Wilhelmine Schröder-Devrient
S. gilt als eine der größten Sängerinnen ihrer Zeit. Dabei begeisterte sie nicht vorrangig mit ihrer Stimme, sondern v.a. mit einer ausgeprägten dramatischen Darstellung und wurde somit zum Vorbild des neuen Idealtypus einer Sänger-Schauspielerin. Sie wirkte - mit Unterbrechungen - nahezu 25 Jahre lang als Ensemblemitglied am Dresdner Hoftheater. – Die Tochter eines Künstlerehepaars erhielt bereits früh Tanz- und Schauspielunterricht, nach der Übersiedelung nach Wien 1815 auch Gesangsunterricht. 1818 gab S. ihr Schauspieldebüt als
Aricia in
Jean Baptiste Racines „
Phädra“, 1821 folgte ihr Operndebüt als Pamina in
Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“. Bei der Wiener Erstaufführung des „Freischütz“ im November 1821 bestimmte der Komponist Carl Maria von Weber sie als Sängerin der
Agathe. Im darauffolgenden Jahr begeisterte sie
Ludwig van Beethoven in der Rolle der
Leonore in „
Fidelio“ und verhalf damit der Oper zum Durchbruch. Dies sollte eine ihrer Paraderollen werden. – S. erhielt 1823 ein Engagement am Dresdner Hoftheater. Zu ihren bedeutendsten Rollen gehörten neben der
Leonore und der
Agathe die
Euryanthe in Webers „Euryanthe“, der
Romeo in
Vincenzo Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“, die
Rezia in Webers „
Oberon“, die
Donna Anna in Mozarts „
Don Giovanni“, die
Emmeline in
Joseph Weigls „Die Schweizerfamilie“, die
Julia in
Gaspare Spontinis „La Vestale“, die
Desdemona in
Gioachino Rossinis „
Otello“, die
Norma in Vincenzo Bellinis „Norma“ und die
Valentine in
Giacomo Meyerbeers „Les Huguenots“. Sie sang in zahlreichen Ur- und Erstaufführungen, u.a. in Webers „Oberon“ (1828),
Christoph Willibald Glucks „
Iphigenia in Tauris“ (1829) und „
Alceste“ (1846),
Gaetano Donizettis „
Anna Bolena“ (1834), Vincenzo Bellinis „La Sonnambula“ (1834), „Norma“ (1835) und „I Puritani“ (1837) sowie
Hippolyte Chélards „
Macbeth“ (1840). – Besonders hervorzuheben ist S.s Bedeutung für die Opern Richard Wagners. Dieser erkannte durch sie seine Berufung als Komponist musikdramatischer Werke und schrieb ihr Rollen in „Rienzi“ (
Adriano, 1842), „Der fliegende Holländer“ (
Senta, 1843) und „Tannhäuser“ (
Venus, 1845) auf den Leib. Mit ihrem Einfluss auf den Komponisten hatte sie maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der deutschen Oper. – S. unternahm zahlreiche Konzertreisen durch ganz Deutschland und Europa. Besonders in den 1830er-Jahren erwarb sie sich einen Ruf als gefeierte Schauspielerin. Mehrere Gastauftritte in Paris und London zwischen 1830 und 1832 förderten ihren internationalen Ruhm erheblich. Weitere bedeutende Ziele waren Berlin, Breslau (poln. Wrocław), Königsberg (russ. Kaliningrad), Leipzig und Weimar. – S. stand mit den bekanntesten Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in Kontakt. Zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zählten die Musiker Clara und Robert Schumann, der Arzt und Gelehrte Carl Gustav Carus sowie der Schauspieler
Eduard Franz Genast. – Nach wiederholten Unstimmigkeiten und Unpässlichkeiten bat S. 1847 um Entlassung aus ihrem Engagement am Dresdner Hoftheater. Ihr wurde das Prädikat Königliche Kammersängerin verliehen. Wenige Monate später absolvierte sie ihren letzten Bühnenauftritt. – In dritter Ehe lebte S. abwechselnd in Livland und Deutschland und trat zunehmend als Konzertsängerin auf. Dabei förderte sie v.a. Liedkompositionen von Robert Schumann, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy. – Während eines Aufenthalts in Dresden geriet S. 1849 zwischen die Fronten der Mairevolution. Sie bestritt eine aktive Teilnahme an den Aufständen, wurde aber trotzdem bei einer Rückkehr nach Dresden 1851 festgenommen. Die Untersuchungen wurden auf königlichen Befehl eingestellt. Aufgrund schwerer Krankheit begab sie sich zu ihrer Schwester
Auguste nach Coburg, wo sie 1860 starb.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden; Briefe von Sophie Schröder (1813-1868), hrsg. von Heinrich Stümcke, Berlin 1910; Sophie Schröders Briefe an ihren Sohn Alexander Schröder, hrsg. von Heinrich Stümcke, Berlin 1916.
