Johann Christian Schöttgen

S. gehörte zu den Gelehrten, die im 18. Jahrhundert die Grundlagen für eine wissenschaftliche Landesgeschichtsschreibung in Sachsen legten. Der „Vater der sächsischen Landesgeschichte“ (J. C. Adelung) bewegte sich, ganz in der Tradition barocker polyhistorischer Gelehrsamkeit stehend, auch in anderen Wissenschaftsbereichen. Doch sind seine Publikationen zur christlichen und jüdischen Theologie, zu philologischen Themen, zum Schulwesen oder auch zur Geschichte des Buchdrucks und Buchhandels gegenüber seinen historischen Arbeiten aus heutiger Sicht von fast untergeordneter Bedeutung. – S. erhielt 1702 die vom Rat der Stadt Wurzen zu vergebende Freistelle an der Landesschule Schulpforte. Mit einem Stipendium seiner Heimatstadt nahm er 1707 ein Studium an der Leipziger Universität auf (Theologie, orientalische Sprachen, Geschichte und Philosophie). Seinen Weg als Historiker dürfte Johann Burkhard Mencke maßgeblich beeinflusst haben, der, seit 1699 Professor für Geschichte an der dortigen Universität, z.T. noch späthumanistische Geschichtsauffassungen vertrat, diese aber mit modernen Methoden, insbesondere hinsichtlich quellenkundlicher Arbeit, zu verbinden suchte. Schon während seines Studiums, v.a. aber nach seiner Promotion 1709, war S. in Leipzig als Hauslehrer und Rezensent für die „Acta eruditorum“ und die „Deutsche Acta eruditorum“ tätig. Er unterstützte auch die Leipziger Verleger Thomas Fritsch und Johann Friedrich Gleditsch bei einigen Verlagsprojekten. Außerdem hatte sich S. schon als Student in der Umgebung von Dresden und Leipzig als Prediger versucht. – 1715 wurde S. zum Rektor der Stadtschule in Frankfurt/Oder berufen. 1717 erschien seine erste größere historische Arbeit, die „Historie der Chur-Sächsischen Stiffts-Stadt Wurtzen“ als typisches faktenreiches Werk barocker Historiografie. Im Juni 1719 nahm S. die Rektorenstelle der Stadtschule in Stargard/Pommern an und übernahm zugleich die Leitung des dortigen „Gröningschen Collegiums“, einer Privatschule. In Stargard gab S. 1721 bis 1727 eine der ersten landesgeschichtlichen Zeitschriften Deutschlands heraus: „Altes und neues Pommerland oder gesammelte Nachrichten von verschiedenen zur pommerschen Historie gehörigen Stücken“. Seine voraufklärerische, ganz an der Jurisprudenz orientierte Geschichtsauffassung wird deutlich, wenn er im Vorwort der Zeitschrift u.a. schreibt, der Nutzen der Historie sei „sonderlich“ für Prozesse in „Lehenssachen“ evident. Am 30.9.1723 wurde S. als auswärtiges Mitglied in die „Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften“ aufgenommen. Sein von Zeitgenossen bezeugter umfangreicher Briefwechsel mit namhaften Gelehrten, v.a. der Sozietät, ist verschollen. – Der bedeutendste und letzte Lebensabschnitt S.s begann am 8.1.1728 mit der Übernahme des Amts als Rektor der Dresdner Kreuzschule. Neben seinen umfangreichen Amtspflichten, u.a. oblag dem Rektor dieser Schule im Rahmen der sächsischen Zensurbehörde die Bücherzensur im Kurfürstentum, veröffentlichte er zahlreiche philologische und theologische Arbeiten. Im Vordergrund stand jedoch die Beschäftigung mit historischen Themen. Zusammen mit dem Bibliografen und Historiker Georg Christoph Kreysig begann er, systematisch Quellen zur sächsischen Landesgeschichte zu sammeln. Beide fertigten Abschriften - zu einem großen Teil allerdings nur auszugsweise - der im Geheimen Kurfürstlichen Archiv vorgefundenen Urkunden. Außerdem lieferten befreundete Gelehrte Auszüge vorhandener Quellen anderer Archive. Ein Ergebnis der Zusammenarbeit S.s mit Kreysig war die zwölfteilige „Diplomatische und curieuse Nachlese der Historie von Ober-Sachsen und angräntzenden Ländern“ (1730-1733), eine Sammlung verschiedenster Quellen und Aufsätze. Herausragende Bedeutung in der Geschichte der Quelleneditionen zur sächsischen Geschichte nimmt das von S. allein erarbeitete „Inventarium diplomaticum historiae Saxoniae superioris“ (1747) ein, das etwa 12.000 Urkunden aus der Zeit von 500 bis 1741 in Regestenform verzeichnet. Bis zum Erscheinen der ersten Bände des „Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae“ im 19. Jahrhundert besaß dieses Werk eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Noch wichtiger, wenn auch weniger bekannt, ist die zusammen mit Kreysig zusammengestellte, stark die sächsisch-thüringische Geschichte berücksichtigende dreibändige Quellensammlung „Diplomataria et scriptores historiae Germaniae medii aevi“ (1753-1760), die einzelne bis heute sonst nirgends enthaltene Quellen verzeichnet. Erlangte S. v.a. durch seine quellenkundlichen Arbeiten Bekanntheit, so befasste er sich auch mit Darstellungen zur sächsischen Geschichte. Neben der genannten Stadtgeschichte Wurzens erschien u.a. 1745 seine „Geschichte des Durchlauchtigsten Fürsten, Herrn Conrads des Großen“. Einige Werke sind nie gedruckt worden: so die „Geschichte des Markgrafen Ottos des Reichen“, die „Geschichte der Meißner Bischöfe“ und die „Pragmatische Geschichte Sachsens“. Diese Manuskripte befinden sich im Handschriftenbestand der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. Seinen größten Wunsch, die Erarbeitung einer Edition der Chronik Thietmars von Merseburg nach dem Exemplar der Kurfürstlichen Bibliothek, konnte S. nicht verwirklichen.

