Hieronymus Dungersheim

Als langjähriger Theologieprofessor in Leipzig zählte D. zu den frühesten und konsequentesten Gegnern Martin Luthers, dessen Lehren er zeitlebens in Predigten und Schriften bekämpfte. – Seine erste Schulbildung erhielt der über bemerkenswerte Geistesgaben verfügende D. an der Lateinschule seines Heimatorts Ochsenfurt, ehe er 1479 an die Würzburger Domschule wechselte. Im Wintersemester 1483/84 begann D. ein Studium an der Artistenfakultät in Leipzig, das er fünf Jahre später mit dem Magistergrad abschloss. Danach nahm er weitere Studien an der Theologischen Fakultät auf, wurde 1494 Akolyth in Merseburg und erhielt 1495 in Würzburg die Priesterweihe. Nach einer kurzen Tätigkeit als Prediger in Chemnitz setzte der ambitionierte, vom Thomismus geprägte Theologe seine Ausbildung an der Universität Köln fort und erwarb dort 1497 das Lizenziat. Zurück in Leipzig begann D. noch im selben Jahr seine akademische Lehrtätigkeit mit einer Auslegung der Sentenzen des Petrus Lombardus. 1499 wurde er als Professor in das Consilium der Philosophischen Fakultät aufgenommen. Fehlende Versorgungsansprüche bewogen ihn offenbar 1501 eine Predigerstelle an der Marienkirche in Zwickau zu übernehmen. Die dortigen Kirchenrechnungen verzeichnen D.s Namen allerdings erst seit Anfang 1502. – In Zwickau erfuhr D. eine hohe Wertschätzung. Mit der Ernennung ihres Predigers zum Ablasskommissar noch vor 1503 verband die Stadt die Hoffnung, einen Teil der einkommenden Ablassgelder zu Baumaßnahmen an der Marienkirche verwenden zu können. Allerdings entschied sich D. nur kurze Zeit später zur Fortsetzung seiner akademischen Karriere in Italien. Er verließ Zwickau und wurde am 24.8.1504 an der Universität Siena zum Doktor der Theologie promoviert. Trotz eifrigen Werbens kehrte er nicht wieder an die Marienkirche zurück. Wohl aber nahm D. gegen die unverblümte Kritik seines Amtsnachfolgers Johannes Sylvius Egranus an der gängigen Ablasspraxis und dem populären Annenkult Stellung. – Nach seiner Italienreise wurde D. endgültig in Leipzig sesshaft und fungierte dort 1506 bis zu seinem Lebensende als Professor an der Theologischen Fakultät. Ebenfalls 1506 berief ihn Herzog Georg von Sachsen zum Kollegiaten am Großen Fürstenkolleg. 1510 bekleidete D. das Amt des Universitätsrektors, 1538 wurde er Dekan seiner Fakultät. D.s Lehrtätigkeit zielte v.a. auf die Vermittlung der scholastischen Theologie und die Befähigung angehender Geistlicher zu einer qualitätvollen Seelsorgearbeit ab. Sonderbeauftragungen machten ihn im Frühjahr 1522 zum Gehilfen des Meißner Bischofs Johann VII. von Schleinitz bei der Visitation von Herzberg, Lochau, Torgau, Schmiedeberg, Wurzen und Colditz. 1524 visitierte er außerdem das Merseburger Stiftsgebiet. Ein Jahr später wird er kurzzeitig als Prediger in Mühlhausen genannt. – D.s eigentliche Profilierung als Gegner der Reformation begann mit der Leipziger Disputation 1519, die er vergeblich zu verhindern gesucht hatte. Im Nachgang des Streitgesprächs kam es zu einem kontroversen Briefwechsel zwischen D. und Luther über den Papstprimat. Als dezidierter Verteidiger der Alten Kirche warf D. dem Reformator eine unsachgemäße Bewertung des Konzils von Nizäa und der Schriftauslegung der Kirchenväter vor. Die Debatte gilt als einer von mehreren Gründen, warum Luther 1520 seine Schrift „Von den neuen Eckischen Bullen und Lügen“ veröffentlichte. Später bemühte sich D. in seinem literarischen Schaffen, einzelne Lutherschriften zu widerlegen und für die Einheit der Kirche zu werben. Methodisch ging er dabei häufig Satz für Satz auf Luthers Texte ein und versah diese mit ausführlichen Kommentaren. Als schriftstellerisch produktivste Phase gelten die Jahre 1527 bis 1532, in der eine Vielzahl an Streitschriften D.s in kurzer Folge erschien. Dass D.s apologetisches Wirken für den katholischen Glauben ihn in eine Reihe mit Autoren wie Johannes Eck, Hieronymus Emser und Johannes Cochlaeus stellt, ist von der Forschung lange übersehen und erst durch Theobald Freudenberger überzeugend herausgearbeitet worden. – Wenige Monate vor seinem Tod erlebte D. noch die Einführung der Reformation in Leipzig. Der Verpflichtung der Universität auf die Confessio Augustana brachte er noch einmal Widerstand entgegen und akzeptierte diese für die Theologische Fakultät nur insoweit, als sie nicht die Lehren der Kirchenväter verwarf. – Von den Schriften D.s gelten einige heute als verschollen. Neben der Bewunderung seiner Gelehrsamkeit hat die zeitgenössische Historiografie D.s ausgesprochen geiziges Wesen, ausgedrückt durch die völlige Verwahrlosung seiner Leipziger Behausung, für die Nachwelt festgehalten.

