Ilse Schunke

S. studierte 1912 bis 1914 an den Universitäten Freiburg/Breisgau, Kiel und Leipzig Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik. Darüber hinaus besuchte sie auch naturwissenschaftliche, geografische, nationalökonomische und theologische Vorlesungen. Mit einer einjährigen Unterbrechung am Hauptstaatsarchiv in Dresden 1916 setzte sie in München ihr Studium fort und wurde 1920 mit einer Arbeit über den sächsischen Kurfürsten Christian I. promoviert. Anschließend trat sie ein Volontariat an der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden (SLB) an, das sie 1923 mit der bibliothekarischen Fachprüfung abschloss, um für sechs weitere Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft an der Landesbibliothek zu arbeiten. Hier wandte sie sich, unter dem Einfluss des Inkunabelforschers Konrad Haebler und gefördert durch den Direktor der Landesbibliothek Martin Bollert, der Einbandforschung zu. Sie unterstützte Haebler bei der Anfertigung seines grundlegenden Werks über die Rollen- und Plattenstempel des 16. Jahrhunderts und wurde mit dem Aufbau und der Verwaltung der Sondersammlungen „Kurfürstenbibliothek“ und „Jakob-Krause-Bände“ betraut. Besonders ihre Forschungen über den kursächsischen Hofbuchbinder Jakob Krause verschafften ihr große Anerkennung. 1929 verließ S. die gering bezahlte Hilfskraftstelle an der SLB und wechselte als stellvertretende Direktorin an die Staatsbibliothek Bremen, wo ihr 1937 wegen ihres Eintretens für jüdische Bibliotheksbenutzer gekündigt wurde. Daraufhin kehrte sie wieder nach Dresden zurück. Hier beteiligte sie sich 1945 an den Bergungsarbeiten der SLB, lehnte aber einen erneuten Eintritt in den Bibliotheksdienst aufgrund ihres Gesundheitszustands ab. Es folgte eine Zeit freiberuflicher Forschungstätigkeit, die S. 1958 zur wissenschaftlichen Erschließung der Bibliotheca Palatina, einer der größten europäischen Büchersammlungen des 17. Jahrhunderts, an die Vatikanische Bibliothek in Rom führte. Mit ihrem 1962 publizierten, zweibändigen Werk über die Einbände der Bibliotheca Palatina befand sich S. auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Ihr umfangreiches Wissen gab sie ab 1965 in Kursen für historische Einbandkunde in Berlin, Gotha und Dresden weiter und arbeitete außerdem bis 1978 an der Erschließung der Handschrifteneinbände der Deutschen Staatsbibliothek Berlin. Es gelang ihr jedoch nicht mehr, ihr letztes großes Projekt abzuschließen: die Ordnung, Bestimmung und Beschreibung der vom Bibliothekar Paul Schwenke angelegten Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen. – S. war sehr produktiv, was sich in rund 130 einbandkundlichen Studien und einer regen Vortragstätigkeit auf Kongressen in Stockholm, Prag, Wien, Zürich (Schweiz) und Venedig (Italien) widerspiegelt. Ihre Forschungen zu den Einbänden der Renaissance und der Spätgotik, aber auch zu anderen Epochen, verschafften ihr internationales Ansehen. Ein weiteres Verdienst von S. bestand darin, die stilkritische Methode in die Einbandforschung eingeführt zu haben.

Quellen Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftenabteilung; Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Staatsbibliothek Berlin, Sammlung S.

Werke Beiträge zur Politik des Kurfürsten Christian I. v. Sachsen 1586-1591, Diss. München 1920; mit K. Haebler, Rollen- und Plattenstempel des 16. Jahrhunderts, 2 Bde., Leipzig 1928/29; Beiträge zum Rollen- und Platteneinband im 16. Jahrhundert, Leipzig 1937; Leben und Werk Jakob Krauses, Leipzig 1943; Studien zum Bilderschmuck der deutschen Renaissance-Einbände, Wiesbaden 1959; Die Einbände der Palatina in der Vatikanischen Bibliothek, 2 Bde., Città del Vaticano 1962; Einführung in die Einbandbestimmung, München 1974; Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen, 2 Bde., Berlin 1979/96.