Werke Aus den Memoiren einer Sängerin, 1861 (fälschlicherweise zugeschrieben).
Literatur Ludwig Rellstab, Musikalische Beurtheilungen, Leipzig 1861; Claire von Glümer, Erinnerungen an Wilhelmine S., Leipzig 1862; Alfred von Wolzogen, Wilhelmine S., Leipzig 1863; Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, 3 Bde., Leipzig 1864-1866; Richard Wagner, Über Schauspieler und Sänger, Leipzig 1872; Robert Prölß, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, Dresden 1878; Hans von Müller, Ungedruckte Briefe von Wilhelmine S., in: Bühne und Welt 8/1906, S. 591-596; Julius Bab, Die Devrients. Geschichte einer deutschen Theaterfamilie, Berlin 1932; Ursula Simek, Die Sängerin Wilhelmine S. (1804-1860) als dämonisches Gegenbild zum Künstlerinnenideal Clara Schumann, in: dies./Elena Ostleitner (Hg.), Ich fahre in mein liebes Wien, Wien 1996, S. 121-135; Michael Hochmuth, Chronik der Dresdner Oper, Bd. 2: Die Solisten, Dresden 2004; Juliette Appold, Wilhelmine S., in: Musik und Gender im Internet (MUGI). – ADB 32, S. 534-545; DBA I, II, III; DBE 9, S. 151f.; NDB 23, S. 558f.; MGG2P 15, Sp. 52f.; NGroveD (2/2001) 22, S. 743f.; Karl J. Kutsch/Leo Riemers, Großes Sängerlexikon, München 42003, S. 4273f.
Porträt Wilhelmine S., Godefroy Engelmann, vor 1839, Lithografie, Museen der Stadt Dresden, Stadtmuseum Dresden; Bildnis der Hofopernsängerin Wilhelmine S., Carl Joseph Begas d. Ä., 1848, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, Inventar-Nr. 67, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Fotografie: Regine Richter, 1979 (Bildquelle).
Rita Sosedow
5.1.2012
Empfohlene Zitierweise:
Rita Sosedow, Artikel: Wilhelmine Schröder-Devrient,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3586 [Zugriff 19.11.2024].
Wilhelmine Schröder-Devrient
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden; Briefe von Sophie Schröder (1813-1868), hrsg. von Heinrich Stümcke, Berlin 1910; Sophie Schröders Briefe an ihren Sohn Alexander Schröder, hrsg. von Heinrich Stümcke, Berlin 1916.
Werke Aus den Memoiren einer Sängerin, 1861 (fälschlicherweise zugeschrieben).
Literatur Ludwig Rellstab, Musikalische Beurtheilungen, Leipzig 1861; Claire von Glümer, Erinnerungen an Wilhelmine S., Leipzig 1862; Alfred von Wolzogen, Wilhelmine S., Leipzig 1863; Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, 3 Bde., Leipzig 1864-1866; Richard Wagner, Über Schauspieler und Sänger, Leipzig 1872; Robert Prölß, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, Dresden 1878; Hans von Müller, Ungedruckte Briefe von Wilhelmine S., in: Bühne und Welt 8/1906, S. 591-596; Julius Bab, Die Devrients. Geschichte einer deutschen Theaterfamilie, Berlin 1932; Ursula Simek, Die Sängerin Wilhelmine S. (1804-1860) als dämonisches Gegenbild zum Künstlerinnenideal Clara Schumann, in: dies./Elena Ostleitner (Hg.), Ich fahre in mein liebes Wien, Wien 1996, S. 121-135; Michael Hochmuth, Chronik der Dresdner Oper, Bd. 2: Die Solisten, Dresden 2004; Juliette Appold, Wilhelmine S., in: Musik und Gender im Internet (MUGI). – ADB 32, S. 534-545; DBA I, II, III; DBE 9, S. 151f.; NDB 23, S. 558f.; MGG2P 15, Sp. 52f.; NGroveD (2/2001) 22, S. 743f.; Karl J. Kutsch/Leo Riemers, Großes Sängerlexikon, München 42003, S. 4273f.
Porträt Wilhelmine S., Godefroy Engelmann, vor 1839, Lithografie, Museen der Stadt Dresden, Stadtmuseum Dresden; Bildnis der Hofopernsängerin Wilhelmine S., Carl Joseph Begas d. Ä., 1848, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, Inventar-Nr. 67, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Fotografie: Regine Richter, 1979 (Bildquelle).
Rita Sosedow
5.1.2012
Empfohlene Zitierweise:
Rita Sosedow, Artikel: Wilhelmine Schröder-Devrient,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3586 [Zugriff 19.11.2024].