Jakob Andreä
Dem aus einfachen Verhältnissen stammenden A. wurde der Besuch des Stuttgarter Pädagogiums und seit 1541 der Tübinger Universität durch landesherrliche Stipendien ermöglicht. 1543 erlangte A. den Bakkalarsgrad, also den untersten akademischen Grad, und 1545 die Magisterwürde an der Artistenfakultät. Danach studierte er an der Theologischen Fakultät weiter. A. verließ 1546 die Tübinger Universität, vorerst ohne höheren Abschluss. Nach Tätigkeiten als Diakon in Stuttgart und während der Zeit des Augsburger Interims als sog. „Katechist“ in Tübingen erhielt A. 1553 eine Anstellung als Superintendent in Göppingen und wurde kurze Zeit später zum Generalsuperintendenten berufen. Hierfür war es nötig, dass er die theologische Doktorwürde erlangte, die ihm noch im selben Jahr von der Tübinger Theologischen Fakultät verliehen wurde. Bereits vor seiner Wirksamkeit in Kursachsen wurde A. immer wieder in andere Territorien wie nach Baden-Durlach, Wiesensteig, Hagenau oder Braunschweig gesandt, um dort das Kirchenwesen neu zu organisieren und das Modell der württembergischen Landeskirche einzuführen. Darüber hinaus war er als Hofprediger und enger Berater seiner Landesherren, der Herzöge
Christoph und
Ludwig von Württemberg, tätig und vertrat deren Interessen auf Religionsgesprächen und Reichs- bzw. Fürstentagen, so z.B. 1557 in Worms. Besondere Verdienste erwarb er sich bei seinem Wirken für die lutherische Konkordie. Spätestens seit 1568 betrieb A. energisch und zielstrebig die Einigung der Lutheraner, seine Bemühungen endeten 1580 mit der Erstellung des Konkordienbuchs. Auch als Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Tübingen durchlief A. eine schnelle Karriere. So erhielt er 1562 neben einer theologischen Professur und dem Amt des Propsts an der Stiftskirche auch das Kanzleramt, welches er bis zu seinem Tod innehatte. – Im Frühjahr 1576 wurde A. nach Kursachsen berufen, vorerst mit der Aufgabe, den Anschluss des Territoriums an das Konkordienwerk vorzubereiten. Der sächsische Kurfürst August strebte jedoch nach den Ereignissen um den Sturz des Philippismus 1574 darüber hinaus eine konsequente Neuordnung seines Landes in streng lutherischem Sinn an. Damit erweiterte sich schon bald A.s Wirkungskreis. Am 23.10.1576 wurde er offiziell in einer Bestallungsurkunde durch Kurfürst August mit der Reform der Kirchen, Schulen und Universitäten Kursachsens betraut. A. erhielt die Oberaufsicht über die 1576/77 und 1579 durchgeführten Visitationen der sächsisch-albertinischen Institutionen und war in den folgenden Jahren federführend mit der Erarbeitung der kursächsischen Kirchen- und Universitätsordnung betraut, die im Januar 1580 erschien. A., der die volle Unterstützung Kurfürst Augusts besaß, vertrat bei seinen Handlungen stets die landesherrlichen Interessen, die auf eine vermehrte Einflussnahme an den Landeseinrichtungen, insbesondere an den Universitäten, ausgerichtet waren. Besonders deutlich wurde dies an den beiden Universitäten Leipzig und Wittenberg durch die Wiederbelebung bzw. Einrichtung von Institutionen wie dem Kanzleramt oder den „immerwährenden Kommissaren“. Dementsprechend standen die landesherrlichen Bediensteten, die kirchlichen Amtsträger, die kurfürstlichen Räte oder die Universitätsprofessoren A. mehrheitlich ablehnend gegenüber und beriefen sich dabei auf die eigene kursächsische Tradition. Im Verlauf der Jahre 1579/80 wurde die bis dahin starke Position A.s in Kursachsen zunehmend erschüttert. Letztendlich erfolgte nach dem Erscheinen der Kirchen- und Universitätsordnung sowie des Konkordienbuchs seine Entlassung aus kursächsischen Diensten. – Insgesamt gesehen war das Wirken des orthodoxen Lutheraners A. in Kursachsen für die Neuordnung der Kirchen und Universitäten im Zuge der lutherischen Konfessionalisierung äußerst nachhaltig und prägend. Die Verdienste A.s sind v.a. in seiner jahrzehntelangen reformerischen Tätigkeit in verschiedenen Territorien zu sehen, von denen Kursachsen das größte und in sich geschlossenste Gebiet mit eigener reformatorischer Tradition war. Bedeutung erlangte A. zudem als Prediger. Darüber hinaus verfasste er eine Autobiografie. Eine erste Würdigung A.s nahm bereits sein Enkel
Johann Valentin Andreä vor, welcher in der „Fama Andreana reflorescens“ wichtige Schriften und Lebensdaten seines Großvaters zusammentrug.
Quellen L. Osiander, Ein Predig/ Bey der Leych/ des Ehrwuerdigen un[d] Hochgelehrten Herrn/ Jacobi Andreae ..., Tübingen 1590; Fama Andreana reflorescens ... Joh. Valentino Andreae Nepote, Straßburg 1630 (P); Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Oberkonsistorium.
