Samson Fleischl
Samson Fleischl wird aufgrund seines ökonomischen Erfolgs und Engagements in der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzigs zu jener Gruppe jüdischer Männer gerechnet, die in sozialer und z.T. auch politischer Hinsicht zur Spitze der städtischen Gesellschaft zählten. – Als Grundstücksbesitzer und langjähriger Teilhaber des mit seinem Bruder
David Fleischl geführten Wollgeschäfts im böhmischen
Neuern (tschech. Nýrsko) brachte Fleischl wirtschaftlich optimale Voraussetzungen und Erfahrungswerte mit, als er am 28.3.1840 sein erstes Gesuch an das Ministerium des Innern in Dresden richtete. Hier bat er um die Erlaubnis zur Niederlassung in Leipzig für sich, seine Ehegattin und die beiden noch im Haushalt lebenden Kinder. Neben der Aussicht auf die geschäftliche Expansion dürfte auch die allgemeine Anziehungskraft Leipzigs ein Motiv für den geplanten Umzug gewesen sein, von dem sich Fleischl erhoffte, seinem noch minderjährigen Nachwuchs „zeitgemäßere Erziehung und Bildung geben zu können, als meine dermalige Heimath mir bietet“ (Stadtarchiv Leipzig, Tit. LI, Nr. 95), wie er es in seinem ausführlichen Schriftsatz formulierte. Fleischls Bitte an das Ministerium, nach erteilter Zustimmung durch die Stadt Leipzig auch die Konzession zur Fortführung seines Woll- und Federgeschäfts in der Messestadt zu erteilen, wurde durch bedeutende Akteure des Leipziger Wirtschaftslebens - wie den Bankier Christian Gottlob Frege - unterstützt. Dieser attestierte Fleischl im Januar 1841 eine jährliche Zusendung von über 1.500 Zentnern Wolle, weswegen er dessen Plan, ein Geschäft für Wolle und Bettfedern in Leipzig aufzubauen, als eine willkommene Unternehmung beschrieb. Bereits Fleischl selbst hatte in seinem Bittschreiben neben dem Verweis auf die Unterstützung durch auswärtige und Leipziger Geschäftspartner mit der Krise des regionalen Wollhandels auch stark auf den ökonomischen Vorteil für Leipzig abgehoben. Dazu drückte er seine Hoffnung aus, dass die sächsische Staatsregierung ihn danach beurteile, wie er sich bewährte, ohne Hinterfragung seines Glaubens. Trotz dieser Argumente und Fürsprecher sowie eines positiven Votums der Stadtverordneten lehnte der Leipziger Stadtrat, dessen Entscheidung final ausschlaggebend war, das Gesuch Fleischls im Frühjahr 1841 zunächst mit der Begründung ab, eine übermäßige Einbürgerung jüdischer Familien in Leipzig sei nicht erwünscht. Erst nach einem Einspruch und weiteren Schriftstücken Fleischls, in denen er seinem Wunsch Nachdruck verlieh, bescheinigte ihm das Ministerium des Innern im November 1841 die Erlaubnis, sich mit seiner Familie in Leipzig anzusiedeln sowie das geplante Großhandelsgeschäft vor Ort aufzubauen. Zu dieser Zeit wies sein nachgewiesenes Guthaben im renommierten Bankhaus Frege eine Summe von 6.000 Talern auf. Die Filiale von Samson & D. Fleischl im ungarischen
Pest unter Leitung seines Bruders und Teilhabers David Fleischl blieb weiterhin bestehen und es entstand eine zusätzliche Niederlassung in
Wien, während Leipzig zum Mittelpunkt der unternehmerischen Aktivität avancierte. Der Firmensitz befand sich am damaligen Ritterplatz 16 im Bereich der heutigen Ritterstraße Leipzig. Das dortige Bürgerrecht als Kaufmann besaß Fleischl nachgewiesenermaßen seit 4.2.1842. Anfang Oktober 1845 wandte sich Fleischl in einem Schreiben erneut an das Ministerium des Innern und ersuchte mit Hinweis auf sein fortgeschrittenes Lebensalter und nachlassende Kraft um die Erlaubnis, seine Söhne Karl und
