Paulus Jenisius
J. zählt zu den bedeutendsten Vertretern der städtischen Chronistik im frühneuzeitlichen Sachsen. Zudem machte er sich als theologischer Schriftsteller und kurfürstlicher Hofprediger einen Namen. – J. entstammt einer Annaberger Bergmannsfamilie. Sein Geburtsjahr lässt sich nur annähernd auf 1551 oder 1552 bestimmen, da das älteste Taufbuch der Stadt erst 1556 beginnt. Im Kindesalter erhielt J. längere Zeit Privatunterricht, ehe er Schüler der Annaberger Lateinschule wurde. 1570 nahm er ein Theologiestudium an der Universität Wittenberg auf, das er am 15.3.1576 mit dem Magistergrad abschloss. Noch im selben Jahr kehrte J. nach Annaberg zurück und wurde am 12.10.1576 als Konrektor an seine Heimatschule berufen. Gemeinsam mit dem Rektor
Wolfgang Stollberg erarbeitete er hier eine neue „Annaberger Kirchenordnung und Schulbestellung“. Am 25.10.1581 erhielt er dann selbst das Amt des Rektors der Lateinschule vom Stadtrat übertragen. Unter seiner Leitung erfreute sich die Einrichtung großen Zulaufs und baute ihre Position als führende obererzgebirgische Bildungsanstalt weiter aus. Ein zunehmender Kräfteverschleiß nötigte J. jedoch, am 29.3.1593 seinen freiwilligen Rücktritt vom Rektorenamt zu erklären. Auf der Suche nach einer weniger aufreibenden Anstellung folgte J. 1594 einer Berufung als Pfarrer nach Eula bei Borna durch den Rittergutsbesitzer
Christoph von Kitzscher auf Zöpen bei Neukierschitz. Ab März 1596 wirkte J. zunächst wiederum als Pfarrer, dann als Superintendent in Eilenburg. Höhepunkt seiner Karriere war der Wechsel in die Umgebung des Kurfürsten Christian II., dessen Dritter Hofprediger J. 1603 wurde. 1607 erfolgte die Beförderung zum Zweiten Hofprediger und zum Assessor im Dresdner Oberkonsistorium sowie 1610 die Ernennung zum Ersten Hofprediger. Während der Zeit als Hofprediger entstanden seine wichtigsten Veröffentlichungen. Insgesamt sind 36 gedruckte Schriften J.s bekannt, darunter zahlreiche Leichen- und Festtagspredigten. Seinen Gönner, Kurfürst Christian II., ehrte J. mit einer umfassenden Lebensbeschreibung des Regenten (1611). Als sein Hauptwerk gilt jedoch die 1605 bei dem Dresdner Buchbinder Hieronymus Schütz verlegte Annaberger Stadtchronik unter dem Titel „Annaebergae Misniae Urbis historia“. Mit ihrer Abfassung hatte J. schon während seines Schuldiensts begonnen und dabei Vorarbeiten von
Valten Hanffstengel, Johannes Widmann,
Michael Barth und dem Annaberger Ratsherrn
Jobst Freytag verwendet. Das zweiteilige, in Latein verfasste Manuskript enthielt eine historische Beschreibung Annabergs und Jahresannalen seit der Stadtgründung 1496. Es wurde 1592 abgeschlossen und von J. unveröffentlicht in der Bibliothek der Annaberger Lateinschule hinterlegt. Zur Publikation entschloss sich J. erst nach dem verheerenden Stadtbrand Annabergs am 27.4.1604. Dazu ergänzte er die Annalen von 1592 bis 1604. Im Ergebnis entstand ein Werk, dessen Aufbau und Gliederung wegweisend für das Schaffen späterer Chronisten, insbesondere für Christian Lehmanns „Historischen Schauplatz derer Merckwürdigkeiten in dem meißnischen Ober-Erzgebirge“ (1699), wurden. – Ihren Wert für die sächsische Landesgeschichtsforschung erhält die Chronik v.a. durch die lebhafte Schilderung der Frühgeschichte Annabergs und der Anfänge der Klöppelspitzen- und Bortenfertigung durch Barbara Uttmann. J.s Chronik wurde 1654 von Georg Arnold ins Deutsche übersetzt und fortgeschrieben. – Unter den unveröffentlichten Arbeiten J.s nimmt sein im Landeskirchenarchiv Dresden verwahrtes Amtsbuch der Dresdner Hofkirche einen wichtigen Platz ein. Es enthält neben kirchenpolitisch akzentuierten Kurzbiografien der albertinischen Herrscher von Herzog Heinrich bis Kurfürst Johann Georg I. eine umfassende Dokumentation der Tätigkeit der Hofprediger und der zeitgenössischen Gottesdienstordnung. – J. starb 1612 an den Folgen einer langwierigen schweren Krankheit. Seine Grabstätte in der Sophienkirche wurde beim Bombardement Dresdens 1945 zerstört.