Literatur H. Kunze, Ilse S. 70 Jahre, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 76/1962, S. 545-548; H. Deckert, Ilse S. und ihre Dresdner Wirksamkeit, in: ebd. 81/1967, S. 738-744; U. Altmann/H.-E. Teitge (Hg.), Einbandstudien, Berlin 1972 (P); H. Kunze, Der Einbandforscherin Dr. Ilse S. zum 80. Geburtstag, in: Marginalien 48/1972, S. 3-10; H. Lülfing, Ilse S. zum 80. Geburtstag, in: Gutenberg-Jahrbuch 48/1973, S. 461-463; H. Döhn, Dr. Ilse S., in: Mitteilungen aus dem Wissenschaftlichen Bibliothekswesen der Deutschen Demokratischen Republik 17/1979, S. 18-20; F.-A. Schmidt-Künsemüller, Ilse S. in memoriam, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 26/1979, S. 249f.; H. Deckert, Nachruf für Dr. Ilse S., in: Sächsische Landesbibliothek 17/1979, S. 51-53; H. Kunze, Nachruf für Ilse S., in: Marginalien 75/1979, S. 65-68; K.-H. Staub, Ilse S. in memoriam, in: Gutenberg-Jahrbuch 55/1980, S. 367-369 (Bildquelle, P); H. J. Fritzsche, 1. Todestag der DDR-Einbandforscherin und Bibliothekarin Ilse S., in: Bibliographische Kalenderblätter der Berliner Stadtbibliothek 22/1980, S. 1-7 (P). – DBA II, III; A. Habermann, Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925-1980, Frankfurt/Main 1985, S. 322f.; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 205f.

Nicole Völtz
7.5.2009


Empfohlene Zitierweise:
Nicole Völtz, Artikel: Ilse Schunke,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18144 [Zugriff 20.4.2024].

Ilse Schunke



Quellen Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftenabteilung; Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Staatsbibliothek Berlin, Sammlung S.

Werke Beiträge zur Politik des Kurfürsten Christian I. v. Sachsen 1586-1591, Diss. München 1920; mit K. Haebler, Rollen- und Plattenstempel des 16. Jahrhunderts, 2 Bde., Leipzig 1928/29; Beiträge zum Rollen- und Platteneinband im 16. Jahrhundert, Leipzig 1937; Leben und Werk Jakob Krauses, Leipzig 1943; Studien zum Bilderschmuck der deutschen Renaissance-Einbände, Wiesbaden 1959; Die Einbände der Palatina in der Vatikanischen Bibliothek, 2 Bde., Città del Vaticano 1962; Einführung in die Einbandbestimmung, München 1974; Die Schwenke-Sammlung gotischer Stempel- und Einbanddurchreibungen, 2 Bde., Berlin 1979/96.

Literatur H. Kunze, Ilse S. 70 Jahre, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 76/1962, S. 545-548; H. Deckert, Ilse S. und ihre Dresdner Wirksamkeit, in: ebd. 81/1967, S. 738-744; U. Altmann/H.-E. Teitge (Hg.), Einbandstudien, Berlin 1972 (P); H. Kunze, Der Einbandforscherin Dr. Ilse S. zum 80. Geburtstag, in: Marginalien 48/1972, S. 3-10; H. Lülfing, Ilse S. zum 80. Geburtstag, in: Gutenberg-Jahrbuch 48/1973, S. 461-463; H. Döhn, Dr. Ilse S., in: Mitteilungen aus dem Wissenschaftlichen Bibliothekswesen der Deutschen Demokratischen Republik 17/1979, S. 18-20; F.-A. Schmidt-Künsemüller, Ilse S. in memoriam, in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 26/1979, S. 249f.; H. Deckert, Nachruf für Dr. Ilse S., in: Sächsische Landesbibliothek 17/1979, S. 51-53; H. Kunze, Nachruf für Ilse S., in: Marginalien 75/1979, S. 65-68; K.-H. Staub, Ilse S. in memoriam, in: Gutenberg-Jahrbuch 55/1980, S. 367-369 (Bildquelle, P); H. J. Fritzsche, 1. Todestag der DDR-Einbandforscherin und Bibliothekarin Ilse S., in: Bibliographische Kalenderblätter der Berliner Stadtbibliothek 22/1980, S. 1-7 (P). – DBA II, III; A. Habermann, Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925-1980, Frankfurt/Main 1985, S. 322f.; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 205f.

Nicole Völtz
7.5.2009


Empfohlene Zitierweise:
Nicole Völtz, Artikel: Ilse Schunke,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18144 [Zugriff 20.4.2024].