Otto Rostoski
Der Internist R. wirkte seit 1907 ein halbes Jahrhundert lang als Chefarzt der Dresdner Krankenhäuser in Friedrichstadt und Johannstadt. Er begründete die Dresdner Traditionslinie zur Erforschung von Stoffwechselkrankheiten und Diabetes mellitus, die seine Schüler Wilhelm Crecelius und
Hans Haller sowie später
Markolf Hanefeld und
Stefan Bornstein bis heute weitergeführt haben. – R. studierte 1892 bis 1897 Medizin in Würzburg. Er promovierte 1896 mit dem Thema „Über Echinococcus multilocularis hepatis“. 1897 arbeitete er zuerst als Assistenzarzt in der Lungenheilanstalt Ruppertshain/Taunus und danach als Volontärarzt am Institut für Hygiene der Universität Würzburg. Ende 1897 bis 1907 wirkte er als Assistenzarzt in der von
Wilhelm Oliver von Leube geleiteten Universitätsklinik für Innere Medizin in Würzburg, deren Forschungsschwerpunkt die Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten waren. Seitdem standen diese Krankheiten im Mittelpunkt von R.s Interesse. Zwei Wintersemester lang hielt er sich zu Studien der Chemie in Berlin auf: 1899/1900 im von
Ernst Leopold Salkowski geleiteten Labor des Pathologischen Instituts und 1904/05 im von
Emil Fischer geleiteten Chemischen Institut. 1902 habilitierte er sich mit der Arbeit „Zur Kenntnis der Präzipitine“. Letztlich zog es ihn aber in die praktisch-klinische Arbeit. Noch in Würzburg wurde er 1907 zum außerordentlichen Professor ernannt. Im gleichen Jahr begann R. seine Tätigkeit am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt als Leiter der zweiten Medizinischen Klinik. 1910 konnte er nach dem Rücktritt des am Stadtkrankenhaus Johannstadt tätigen Chefarztes
Richard Schmaltz dessen Nachfolge antreten und sollte diese Stellung bis 1932 innehaben. – Während des Ersten Weltkriegs wurde R. als beratender Internist bei der deutschen Südarmee, die an der österreichisch-ungarischen Südostgrenze kämpfte, eingesetzt. 1915 sorgte er im Krankenhaus Johannstadt für die Einrichtung einer Röntgenabteilung in der Inneren Klinik. Als Leiter setzte er seinen Assistenten Erich Saupe ein, der sich bald zu einem anerkannten Fachmann für die Diagnostik und Therapie mit Strahlen entwickelte. R. beschäftigte sich wissenschaftlich weiter mit dem Gebiet der Stoffwechselkrankheiten und profilierte seine Einrichtung zur Schwerpunktklinik bei der Behandlung von diabetischen Patienten. Er eröffnete 1924 die europaweit erste Diabetikerambulanz an einem Krankenhaus, um die Betreuung der Patienten zu verbessern. Seine Einrichtung wurde zum Vorbild für die Gründung von Diabetikerambulanzen in ganz Europa. R. gehörte außerdem zu den Gründern der 1924 in Dresden eingerichteten Akademie für ärztliche Fortbildung. 1926 veröffentlichte er mit Saupe und dem Pathologen Georg Schmorl ein grundlegendes Werk über den sog. Schneeberger Lungenkrebs („Die Bergkrankheit der Erzbergleute in Schneeberg in Sachsen“), das internationale Beachtung fand. R. wurde zu Vorträgen nach London und St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) eingeladen. – Als das Stadtkrankenhaus Johannstadt infolge der Weltwirtschaftskrise 1932 geschlossen wurde, konnte R. mit einem Teil seiner Patienten in das in der Nähe gelegene Carola-Krankenhaus umziehen, bis das Johannstädter Klinikum am 2.6.1933 wiedereröffnet wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus sollten die hier praktizierten Naturheilmethoden durch Vertreter der Schulmedizin überprüft werden. Als die Reichsärzteführung in Berlin entschied, die meisten ärztlichen Leitungsstellen dafür neu zu besetzen, wurde auch R., der kein Mitglied der NSDAP war, entlassen. Da zu dieser Zeit die Chefarztstelle an der zweiten Medizinischen Klinik im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt frei war, konnte R. dorthin wechseln und mit ihm die meisten seiner Assistenten und ein Teil des Pflegepersonals. Ebenso wurde die Diabetikerambulanz nach Friedrichstadt verlagert. Hier wirkte R. bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 3.8.1938. – Mit Kriegsbeginn 1939 wurde R. reaktiviert und im Rang eines Oberstabsarztes zum Leiter des Reservelazaretts im ehemaligen Lahmann-Sanatorium ernannt. 1941 übernahm er als leitender Arzt die Innere Klinik des Krankenhauses Dresden-Löbtau mit der dazugehörigen Infektionsabteilung in der Bodelschwinghstraße. Im Februar 1945 wurde seine Wohnung in der Beuststraße 5 zerstört, im April auch das Krankenhaus Löbtau. Die Patienten und er fanden Unterkunft in einer ehemaligen Schule in Dresden-Naußlitz, die zu einem Hilfskrankenhaus umfunktioniert wurde. Im Frühjahr 1946 konnten die Patienten in das Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt umziehen. Dort wurde R. erneut Chefarzt der Medizinischen Klinik. Bis 1953 wohnte der unverheiratete R. auch im Krankenhaus, bevor er in eine Wohnung im Stadtteil Weißer Hirsch (Straußstraße 4) zog. Nach seinem 80. Geburtstag gab er die Klinikleitung größtenteils ab. Die Diabetikerstation mit der zugehörigen großen Ambulanz hingegen behielt er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 1.1.1958. Zuvor war er noch zum ersten Professor mit Lehrstuhl für Innere Medizin an der 1954 gegründeten Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus ernannt worden. Die Emeritierung erfolgte am 31.8.1955. – R.s Leistungen wurden mehrfach gewürdigt. 1952 erhielt er den Titel „Verdienter Arzt des Volkes“; die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin wählte ihn 1954 zum Ehrenmitglied. 1955 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin. In Erinnerung an R. verleiht das am Universitätsklinikum angesiedelte Tumorzentrum Dresden alle zwei Jahre den Otto-Rostoski-Preis.
