Wilhelm Crecelius
Der Professor für Innere Medizin C. war einer der Initiatoren und erster stellvertretender Rektor der 1954 in Dresden gegründeten Medizinischen Akademie „Carl Gustav Carus“ und langjähriger Chefarzt der Medizinischen Klinik im Stadtkrankenhaus Dresden-Johannstadt bzw. in der Medizinischen Akademie. Er entwickelte 1928 gemeinsam mit
Seifert eine früher oft verwendete kolorimetrische Blutzucker-Bestimmung. – C. wurde noch während seiner Gymnasialzeit 1916 kriegsbedingt in die Luftwaffe eingezogen. 1917 konnte er das Notabitur ablegen. Nach der Entlassung aus dem Wehrdienst im November 1918 studierte er 1919 bis 1923 Medizin in Würzburg und Erlangen, wo er 1923 mit der Arbeit „Ein Fall von Kleinhirntumor mit Cyste“ promovierte. Nach dem Studium war er einige Monate im Erlanger Institut für Pathologie und Bakteriologie tätig, bevor er 1924 seine berufliche Laufbahn im Stadtkrankenhaus Dresden-Johannstadt unter dem Internisten Otto Rostoski und dem Röntgenologen Erich Saupe begann. – C. arbeitete mit dem Zeiss-Ikon-Werk in Dresden zusammen, um mit den dort gefertigten Kolorimetern verbesserte Bestimmungsmethoden für das Hämoglobin und den Zucker (Glucose) im Blut zu entwickeln. 1928 konnte er mit dem Zeiss-Ikon-Mitarbeiter Seifert eine viel beachtete kolorimetrische Blutzuckerbestimmung vorstellen (Blutzuckerbestimmung nach Crecelius-Seifert). Ein Jahr später wurde er in der Medizinischen Klinik des Johannstädter Stadtkrankenhauses zum Oberarzt ernannt. Seine Facharztanerkennung als Internist erhielt er 1931. Im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise musste das Stadtkrankenhaus am 1.4.1932 geschlossen werden. Da eine Wiedereröffnung nicht absehbar war (sie erfolgte erst im Juni 1933), eröffnete C. selbst eine internistische Praxis mit Spezialisierung für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten, die er 1932 bis 1945 in der Prager Straße 42 betrieb. Seine Frau hatte sich schon 1929 als Internistin am Fürstenplatz (seit Juli 1945 Fetscherplatz) niedergelassen. – Während des Zweiten Weltkriegs wurde C. als medizinischer Gutachter für die Luftwaffe dienstverpflichtet. Er konnte die kriegsbedingten Arbeiten von seiner Praxis aus erledigen und diese in vermindertem Umfang weiter betreiben. Um nicht zur Waffen-SS eingezogen zu werden, stellte C. den Antrag auf Aufnahme in das Nationalsozialistische Fliegerkorps (NSFK); dieser wurde jedoch abgelehnt. Als ihm daraufhin eine Mitgliedskarte der NSDAP zugeschickt wurde, wagte er es aus Furcht vor Repressalien nicht, die Parteimitgliedschaft zurückzuweisen. Eine Parteifunktion hat C. nicht ausgeübt. Am Ende des Kriegs war er Oberstabsarzt der Reserve. Die Bombenangriffe auf Dresden im Februar 1945 trafen C. und seine Familie schwer. Sowohl sein Wohnhaus in der Fürstenstraße 22 (seit Juli 1945 Fetscherstraße) als auch seine Praxis und die seiner Frau wurden zerstört. – Nach Kriegsende fand er mit seiner Familie Zuflucht in Zwickau. Vom 1.6. bis 30.11.1945 war er Chefarzt der Medizinischen Klinik des dortigen Heinrich-Braun-Krankenhauses. In Zwickau traf er den sächsischen LDPD-Politiker Johannes Dieckmann, der C. nach Dresden zurückholen wollte, was dann am 1.12.1945 erfolgte. C. ging an das teilweise zerstörte Stadtkrankenhaus Johannstadt zurück und kümmerte sich zunächst vorwiegend um das Hilfskrankenhaus in der Markgraf-Heinrich-Straße (heute Rosa-Menzer-Straße). Im Dezember 