Werke Annaebergae Misniae Urbis historia, Dresden 1605; De vita, gestis atque obitu Christiani II. narratio, Leipzig 1611; Vier Christliche Predigten/ Bey weiland des Durchlauchtigsten/ Hochgebornen Fürsten und Herrn/ Herrn Christiani des Andern/ Hertzogen zu Sachßen ... und Churfürsten ... Leichbegängnüsen, Leipzig 1611; Ehrenpredigt/ Bey Christlicher Trawung Des ... Herrn Francisci Hertzogen zu Stetin/ Pom[m]ern ... Und der ... Freulin Sophia, Gebornen Hertzogin aus dem Churfürstlichen Stam[m] Sachßen, Leipzig 1612; Annaberger Chronik, hrsg. vom Erzgebirgsmuseum Annaberg-Buchholz, Leipzig 1994.
Literatur A. H. Kreyßig, Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen im Königreiche Sachsen von der Reformation bis zur Gegenwart, Crimmitschau 1898; K. Becher, Geschichte der Annaberger Lateinschule von 1499-1835, Dresden 1985 [Ms.]; R. Unger, Magister Georg Arnolds „Chronicon Annaebergense continuatum“, in: Chronicon Annaebergense continuatum, ND Stuttgart 1992, Anhang, S. 1-43 (WV, P); M. Riesche (Hg.), Festschrift zum 500-jährigen Jubiläum der Gründung der Stadt Annaberg 1496-1996, Annaberg-Buchholz 1996; H. Bräuer, Stadtchronistik und städtische Gesellschaft, Leipzig 2009 (WV); C. M. Raddatz-Breidbach, Albertinische Kurfürsten und „lutherische Lehr“. Zum Amtsbuch des Hofpredigers Paul J. für die Dresdner Hofkirche, in: Aus evangelischen Archiven 53/2013, S. 91-122. – DBA I.
Porträt Paul J., Kupferstich, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Michael Wetzel
6.3.2015
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Paulus Jenisius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25020 [Zugriff 3.11.2024].
Paulus Jenisius
Werke Annaebergae Misniae Urbis historia, Dresden 1605; De vita, gestis atque obitu Christiani II. narratio, Leipzig 1611; Vier Christliche Predigten/ Bey weiland des Durchlauchtigsten/ Hochgebornen Fürsten und Herrn/ Herrn Christiani des Andern/ Hertzogen zu Sachßen ... und Churfürsten ... Leichbegängnüsen, Leipzig 1611; Ehrenpredigt/ Bey Christlicher Trawung Des ... Herrn Francisci Hertzogen zu Stetin/ Pom[m]ern ... Und der ... Freulin Sophia, Gebornen Hertzogin aus dem Churfürstlichen Stam[m] Sachßen, Leipzig 1612; Annaberger Chronik, hrsg. vom Erzgebirgsmuseum Annaberg-Buchholz, Leipzig 1994.
Literatur A. H. Kreyßig, Album der evangelisch-lutherischen Geistlichen im Königreiche Sachsen von der Reformation bis zur Gegenwart, Crimmitschau 1898; K. Becher, Geschichte der Annaberger Lateinschule von 1499-1835, Dresden 1985 [Ms.]; R. Unger, Magister Georg Arnolds „Chronicon Annaebergense continuatum“, in: Chronicon Annaebergense continuatum, ND Stuttgart 1992, Anhang, S. 1-43 (WV, P); M. Riesche (Hg.), Festschrift zum 500-jährigen Jubiläum der Gründung der Stadt Annaberg 1496-1996, Annaberg-Buchholz 1996; H. Bräuer, Stadtchronistik und städtische Gesellschaft, Leipzig 2009 (WV); C. M. Raddatz-Breidbach, Albertinische Kurfürsten und „lutherische Lehr“. Zum Amtsbuch des Hofpredigers Paul J. für die Dresdner Hofkirche, in: Aus evangelischen Archiven 53/2013, S. 91-122. – DBA I.
Porträt Paul J., Kupferstich, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Michael Wetzel
6.3.2015
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Paulus Jenisius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25020 [Zugriff 3.11.2024].