Werke Historie der Chur-Sächsischen Stiffts-Stadt Wurtzen, Leipzig 1717; Altes und neues Pommerland, Stargard 1721-1727; mit G. C. Kreysig, Diplomatische und curieuse Nachlese der Historie von Ober-Sachsen und angräntzenden Ländern, Dresden/Leipzig 1730-1733; Horae Hebraicae et Talmudicae in universum Novum Testamentum, 2 Bde., Dresden/Leipzig 1733-1742; Historiam burggraviorvm donensivm exponit, 5 Bde., Dresden 1744-1746; Geschichte des Durchlauchtigsten Fürsten, Herrn Conrads des Großen, Dresden, Leipzig 1745; Inventarium diplomaticum historiae Saxoniae superioris, Halle/Magdeburg 1747; Historie des berühmten Helden Graf Wiprechts zu Groitzsch, Regensburg 1749; mit G. C. Kreysig, Diplomataria et scriptores historiae Germanicae medii aevi, 3 Bde., Altenburg 1753-1760; L. Spohn (Hg.), Novum Lexicon Graeco-Latinum in Novum Testamentum D. N. I. C., Leipzig 1765, 21790.

Literatur K. Gautsch, Der sächsische Geschichtsschreiber und Rector an der Kreuzschule zu Dresden M. Johann Christian S., in: Archiv für die Sächsische Geschichte NF 4/1878, S. 338-351; G. Beutel, Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten, Dresden 1908 (Bildquelle); R. Eigenwill, Johann Christian S. - ein bedeutender sächsischer Historiker, in: Jahrbuch zur Geschichte Dresdens 1987, S. 68-71. – ADB 32, S. 412-417; DBA I, II, III; DBE 9, S. 103; Sächsische Lebensbilder 6, Stuttgart 2009, S. 697-705.

Porträt J. J. Haid, Kupferstich, in: P. Mortzfeld (Bearb.), Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1500-1850, Reihe A, Bd. 22, München/London/New York/Paris 1993, A 19518.

Reinhardt Eigenwill
27.6.2005


Empfohlene Zitierweise:
Reinhardt Eigenwill, Artikel: Johann Christian Schöttgen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3576 [Zugriff 22.12.2024].

Johann Christian Schöttgen



Werke Historie der Chur-Sächsischen Stiffts-Stadt Wurtzen, Leipzig 1717; Altes und neues Pommerland, Stargard 1721-1727; mit G. C. Kreysig, Diplomatische und curieuse Nachlese der Historie von Ober-Sachsen und angräntzenden Ländern, Dresden/Leipzig 1730-1733; Horae Hebraicae et Talmudicae in universum Novum Testamentum, 2 Bde., Dresden/Leipzig 1733-1742; Historiam burggraviorvm donensivm exponit, 5 Bde., Dresden 1744-1746; Geschichte des Durchlauchtigsten Fürsten, Herrn Conrads des Großen, Dresden, Leipzig 1745; Inventarium diplomaticum historiae Saxoniae superioris, Halle/Magdeburg 1747; Historie des berühmten Helden Graf Wiprechts zu Groitzsch, Regensburg 1749; mit G. C. Kreysig, Diplomataria et scriptores historiae Germanicae medii aevi, 3 Bde., Altenburg 1753-1760; L. Spohn (Hg.), Novum Lexicon Graeco-Latinum in Novum Testamentum D. N. I. C., Leipzig 1765, 21790.

Literatur K. Gautsch, Der sächsische Geschichtsschreiber und Rector an der Kreuzschule zu Dresden M. Johann Christian S., in: Archiv für die Sächsische Geschichte NF 4/1878, S. 338-351; G. Beutel, Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten, Dresden 1908 (Bildquelle); R. Eigenwill, Johann Christian S. - ein bedeutender sächsischer Historiker, in: Jahrbuch zur Geschichte Dresdens 1987, S. 68-71. – ADB 32, S. 412-417; DBA I, II, III; DBE 9, S. 103; Sächsische Lebensbilder 6, Stuttgart 2009, S. 697-705.

Porträt J. J. Haid, Kupferstich, in: P. Mortzfeld (Bearb.), Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1500-1850, Reihe A, Bd. 22, München/London/New York/Paris 1993, A 19518.

Reinhardt Eigenwill
27.6.2005


Empfohlene Zitierweise:
Reinhardt Eigenwill, Artikel: Johann Christian Schöttgen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3576 [Zugriff 22.12.2024].