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Konstantin Hermann, Vereine in Dresden 1831 bis 1871, in: Dresdner Geschichtsbuch, Bd. 13, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Altenburg 2008, S. 76-96; Gunda Ulbricht/Olaf Klöckner (Hg.), Juden in Sachsen, Leipzig 2013; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Berlin 2016.

Jochen Vötsch
24.7.2025


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Marcus David Landau,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27572 [Zugriff 21.8.2025].