Adolph Fleischl nach Leipzig holen zu dürfen, um sie hier als Teilhaber in die lokale Niederlassung seines Handels einzubinden. Fleischl brachte die Hoffnung zum Ausdruck, durch den Rückzug aus dem Geschäftsleben die eigene Gesundheit zu schonen und sein Leben verlängern zu können, um für die beiden jüngsten Kinder da zu sein. Das Dresdner Ministerium versagte eine Erlaubnis zur Niederlassung seiner Söhne jedoch im Januar 1846 mit Blick auf den negativen Entscheid von Stadtrat und Stadtverordneten in Leipzig. Diese hatten argumentiert, Fleischls Umzug in die Messestadt sei ausdrücklich ohne die ältesten Söhne genehmigt worden. Zudem würden beide ihren Vater ohnehin unterstützen und könnten nach dessen Ableben um Konzession zur Aufnahme in Leipzig bitten. – Ab Mitte 1847 gehörte Fleischl dem neu gegründeten Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig für eine Wahlperiode bis 1850 als Repräsentant an. Erst nach seinem Tod im Alter von 64 Jahren kam es zu einer formalen Neustrukturierung in der Führungsebene des Firmennetzes. Per Testament hatte Fleischl seinen Kindern lediglich den Pflichtteil des Erbes zuerkannt, Ehefrau Sara Fleischl dagegen sollte als Teilhaberin in die weitverzweigte Firma einsteigen und war damit gewissermaßen für die Nachfolge aufgebaut. Trotz Erwerbs des Bürgerrechts im Februar 1856 und ihres Eintritts als Gesellschafterin verzichtete sie aber de facto auf die Leitung des Geschäfts. Infolge des Umbaus stiegen u.a. Fleischls Söhne Karl und Adolph, wie von ihrem Vater gewünscht, als Teilhaber in das Unternehmen ein. Daneben wurden mit Moritz Kohner auch ein Cousin der nunmehr verwitweten Sara Fleischl sowie mit
August Fleischl ein Neffe des Verstorbenen als Gesellschafter aufgenommen.
Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0008 Ratsstube, Titelakten LI, Nr. 95; 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten, Nr. 4516; Leipziger historische Adressbücher.
Literatur Paul Benndorf, Der alte israelitische Friedhof in Leipzig, in: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 10/1911, S. 127-131; Josef Blau, Geschichte der Juden in Neuern, in: Hugo Gold (Hg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Sammelwerk, Prag/Brünn 1934, S. 420-436; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Susanne Schötz, Handelsfrauen in Leipzig. Zur Geschichte von Arbeit und Geschlecht in der Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004; Josef Reinhold, Die verspätete Emanzipation der Juden in Sachsen als legislativer Rahmen. Die Konstituierung der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und die ersten Jahrzehnte ihrer Entwicklung, in: JIIS. Journal Juden in Sachsen 2010, S. 3-19; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.
Lucas Böhme
1.8.2023
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Samson Fleischl,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27873 [Zugriff 24.11.2024].
Samson Fleischl
Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0008 Ratsstube, Titelakten LI, Nr. 95; 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten, Nr. 4516; Leipziger historische Adressbücher.
Literatur Paul Benndorf, Der alte israelitische Friedhof in Leipzig, in: Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 10/1911, S. 127-131; Josef Blau, Geschichte der Juden in Neuern, in: Hugo Gold (Hg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Sammelwerk, Prag/Brünn 1934, S. 420-436; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Susanne Schötz, Handelsfrauen in Leipzig. Zur Geschichte von Arbeit und Geschlecht in der Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004; Josef Reinhold, Die verspätete Emanzipation der Juden in Sachsen als legislativer Rahmen. Die Konstituierung der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und die ersten Jahrzehnte ihrer Entwicklung, in: JIIS. Journal Juden in Sachsen 2010, S. 3-19; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.
Lucas Böhme
1.8.2023
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Samson Fleischl,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27873 [Zugriff 24.11.2024].