Simon Hirschel
Der gelernte Konditor Simon Hirschel war als selbstständiger Unternehmer erfolgreich im Dresdner Beherbergungs- und Gastronomiegewerbe tätig, ehe er gegen Ende seiner Berufstätigkeit in den Handel wechselte. Dank der intensiven Unterstützung durch die jüdische Gemeinde konnte er an wechselnden Standorten innerhalb des Stadtzentrums eine gehobene Herberge für jüdische Gäste etablieren, die dort eine den religiösen Speisegesetzen gemäße Bewirtung anbot. – Hirschel entstammte einer als wenig begütert geltenden Dresdner Familie. Seine bereits früh verwitwete Mutter handelte mit gebrauchten Kleidungsstücken und sorgte so notdürftig für den Unterhalt der insgesamt sieben Kinder. Der junge Hirschel besuchte gleichwohl die Privatschule von
Ruben Aaron Meyer und ab 1836 die neu gegründete jüdische Gemeindeschule. Mit Unterstützung des fortschrittlichen, auf Bildungsförderung angelegten Mendelssohn-Vereins konnte er zunächst 1838 bis 1840 eine Konditorlehre absolvieren, dann seine Kenntnisse bei dem Konditor
Victor Gadelli erweitern und schließlich auf Wanderschaft gehen. – Nach seiner Rückkehr beantragte und erhielt Hirschel 1847 das Dresdner Bürgerrecht sowie die Konzession für die Gründung eines eigenen Geschäfts. Kurz nach seiner 1850 in Leipzig erfolgten Eheschließung mit
Emelie Ester Gotthelft eröffnete er auf der Schlossgasse 19 das Café Electoral, eine Konditorei mit Kaffeehausbetrieb. Nach anfänglicher Ablehnung durch die Stadtpolizei wurde 1851 eine Geschäftserweiterung zum Restaurationsbetrieb, nunmehr in der 1. Etage Seegasse 20, Ecke Zahnsgasse, genehmigt. Nach der Kündigung seiner bisherigen Lokalität 1853 beantragte Hirschel die Konzession für den Betrieb einer Gastwirtschaft in der 2. Etage des Wohnhauses Mittlere Frauengasse 1, um dort ausschließlich wohlhabendere jüdische Handlungsreisende und Dresden-Besucher zu beherbergen und zu verköstigen. Die lukrative Beherbergungserlaubnis wurde ihm zunächst verwehrt, da sich an dieser Stelle bereits eine christliche Gastwirtschaft in der darunterliegenden Etage befand. Dank der intensiven Unterstützung durch den Oberrabbiner Zacharias Frankel und den Gemeindevorstand sowie eines polizeilichen Gutachtens über die mangelhafte Ausstattung der bisher vorhandenen jüdischen Herberge des gelernten Tapezierers
Karl Koppel auf der Webergasse wurde Hirschels Gesuch schließlich Ende 1854 genehmigt. Nach der Kündigung seiner Räumlichkeiten musste er seine Gastwirtschaft zunächst in die Töpfergasse 13 (1856), dann in die Landhausstraße 21 (1860) sowie die Frauenstraße 12 (1862) verlegen. Erst 1869 erhielt er schließlich eine konfessionell unbeschränkte Konzession für seine Gastwirtschaft in der 1. Etage der Badergasse 29, wo er für geschlossene Gesellschaften auch Konzerte und Tanz veranstalten durfte. – 1864 ließ Hirschel eine nicht näher bestimmbare Firma in das Dresdner Handelsregister eintragen, die bereits im Folgejahr aus dem Register gelöscht wurde. Nachdem er bereits Anfang 1869 ebenfalls in der Badergasse 29 ein Wurst- und Fleischwarengeschäft eröffnet hatte, beendete er 1872 die arbeitsintensive Gastwirtstätigkeit und wandte sich dem Handel zu. In der Wohnung der vielköpfigen Familie (Wettiner Straße 21) betrieb er nun ein Pfandleihgeschäft mit Auktionen sowie eine Dienstboten- und Zimmervermittlung. Im Dresdner Adressbuch 1873 ist er zusätzlich als Lotterieeinnehmer aufgeführt. 1902 noch als Kaufmann bezeichnet, wohnte Hirschel zuletzt als Privatier auf der Striesener Straße 34. – Obgleich Hirschel in der jüdischen Gemeinde nicht durch leitende Funktionen oder Aktivitäten in Erscheinung getreten ist, konnte er aber stets auf deren engagierte Unterstützung bauen. Der in Dresden verstorbene Hirschel wurde 1903 auf dem Neuen Jüdischen Friedhof beigesetzt, wo sich auch sein Grabstein erhalten hat.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 826c, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1250; Stadtarchiv Dresden, 2.3.9. Gewerbeamt A, H 7242; Dresdner Adressbücher; Digitale Edition - Jüdischer Friedhof Dresden, neuer Friedhof, Fiedlerstraße 3 (1866-2005).
Literatur Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden. Von den ersten Juden bis zur Blüte der Gemeinde und deren Ausrottung, Darmstadt 1973; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Daniel Ristau, Juden in Sachsen zwischen 1781 und 1932. Von der „Vorgeschichte“ der Shoa zur Vielfalt jüdischen Lebens, in: MEDAON. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 6/2012, H. 10, S. 1-58; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Hamburg 2016.
Jochen Vötsch
24.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Simon Hirschel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27888 [Zugriff 23.8.2025].
Simon Hirschel
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10736 Ministerium des Innern, Nr. 826c, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1250; Stadtarchiv Dresden, 2.3.9. Gewerbeamt A, H 7242; Dresdner Adressbücher; Digitale Edition - Jüdischer Friedhof Dresden, neuer Friedhof, Fiedlerstraße 3 (1866-2005).
Literatur Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden. Von den ersten Juden bis zur Blüte der Gemeinde und deren Ausrottung, Darmstadt 1973; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Daniel Ristau, Juden in Sachsen zwischen 1781 und 1932. Von der „Vorgeschichte“ der Shoa zur Vielfalt jüdischen Lebens, in: MEDAON. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 6/2012, H. 10, S. 1-58; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Hamburg 2016.
Jochen Vötsch
24.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Simon Hirschel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27888 [Zugriff 23.8.2025].