Werke Leben des Jakob A. Doktor der Theologie, von ihm selbst mit großer Treue und Aufrichtigkeit beschrieben, bis auf das Jahr 1562. Lateinisch und deutsch, hrsg. von H. Ehmer, Stuttgart 1991; Oratio de instauratione studii theologici, in academia Witebergensi ..., Leipzig 1577; Fuenff Predigen: Von dem Wercke der Concordien ..., Dresden 1580.
Literatur T. Pressel, Die fünf Jahre des Dr. Jakob A. in Chursachsen, in: Jahrbücher für Deutsche Theologie 22/1877, S. 1-64; F. Ludwig, Die Entstehung der kursächsischen Schulordnung von 1580, Berlin 1907; H. Gürsching, Jakob A. und seine Zeit, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 54/1954, S. 123-156; R. Müller-Streisand, Theologie und Kirchenpolitik bei Jakob A. bis zum Jahr 1568, in: ebd. 60/61/1960/61, S. 224-395; S. Raeder, Die Türkenpredigten des Jakob A., in: M. Brecht (Hg.), Theologen und Theologie an der Universität Tübingen, Tübingen 1977, S. 96-122; J. Ebel, Jacob A. (1528-1590) als Verfasser der Konkordienformel, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 89/1978, S. 78-119; S. Hermle, Reformation und Gegenreformation in der Herrschaft Wiesensteig, Stuttgart 1996; M. Rudersdorf, Tübingen als Modell? Die Bedeutung Württembergs für die Vorgeschichte der kursächsischen Universitätsreform von 1580, in: A. Kohnle/F. Engehausen (Hg.), Zwischen Wissenschaft und Politik, Stuttgart 2001, S. 67-85; H.-P. Hasse, Bildungspolitik im 16. Jahrhundert: Kurfürst August und die Universität Wittenberg, in: Wittenberg als Bildungszentrum, hrsg. vom Evangelischen Predigerseminar, Wittenberg 2002, S. 127-156 (P). – ADB 1, S. 436-441; DBA I, II, III; DBE 1, S. 129; NDB 1, S. 277; G. Krause (Hg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 2, Berlin/New York 1978, S. 672-680.
Porträt Iakobus Andraee, Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Ulrike Ludwig
23.9.2005
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Ludwig, Artikel: Jakob Andreä,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/179 [Zugriff 23.11.2024].
Jakob Andreä
Quellen L. Osiander, Ein Predig/ Bey der Leych/ des Ehrwuerdigen un[d] Hochgelehrten Herrn/ Jacobi Andreae ..., Tübingen 1590; Fama Andreana reflorescens ... Joh. Valentino Andreae Nepote, Straßburg 1630 (P); Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Oberkonsistorium.
Werke Leben des Jakob A. Doktor der Theologie, von ihm selbst mit großer Treue und Aufrichtigkeit beschrieben, bis auf das Jahr 1562. Lateinisch und deutsch, hrsg. von H. Ehmer, Stuttgart 1991; Oratio de instauratione studii theologici, in academia Witebergensi ..., Leipzig 1577; Fuenff Predigen: Von dem Wercke der Concordien ..., Dresden 1580.
Literatur T. Pressel, Die fünf Jahre des Dr. Jakob A. in Chursachsen, in: Jahrbücher für Deutsche Theologie 22/1877, S. 1-64; F. Ludwig, Die Entstehung der kursächsischen Schulordnung von 1580, Berlin 1907; H. Gürsching, Jakob A. und seine Zeit, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 54/1954, S. 123-156; R. Müller-Streisand, Theologie und Kirchenpolitik bei Jakob A. bis zum Jahr 1568, in: ebd. 60/61/1960/61, S. 224-395; S. Raeder, Die Türkenpredigten des Jakob A., in: M. Brecht (Hg.), Theologen und Theologie an der Universität Tübingen, Tübingen 1977, S. 96-122; J. Ebel, Jacob A. (1528-1590) als Verfasser der Konkordienformel, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 89/1978, S. 78-119; S. Hermle, Reformation und Gegenreformation in der Herrschaft Wiesensteig, Stuttgart 1996; M. Rudersdorf, Tübingen als Modell? Die Bedeutung Württembergs für die Vorgeschichte der kursächsischen Universitätsreform von 1580, in: A. Kohnle/F. Engehausen (Hg.), Zwischen Wissenschaft und Politik, Stuttgart 2001, S. 67-85; H.-P. Hasse, Bildungspolitik im 16. Jahrhundert: Kurfürst August und die Universität Wittenberg, in: Wittenberg als Bildungszentrum, hrsg. vom Evangelischen Predigerseminar, Wittenberg 2002, S. 127-156 (P). – ADB 1, S. 436-441; DBA I, II, III; DBE 1, S. 129; NDB 1, S. 277; G. Krause (Hg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 2, Berlin/New York 1978, S. 672-680.
Porträt Iakobus Andraee, Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Ulrike Ludwig
23.9.2005
Empfohlene Zitierweise:
Ulrike Ludwig, Artikel: Jakob Andreä,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/179 [Zugriff 23.11.2024].