Robert Friese
F. gehört zu den Hauptvertretern der vormärzlichen verlegerischen Opposition in Leipzig, die für bürgerliche Freiheiten sowie die Überwindung aller zensurpolitischen Beschränkungen eintraten und dabei die politische Publizistik maßgeblich prägten. Bekannt wurde er zudem als Verleger der von Robert Schumann redigierten „Neuen Zeitschrift für Musik“. – Über den heranwachsenden F. ist nur wenig überliefert. Nach der Konfirmation absolvierte er in einer Pirnaer Materialwarenhandlung eine kaufmännische Lehre. In Übereinkunft mit dem Vater wandte er sich 1825 dem buchhändlerischen Beruf zu und trat in die Handlung von
Ernst Kollmann in Leipzig ein. Nach einiger Zeit war er als Volontär beim Buchhändler Carl Cnobloch in Leipzig tätig, wechselte dann in die Filiale Kassel der von
Johann Konrad Krieger in Marburg begründeten Buchhandlung. Außerdem sammelte F. für kurze Zeit Erfahrungen als buchhändlerischer Geschäftsreisender in Marburg, um anschließend noch einmal für Cnobloch tätig zu werden. Mit dieser praktischen Ausbildung bereitete er sich auf die Fortführung der väterlichen Verlagsbuchhandlung vor.
Carl August Friese hatte sich über 25 Jahre ausschließlich dem Verlag gewidmet, den er gewerberechtlich wegen der in Dresden maßgebenden Buchhändlerprivilegien über das benachbarte Pirna etablieren musste. Nach der Ostermesse 1828 übernahm F. die väterliche Firma. Außerdem begründete er in Dresden eine Musikalien- und Kunst-Verlagshandlung. Dieser Schritt korrespondierte mit seinen persönlichen Neigungen. Da der Kunst- und Musikalienhandel nicht die erteilten Privilegien des Buchhandels berührte und nur die Erlangung einer Konzession erforderte, sah F. zudem darin die einzige und naheliegende Möglichkeit, eine legale geschäftliche Niederlassung in Dresden zu erhalten. Für die Fortführung des Buchverlags war weiterhin der Erwerb des Pirnaer Bürgerrechts erforderlich. Die Entscheidung zur Etablierung in Dresden dürfte sich zu dieser Zeit noch mit Hoffnungen auf baldige Reformen verbunden haben, denn seine beruflichen Ambitionen gingen weit über das in Dresden Mögliche hinaus. Das Ringen um gewerbliche Privilegien und die Erfahrung erzwungener Beschränkungen sensibilisierten den jungen F. frühzeitig für bürgerliche Rechte und Freiheiten. Als es im September 1830 unter dem Eindruck der französischen Julirevolution auch in Dresden zu Unruhen kam, war F. ein leidenschaftlicher Beobachter und Chronist. Er verfasste eine „Gedrängte Darstellung der Ereignisse vom 9.-15. Septbr. in Dresden“. Diese Schrift, die er anonym und ohne Angabe des Druck- und Verlagsorts in Umlauf brachte, lieferte den Behörden einen Anlass für Ermittlungen, in deren Ergebnis F. eine sechswöchige Gefängnisstrafe antreten musste. Seine wachsende Unzufriedenheit über ausbleibende Reformen, aber auch familiäre Bindungen veranlassten ihn 1833 zum Umzug nach Leipzig, wo er im Buch-, Kunst- und Musikalienhandel als Sortimenter, Verleger und Kommissionär tätig werden konnte. Sein Musikverlag, der in der Dresdner Zeit insbesondere Werke für das Hausmusik praktizierende Bildungsbürgertum veröffentlichte und u.a. solche von Francesco Morlacchi, Carl Gottlieb Reißiger, Ernst Julius Otto und schließlich sogar eigene kleine Kompositionen umfasste, geriet bald nach dem Umzug in ernste Schwierigkeiten. Eine entscheidende Wende brachte die Begegnung mit Robert Schumann, der einen zuverlässigen Verleger für seine „Neue Zeitschrift für Musik“ suchte. Nach heftig ausgetragenen Differenzen zu den Mitherausgebern der 1834 gegründeten „Neuen Leipziger Zeitschrift für Musik“ hatte Schumann das Blatt als