Paul Vogel

V.s Mutter war die Tochter des fürstlichen Geleitkommissars Johann Wilhelm Schneider aus Schleiz und die Schwester des sächsischen Justizministers (1866-1871) Robert Schneider. V. ging in Chemnitz auf die Bürger- und Realschule sowie auf das Progymnasium. 1859 wechselte er auf die Meißner Fürstenschule St. Afra. Wegen einer Auseinandersetzung mit dem Direktor verließ er 1864 diese Einrichtung wenige Monate vor dem Ende der Oberprima und legte sein Abitur am Gymnasium in Zwickau ab. Anschließend studierte er Chemie und Physik in Wien, Berlin und Leipzig. Noch als Student verheiratete sich V. mit der Tochter eines Chemnitzer Webwarenfabrikanten, Fanny Matthes. Von April bis Oktober 1866 immatrikulierte er sich für Mathematik und Philosophie in Heidelberg, wo er 1868 mit einer juristischen Dissertation promovierte. Im Oktober desselben Jahrs trat er auf Wunsch des Vaters als Prokurist in dessen Firma in Chemnitz ein. Geschieden von seiner ersten Frau heiratete V. 1870 die Tochter des Heidelberger Verlagbuchhändlers Adolph Emmerling. 1876 bis 1887 leitete er zusammen mit seinem Bruder Hermann das väterliche Unternehmen, das ihnen nun gemeinsam gehörte. Danach überließ V. seinem Bruder die Leitung der Firma, übersiedelte nach Dresden und engagierte sich für die Politik der Nationalliberalen. Der spätere Kammerpräsident V. und sein Bruder gehörten beide zu den 114 Personen im Königreich Sachsen, deren Vermögen 1912 auf über fünf Millionen Mark veranschlagt wurde. Der reiche Rentier wurde 1890 zum Vorsitzenden des Nationalliberalen Reichsvereins gewählt. Seit 1894 gehörte V. dem Dresdner Stadtverordnetenkollegium an, im welchem er 1894 bis 1898 und 1906 bis 1919 Mitglied und seit 1909 erster Vizevorsteher war. In die Zweite Kammer des Sächsischen Landesparlaments kam er erst bei dem Landtag 1901/02 und war 1903 bis 1908 zweiter Vorsitzender der nationalliberalen Landtagsfraktion. Ab 1909 war er stellvertretender Vorsitzender der Nationalliberalen Partei Deutschlands in Berlin. Nachdem er schon vorher in mehreren Interessenvertretungen der Industrie aktiv geworden war, nahm er 1905 Platz im Direktorium des Centralverbands der Deutschen Industriellen. Im Landtag befürwortete V. die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts, das dann 1909 durch ein Pluralwahlrecht ersetzt wurde. Das neue Wahlverfahren brach die Vormachtstellung der Konservativen im sächsischen Unterhaus zugunsten der Nationalliberalen. In der Konsequenz wählte die Zweite Kammer statt des konservativen Paul Mehnert nun V. zu ihrem Präsidenten. Dieses Amt behielt er bis zur letzten Sitzung der Zweiten Kammer am 6.11.1918. Seit 1909 war er Mitglied im Landtagsausschuss zur Verwaltung der Staatsschulden. Als Kammerpräsident nahm er an der Einweihung des Leipziger Völkerschlachtdenkmals teil, reiste mit einer Delegation von Landtagsabgeordneten im Juni 1918 zur Frontinspektion nach Frankreich und empfing Delegationen aus Vertretungskörperschaften verbündeter Länder, wie der bulgarischen Sobranje oder des türkischen Parlaments. Die Tätigkeit des sächsischen Zweikammerparlaments endete 1918 für die Landtagsmitglieder unverhofft, als der Dresdner Arbeiter- und Soldatenrat das Dresdner Ständehaus besetzen ließ. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs gab V. seine kommunal- und landespolitischen Ämter ab. Im Dezember 1918 trug der 73-Jährige - er war zusammen mit Gustav Stresemann Gründungsmitglied der Deutschen Volkspartei (DVP) - allerdings noch wesentlich dazu bei, dass sich das liberale Lager nicht in einer einzigen Partei zusammenfand, sondern dass sich die Nationalliberalen in der DVP und in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) neu formierten. Obwohl V. weiterhin am politischen Erfolg seiner Partei interessiert blieb, wandte sich der Hochbetagte während der Inflation Anfang der 1920er-Jahre noch einmal dem Geschäftsleben zu. Beim Parteitag, den die DVP 1926 in Hannover abhielt, nahm er noch Ehrungen entgegen.

Werke Der Begriff des gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäftes nach §138 Abs. 1 BGB, Diss. Leipzig 1906; Erinnerungen aus meiner öffentlichen Tätigkeit in Dresden, in: Dresdner Kalender 1925, S. 208-215.

Literatur Bildnis R. Martin, in: Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre im Königreich Sachsen, Berlin 1912, S. 2, 14, 238-242, 294; V., in: H. Kalkoff (Hg.), Nationalliberale Parlamentarier 1867-1917 des Reichstages und der Einzellandtage, Berlin 1917, S. 366; V., in: Afranisches Ecce 35/1930, S. 9-13; Geheimer Rat Dr. V. †, in: Dresdner Nachrichten 16.2.1930, S. 3; J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 79f. – DBA II; E. Döscher/W. Schröder, Sächsische Parlamentarier 1869-1918, Düsseldorf 2001, S. 484f. (P).

Porträt Bildnis des Landtagspräsidenten Paul Wilhelm Vogel, Robert Sterl, 1925, Öl auf Leinwand, 92 x 79 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum | GNM, Gal.-Nr. 3274 © Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut (Bildquelle).

Josef Matzerath
25.3.2009


Empfohlene Zitierweise:
Josef Matzerath, Artikel: Paul Vogel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16595 [Zugriff 28.3.2024].

Paul Vogel



Werke Der Begriff des gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäftes nach §138 Abs. 1 BGB, Diss. Leipzig 1906; Erinnerungen aus meiner öffentlichen Tätigkeit in Dresden, in: Dresdner Kalender 1925, S. 208-215.

Literatur Bildnis R. Martin, in: Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre im Königreich Sachsen, Berlin 1912, S. 2, 14, 238-242, 294; V., in: H. Kalkoff (Hg.), Nationalliberale Parlamentarier 1867-1917 des Reichstages und der Einzellandtage, Berlin 1917, S. 366; V., in: Afranisches Ecce 35/1930, S. 9-13; Geheimer Rat Dr. V. †, in: Dresdner Nachrichten 16.2.1930, S. 3; J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 79f. – DBA II; E. Döscher/W. Schröder, Sächsische Parlamentarier 1869-1918, Düsseldorf 2001, S. 484f. (P).

Porträt Bildnis des Landtagspräsidenten Paul Wilhelm Vogel, Robert Sterl, 1925, Öl auf Leinwand, 92 x 79 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum | GNM, Gal.-Nr. 3274 © Albertinum | GNM, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut (Bildquelle).

Josef Matzerath
25.3.2009


Empfohlene Zitierweise:
Josef Matzerath, Artikel: Paul Vogel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16595 [Zugriff 28.3.2024].