1946 wurde er Chefarzt der Medizinischen Klinik und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses. Im selben Jahr trat er der LDPD bei. Er sorgte für die weitgehende Beseitigung der Kriegsschäden und setzte sich für die Inbetriebnahme der Medizinischen Fachschule ein. Zudem begründete er die neuen Fachrichtungen zur Ausbildung von Diätassistenten sowie von Medizinisch-Technischen Assistenten. Darüber hinaus gelang es ihm und seinen Mitarbeitern, die Medizinische Klinik wieder zu einem Zentrum für Forschungen über Stoffwechselkrankheiten und Diabetes mellitus zu profilieren. Er habilitierte sich 1952 an der Technischen Hochschule Dresden im Fach Ernährungsphysiologie. Noch im gleichen Jahr erhielt er eine Dozentur und unterrichtete zukünftige Lebensmittelchemiker. 1949 bis 1953 hielt er außerdem Vorlesungen über Innere Medizin für angehende Zahnärzte in Leipzig. – 1953 erfuhr C. von den Plänen der DDR-Regierung, drei neue medizinische Akademien zur Behebung des Ärztemangels zu gründen. Mit Albert Fromme, dem Chefchirurgen des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt, und dem Dresdner Kreisarzt Eduard Grube setzte er sich erfolgreich für Dresden als Akademiestandort ein. Am 7.9.1954 wurde in Dresden die Medizinische Akademie „Carl Gustav Carus“ gegründet und C. erhielt die Ernennung zum Professor mit Lehrauftrag für Innere Medizin und zum Stellvertreter des Rektors Fromme. Damit stand er vor großen Herausforderungen, zumal Fromme und der Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin Rostoski damals bereits im fortgeschrittenen Alter waren. Der 55-jährige C. engagierte sich mit dem Chirurgen Bernhard Sprung für Dresden-Johannstadt als alleinigen Standort der Akademie. – Noch 1954 übernahm C. den Vorsitz der Baukommission. Hier setzte er sich für den Bau eines dringend benötigten Studentenwohnheims ein und wirkte bei der Erstellung eines Generalbauplans für die Akademie mit. Im April 1955 zog sich Fromme wegen seines angegriffenen Gesundheitszustands als Rektor zurück und C. übernahm dieses Amt kommissarisch bis zum Dienstantritt des ersten von der Akademie gewählten Rektors
Horst Günther Güttner im Mai 1956. Zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung für Johannstadt als Akademiestandort bereits gefallen. Am 1.9.1955 wurde C. zum Professor mit vollem Lehrauftrag ernannt und erhielt 1956 nach der Emeritierung von Rostoski am 1.9.1957 den Lehrstuhl für Innere Medizin. – In den letzten Wirkungsjahren an der Akademie überarbeitete er seine 1954 erschienene „Ernährungslehre“ grundlegend. Dabei wurde er durch die neuen Mitautoren
Ulrich Freimuth, Professor für Lebensmittelchemie an der TU Dresden, und
Georg Oskar Harnapp, Chefarzt der Kinderklinik der Medizinischen Akademie Dresden, unterstützt. – Am 1.10.1964 wurde C. emeritiert und schied am 18.8.1965 aus der Medizinischen Klinik aus. Danach arbeitete er noch mehrere Jahre in seiner Praxis in der Fetscherstraße. – C.s Verdienste wurden mit mehreren Auszeichnungen gewürdigt. So erhielt er 1952 den Titel „Verdienter Arzt des Volkes“ und zweimal den Vaterländischen Verdienstorden der DDR, 1959 in Silber und 1978 zum 80. Geburtstag in Gold. Die Medizinische Akademie ernannte ihn bei der Verabschiedung in den Ruhestand 1965 zum Ehrensenator und verlieh ihm zum 75. Geburtstag die Carus-Plakette. Er war Mitglied der Sektion Innere Medizin der Deutschen Akademie der Wissenschaften.