alleiniger Inhaber und ohne den regionalen Bezug im Titel zunächst im Verlag Johann Ambrosius Barth fortgeführt. F. sah in dieser Zusammenarbeit die Chance, seinem musikalischen Verlag Geltung zu verschaffen. Doch blieb die Zusammenarbeit mit Robert Schumann, der verlagsunabhängig agieren wollte und den Rahmen der Mitwirkung für F. definierte, sehr schwierig. Der hohe redaktionelle und organisatorische Aufwand, begründet in häufigen Korrespondenzen wegen Schumanns Abwesenheit von Leipzig und nicht ausbleibenden Differenzen mit dem allein verantwortlichen Redakteur, band erhebliche Kräfte. Sein oft aufopferungsvolles Engagement für Schumanns Zeitschrift hing nicht mit den zu erwartenden direkten Erlösen aus dem Absatz der Zeitschrift zusammen. Vielmehr profitierte F. von den zahlreichen Kontakten mit Musikern, Kritikern und wichtigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die ihm die Zusammenarbeit mit Schumann verschaffte. Wesentlich für seine Motivation war zudem das Gefühl aufrichtig empfundener Freundschaft zu Schumann. Auch überzeugte ihn der programmatische Anspruch der Zeitschrift, kritisch und kompromisslos gegen Verflachungen im Musikleben vorzugehen. F. akzeptierte, dass deshalb der Bewerbung von Neuerscheinungen aus rein kommerziellen Gründen enge Grenzen gesetzt waren. In diesen Jahren konnte F. darüber hinaus seinen Musikverlag ausbauen. Insbesondere die „Beilagen“ der Zeitschrift, die er jährlich in „Albums“ zusammenfasste, boten F. Möglichkeiten eigener Profilierung gegenüber der starken Konkurrenz großer Leipziger Musikverleger. Dennoch blieb er unter den Musikverlegern jener Zeit nur ein relativ unbedeutender Vertreter. – Ein Jahr nach seiner Übersiedlung nach Leipzig lernte F. den Theatersekretär Robert Blum kennen, der in dieser Zeit vielfältige Kontakte zu Künstlern und Intellektuellen suchte. Diese Begegnung sollte seinen weiteren Lebensweg maßgeblich beeinflussen. Seit Anfang der 1840er-Jahre ist F.s zunehmende Integration in das sich um Blum rankende demokratische Netzwerk festzustellen. Nach dem Bericht eines Polizeispitzels wurde F. am 18.3.1841 in den sog. Klub, den politischen Freundeskreis Blums, aufgenommen. Bis dahin wies sein Buchverlag ein breites Spektrum auf und pflegte weiterhin die Schwerpunkte des väterlichen Verlags, u.a. Kinder- und Jugendbücher sowie verschiedene Ratgeber. In den 1840er-Jahren wurde er Verleger bedeutender politischer Schriften. Von November 1842 bis zum Entzug der Konzession Ende 1845 verlegte F. die „Sächsischen Vaterlands-Blätter“, die sich zu einer herausragenden oppositionellen Zeitung entwickelten und alle Möglichkeiten der Zensur geschickt ausschöpften, um oppositionelle Kräfte zu sammeln und zu formieren. Von F. erforderte die Herausgabe ein hohes Maß an Flexibilität, da fortlaufend mit veränderter Auflage, Nachauflagen und Sonderdrucken gearbeitet wurde. Weiterhin erschien in seinem Verlag seit 1843 das Jahrbuch „Vorwärts! Volks-Taschenbuch“, wogegen häufig die Zensurinstanzen einschritten. Als jährlicher politischer Almanach enthielt es Beiträge namhafter Publizisten und Schriftsteller. Kämpferisch und volkstümlich zugleich wurden gesellschaftliche Zustände erörtert. Der Verleger F. erwies sich in diesen Jahren als mutiger, klar kalkulierender Unternehmer. Seine politischen Überzeugungen motivierten ihn bei Entscheidungen und steigerten seine Risikobereitschaft. Zahlreiche weitere Verpflichtungen in Vereinigungen und in der Kommunalpolitik führten zu einem gewaltigen Arbeitspensum. Wesentlich war seine Mitarbeit im Schillerverein, der jährlich anlässlich des Geburtstags Friedrich