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Außenstelle Medizinische Fakultät/Universitätsklinikum, Personalakte Nr. 1880 Otto R.
Werke Über Echinococcus multilocularis hepatis, Diss. Würzburg 1896; Zur Kenntnis der Präzipitine, Habil. Würzburg 1902; mit E. Saupe/G. Schmorl, Die Bergkrankheit der Erzbergleute in Schneeberg in Sachsen („Schneeberger Lungenkrebs“), in: Zeitschrift für Krebsforschung 23/1926, S. 360-384; Über Diabetes mellitus, in: Wissenschaftliche Annalen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 6/1957, S. 193-204.
Literatur H. Haller/M. Lienert, Otto Albert Robert R. (1872-1962), in: G. Landgraf (Hg.), Geschichte der Technischen Universität Dresden in Dokumenten, Bildern und Erinnerungen, Bd. 3, Dresden 1996, S. 103-106 (P); A. Scholz (Hg.), Vom Stadtkrankenhaus zum Universitätsklinikum. 100 Jahre Krankenhausgeschichte in Dresden, Köln/Weimar/Wien 2001; C.-P. Heidel/M. Lienert (Hg.), Die Professoren der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden und ihrer Vorgängereinrichtungen 1814-2013, Dresden 2014, S. 296 (P). – DBA III; W. Hartkopf, Die Berliner Akademie der Wissenschaften - ihre Mitglieder und Preisträger 1700-1990, Berlin 1992.
Porträt Otto R., Pressearchiv E. Höhne/E. Pohl, 1952, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Harald Thulin
30.11.2016
Empfohlene Zitierweise:
Harald Thulin, Artikel: Otto Rostoski,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9873 [Zugriff 24.11.2024].
Otto Rostoski
Quellen Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Außenstelle Medizinische Fakultät/Universitätsklinikum, Personalakte Nr. 1880 Otto R.
Werke Über Echinococcus multilocularis hepatis, Diss. Würzburg 1896; Zur Kenntnis der Präzipitine, Habil. Würzburg 1902; mit E. Saupe/G. Schmorl, Die Bergkrankheit der Erzbergleute in Schneeberg in Sachsen („Schneeberger Lungenkrebs“), in: Zeitschrift für Krebsforschung 23/1926, S. 360-384; Über Diabetes mellitus, in: Wissenschaftliche Annalen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 6/1957, S. 193-204.
Literatur H. Haller/M. Lienert, Otto Albert Robert R. (1872-1962), in: G. Landgraf (Hg.), Geschichte der Technischen Universität Dresden in Dokumenten, Bildern und Erinnerungen, Bd. 3, Dresden 1996, S. 103-106 (P); A. Scholz (Hg.), Vom Stadtkrankenhaus zum Universitätsklinikum. 100 Jahre Krankenhausgeschichte in Dresden, Köln/Weimar/Wien 2001; C.-P. Heidel/M. Lienert (Hg.), Die Professoren der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden und ihrer Vorgängereinrichtungen 1814-2013, Dresden 2014, S. 296 (P). – DBA III; W. Hartkopf, Die Berliner Akademie der Wissenschaften - ihre Mitglieder und Preisträger 1700-1990, Berlin 1992.
Porträt Otto R., Pressearchiv E. Höhne/E. Pohl, 1952, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Harald Thulin
30.11.2016
Empfohlene Zitierweise:
Harald Thulin, Artikel: Otto Rostoski,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9873 [Zugriff 24.11.2024].