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Außenstelle Medizinische Fakultät/Universitätsklinikum, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Personalakte Nr. 189, Teil 1 und 2, Wilhelm C.; Auskunft K. Schmidt-Crecelius, Dresden.
Werke mit Seifert, Ein neues Blutzuckerkolorimeter nach Crecelius-Seifert, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 75/1928, S. 1301f.; Die Therapie der endokrinen Erkrankungen, in: H. Kleinsorge (Hg.), Die Therapie der Inneren Medizin, Jena 1953, 31964; Ernährungslehre. Richtlinien für die Ernährung des Gesunden und Kranken, Dresden 1954, mit U. Freimuth/G. O. Harnapp, 21957, 31965; mit W. Siebert, Der Perkussionskurs, Leipzig 51959, 81965.
Literatur H. Walther, Arzt sein heißt Helfer sein, in: Sächsisches Tageblatt, Ausgabe Dresden 28.10.1973, S. 8; H. Haller, Wilhelm C. - Octogenarius, in: Zeitschrift für die gesamte innere Medizin und ihre Grenzgebiete 33/1978, S. 773f. (P); A. Scholz, Bildnisse von Johannstädter Ärzten im Scherenschnitt, in: D. M. Albrecht (Hg.), Dresdener Medizin zwischen Krankenhaus und Fakultät, Dresden 2000, S. 35-56; A. Scholz/C.-P. Heidel/M. Lienert (Hg.), Vom Stadtkrankenhaus zum Universitätsklinikum. 100 Jahre Krankenhausgeschichte in Dresden, Köln/Weimar/Wien 2001; C.-P. Heidel/M. Lienert (Hg.), Die Professoren der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden und ihrer Vorgängereinrichtungen 1814-2013, Dresden 2014, S. 100 (P). – DBA II.
Porträt Wilhelm C., Pressearchiv E. Höhne/E. Pohl, 1952, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Harald Thulin
23.11.2016
Empfohlene Zitierweise:
Harald Thulin, Artikel: Wilhelm Crecelius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4370 [Zugriff 24.11.2024].
Wilhelm Crecelius
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Außenstelle Medizinische Fakultät/Universitätsklinikum, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden, Personalakte Nr. 189, Teil 1 und 2, Wilhelm C.; Auskunft K. Schmidt-Crecelius, Dresden.
Werke mit Seifert, Ein neues Blutzuckerkolorimeter nach Crecelius-Seifert, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 75/1928, S. 1301f.; Die Therapie der endokrinen Erkrankungen, in: H. Kleinsorge (Hg.), Die Therapie der Inneren Medizin, Jena 1953, 31964; Ernährungslehre. Richtlinien für die Ernährung des Gesunden und Kranken, Dresden 1954, mit U. Freimuth/G. O. Harnapp, 21957, 31965; mit W. Siebert, Der Perkussionskurs, Leipzig 51959, 81965.
Literatur H. Walther, Arzt sein heißt Helfer sein, in: Sächsisches Tageblatt, Ausgabe Dresden 28.10.1973, S. 8; H. Haller, Wilhelm C. - Octogenarius, in: Zeitschrift für die gesamte innere Medizin und ihre Grenzgebiete 33/1978, S. 773f. (P); A. Scholz, Bildnisse von Johannstädter Ärzten im Scherenschnitt, in: D. M. Albrecht (Hg.), Dresdener Medizin zwischen Krankenhaus und Fakultät, Dresden 2000, S. 35-56; A. Scholz/C.-P. Heidel/M. Lienert (Hg.), Vom Stadtkrankenhaus zum Universitätsklinikum. 100 Jahre Krankenhausgeschichte in Dresden, Köln/Weimar/Wien 2001; C.-P. Heidel/M. Lienert (Hg.), Die Professoren der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden und ihrer Vorgängereinrichtungen 1814-2013, Dresden 2014, S. 100 (P). – DBA II.
Porträt Wilhelm C., Pressearchiv E. Höhne/E. Pohl, 1952, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Harald Thulin
23.11.2016
Empfohlene Zitierweise:
Harald Thulin, Artikel: Wilhelm Crecelius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/4370 [Zugriff 24.11.2024].