Lesser Ephraim
Lesser Ephraim wirkte als erfolgreicher Unternehmer in Görlitz. – Geboren und aufgewachsen in einer wohlhabenden jüdischen Familie in
Posen (poln. Poznań) kam Ephraim 1852 nach Görlitz und gründete die Ephraim Eisenhandelsgesellschaft, ein Handelsunternehmen für verschiedene Eisenwaren. Die Familie Ephraim war damit eine der ersten Familien, die nach der Aufhebung des Verbots jüdischer Besiedlung 1847 in die Stadt zog. – Ephraims Eisenhandelgesellschaft entwickelte sich durch die Verbindung mit dem Eisenbahnbau im Deutschen Kaiserreich zu einem erfolgreichen Unternehmen. So wurden u.a. der Eisenbahn-, Schiffs- und Brückenbau sowie die Sächsische und Preußische Staatsbahn beliefert. Auch die Schienen für die Strecke Berlin-Görlitz-Zittau stammten von der Eisenhandlung Ephraims, ebenso Baueisen und Eisenkonstruktionen für bekannte Görlitzer Neubauten vor 1914 (z.B. das Krankenhaus, die Neue Kaserne, die Oberlausitzer Ruhmeshalle, die Aktienbrauerei, das Rathaus oder das Stadttheater). Aufgrund der gut laufenden Geschäfte war es dem Ehepaar Ephraim, das zunächst auf der Neißstraße 25 wohnte, möglich, 1860 ein größeres Grundstück in der Jakobstraße 5 im Görlitzer Zentrum für Wohnung und Kontor zu erwerben. Das Haus in der Jakobstraße mit dem goldenen Portal kann noch heute besichtigt werden. An dieses Anwesen erinnert zudem eine Bleiverglasung in der Jugendstilvilla Goethestraße 17, die Ephraims Sohn
Martin im Görlitzer Stadtteil Süd errichten ließ. 1869 gehörte Ephraim u.a. gemeinsam mit Johann Christoph Lüders und dem ehemaligen Direktor der Sächsischen Staatsbahnen Max Maria von Weber zum Gründungskomitee der Aktiengesellschaft Lüders zur Fabrikation von Eisenbahnmaterial, ein Unternehmen, das sich zum größten Industriebetrieb der Stadt entwickelte und in dessen Tradition der bis in die Gegenwart existierende Waggonbau in Görlitz steht. Für seine Leistungen wurde Ephraim 1875 durch Kaiser Wilhelm I. geehrt und zum Kommerzienrat der Stadt Görlitz ernannt. Ab 1883 teilte sich Ephraim die Geschäftsleitung mit seinem Sohn Martin, der ab 1891 alleiniger Inhaber des Eisenhandelunternehmens wurde. – Sowohl Ephraim als auch seine Ehefrau Henriette, die er 1851 geheiratet hatte, gehörten zu den ersten Mitgliedern der 1850 gegründeten jüdischen Gemeinde in Görlitz. Während Ephraim Mitglied im ersten Vorstand der jüdischen Gemeinde wurde, gehörte seine Ehefrau zu den Gründungsmitgliedern der jüdischen Frauenorganisation, die später den Namen Jüdischer Frauenhilfsverein erhielt. Gemeinsam trat das Ehepaar Ephraim für wohltätige Zwecke ein: Sie spendeten der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz (heute Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz) eine bedeutende Sammlung von Weichtieren, die sie 1873 aus dem Nachlass des Juristen Carl Edmund Lepsius erworben hatten. Diese ergänzten andere Gegenstände, die das Paar zuvor gestiftet hatte, z.B. einen Albatros, einen Flamingo und eine seltene Elster, die laut dem Museumsjournal 1865 übergeben wurden. Für seine Verdienste wurde Ephraim 1883 zum Ehrenmitglied der Naturforschenden Gesellschaft ernannt. Zudem spendete das Ehepaar auch für eine Reihe von Unternehmungen der jüdischen Gemeinde sowie für Organisationen, die sich für das Gemeinwohl in der Stadt Görlitz einsetzten und gründeten hierfür die sog. Ephraimʼsche Stiftung. Doch nicht nur für die Görlitzer Stadtgesellschaft setzte Ephraim sich ein: Er spendete auch eine größere Summe für den Bau des 1860 eingeweihten Denkmals für Carl Maria von Weber in Dresden. – Ephraim starb im April 1900 nach längerem Leiden. Er wurde - wie später auch seine Ehefrau - auf dem Jüdischen Friedhof an der Biesnitzer Straße in Görlitz beigesetzt. Ephraim hatte bestimmt, dass aus seinem Nachlass 10.000 Mark dem geplanten Bau einer Synagoge in Görlitz zugutekommen sollten, die 1911 eingeweiht werden konnte. Sein Sohn Martin - ebenso wie sein Vater ein erfolgreicher Unternehmer und Mäzen - wurde 1944 in
Theresienstadt (tschech. Terezín) ermordet.
Quellen Siegfried Freund, Zur silbernen Hochzeits-Feier des Herrn Kommerzienrat Lesser Ephraim und Frau Henriette geb. Philippson, Görlitz 1876; ders., Rede am Sarge des Königl. Kommerzienrats Herrn Lesser Ephraim in Görlitz, Görlitz 1900; Chronik und Personenstandsregister der Synagogen-Gemeinde Görlitz 1864-1932, hrsg. von der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit in Görlitz, 2008.
Literatur Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 2, Leipzig 1864, S. 721; National-Zeitung 6.2.1869, S. 10; Protokoll der Haupt-Versammlung vom 28. December 1883, in: Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz 19/1887, S. 137; Roland Otto, Im Zentrum der Oberlausitzer Juden - Görlitz, in: Erhard Hartstock u.a. (Hg.), Juden in der Oberlausitz, Bautzen 2008, S. 104-133.
Lauren Leiderman/Henrik Schwanitz
7.8.2025
Empfohlene Zitierweise:
Lauren Leiderman/Henrik Schwanitz, Artikel: Lesser Ephraim,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29459 [Zugriff 22.8.2025].
Lesser Ephraim
Quellen Siegfried Freund, Zur silbernen Hochzeits-Feier des Herrn Kommerzienrat Lesser Ephraim und Frau Henriette geb. Philippson, Görlitz 1876; ders., Rede am Sarge des Königl. Kommerzienrats Herrn Lesser Ephraim in Görlitz, Görlitz 1900; Chronik und Personenstandsregister der Synagogen-Gemeinde Görlitz 1864-1932, hrsg. von der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit in Görlitz, 2008.
Literatur Max Maria von Weber, Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 2, Leipzig 1864, S. 721; National-Zeitung 6.2.1869, S. 10; Protokoll der Haupt-Versammlung vom 28. December 1883, in: Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz 19/1887, S. 137; Roland Otto, Im Zentrum der Oberlausitzer Juden - Görlitz, in: Erhard Hartstock u.a. (Hg.), Juden in der Oberlausitz, Bautzen 2008, S. 104-133.
Lauren Leiderman/Henrik Schwanitz
7.8.2025
Empfohlene Zitierweise:
Lauren Leiderman/Henrik Schwanitz, Artikel: Lesser Ephraim,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29459 [Zugriff 22.8.2025].