Schillers ein Fest ausrichtete, das zugleich ein wichtiges Forum für politische Kundgebungen schuf. Er übernahm im Vorstand des Vereins Aufgaben als Schatzmeister und Sekretär und engagierte sich für den Aufbau einer Gemeindebibliothek in Gohlis bei Leipzig. Auf seine Initiative veranstaltete der Schillerverein 1847 ein Fest für die Gohliser Schulkinder. – Seit 1836 war F. Stadtverordneten-Ersatzmann und seit 1842 wirkte er als Stadtverordneter in verschiedenen Deputationen mit. Zugleich nahm er an den Mitgliederversammlungen des Leipziger Literatenvereins und des 1845 entstandenen Redeübungsvereins teil, aus dessen Zusammenkünften sich 1848 ein Vaterlandsverein konstituierte. Trotz spürbarer Überlastung gründete er 1847 mit Blum die Verlagsbuchhandlung Robert Blum & Compagnie, für die er als Mitinhaber die Geschäftsführung übernahm. Kern des Verlags wurde ein „Volksthümliches Handbuch der Staatswissenschaften und Politik“. Am 29.2.1848 wandte sich F. mit 16 weiteren Leipziger Buchhändlern in einer Erklärung an das sächsische Gesamtministerium gegen die „geistesmörderische Zensur“. Nach Verkündung der Pressefreiheit übernahm er den Verlag der „Constitutionellen Staatsbürger-Zeitung“, der jetzt die Bezeichnung „Vaterlandsblätter“ vorangestellt wurde. Die vielen Verpflichtungen forderten Tribut an F.s Gesundheit. Einer schweren und langwierigen Erkrankung im Frühjahr 1848 folgte lediglich eine kurze Phase der Erholung. Er verstarb mit gerade einmal 43 Jahren. Nur zwei Tage nach F.s Tod fiel sein Freund und Weggefährte Blum unter den Kugeln des Erschießungskommandos.
Quellen Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv, B XVII.278, In Untersuchungssachen gegen den Buchhändler August Robert Friese die Verbreitung eines Flugblattes betr.
Werke Gedrängte Darstellung der Ereignisse vom 9.-15. Septbr. in Dresden, Dresden 1830.
Literatur R. Misterek, Die Buchhändler Carl August Friese (1781-1838) und August Robert F. (1805-1848) in Dresden und Leipzig, in: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 13/2004, S. 221-270. – P. Dießner/I. Knechtges-Obrecht, Der Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit dem Verlag Robert Friese 1834 bis 1851, in: Schumann Briefedition, Serie III Verlegerbriefwechsel, Bd. 3: Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Leipziger Verlegern III, hrsg. von dens./T. Synofzik, Köln 2008, S. 29-195. – DBA I; Neuer Nekrolog der Deutschen 26/1848.
René Misterek
10.7.2017
Empfohlene Zitierweise:
René Misterek, Artikel: Robert Friese,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24476 [Zugriff 14.12.2024].
Robert Friese
Quellen Stadtarchiv Dresden, 2.1. Ratsarchiv, B XVII.278, In Untersuchungssachen gegen den Buchhändler August Robert Friese die Verbreitung eines Flugblattes betr.
Werke Gedrängte Darstellung der Ereignisse vom 9.-15. Septbr. in Dresden, Dresden 1830.
Literatur R. Misterek, Die Buchhändler Carl August Friese (1781-1838) und August Robert F. (1805-1848) in Dresden und Leipzig, in: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 13/2004, S. 221-270. – P. Dießner/I. Knechtges-Obrecht, Der Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit dem Verlag Robert Friese 1834 bis 1851, in: Schumann Briefedition, Serie III Verlegerbriefwechsel, Bd. 3: Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Leipziger Verlegern III, hrsg. von dens./T. Synofzik, Köln 2008, S. 29-195. – DBA I; Neuer Nekrolog der Deutschen 26/1848.
René Misterek
10.7.2017
Empfohlene Zitierweise:
René Misterek, Artikel: Robert Friese,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24476 [Zugriff 14.12.2024].