Quellen D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel, 18 Bde., Weimar 1930-1983.

Werke Tractatus de modo discendi et docendi ad populum sacra. Seu de modo praedicandi, 1513; Abschlack des anschlages Martini Luthers vom brennen zu lateyn vri, Leipzig 1530; Wore widerlegung Des falschen buchleins Martini Luthers von beyder gestald des Hochwirdigsten Sacraments, Leipzig 1530; Dadelung des obgesatzten Bekentnus oder vntuchtigen Lutherischen Testaments, Leipzig 1530; Erzeigung der Falschheit des Lutherischen coments über das 7. Capitel der I. Epistel zu den Corinthern, Leipzig 1531; Von worheit des fegfeurs wyder den Luther, Leipzig 1531; An den verleuckenden Priester Alexium Crosner von Colditz, Leipzig 1532; Schriften gegen Luther, neu hrsg. von T. Freudenberger, Münster 1987.

Literatur E. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau, Bd. 2, Zwickau 1845 (ND Stuttgart 1999), S. 162; O. Kirn, Die Leipziger Theologenfakultät in fünf Jahrhunderten, 1409-1909, Bd. 1, Leipzig 1909, S. 27-40; H. Helbig, Die Reformation der Universität Leipzig im 16. Jahrhundert, Gütersloh 1953; E. Peschke, Kirche und Welt in der Theologie der Böhmischen Brüder, Berlin 1981, S. 179-184; T. Freudenberger, Hieronymus D., in: E. Iserloh (Hg.), Katholische Theologen der Reformationszeit, Bd. 2, Münster 1985, S. 38-48; ders., Hieronymus D. von Ochsenfurt am Main, 1465-1540. Theologie-Professor in Leipzig, Münster 1988; D. V. N. Bagchi, Luther‘s Earliest Opponents: Catholic Controversialists, Minneapolis 1991; H. Holze, Die Alte Kirche im Urteil Martin Luthers, in: R. Rittner (Hg.), Was heißt hier lutherisch! Aktuelle Perspektiven aus Theologie und Kirche, Hannover 22005, S. 56-86, hier S. 69; C. Spehr, Luther und das Konzil. Zur Entwicklung eines zentralen Themas in der Reformationszeit, Tübingen 2010, S. 130; E. Bünz/M. Rudersdorf/D. Döring, Geschichte der Universität Leipzig 1409-2009, Bd. 1, Leipzig 2009, S. 230-235; J. Kahleyß, Die Bürger von Zwickau und ihre Kirche, Leipzig 2013. – ADB 5, S. 473f.; DBA I, II, III; DBE 2, S. 652; BBKL 22, Sp. 284-292; LThK3, S. 401.

Michael Wetzel
28.8.2018


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Hieronymus Dungersheim,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1248 [Zugriff 19.3.2024].

Hieronymus Dungersheim



Quellen D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel, 18 Bde., Weimar 1930-1983.

Werke Tractatus de modo discendi et docendi ad populum sacra. Seu de modo praedicandi, 1513; Abschlack des anschlages Martini Luthers vom brennen zu lateyn vri, Leipzig 1530; Wore widerlegung Des falschen buchleins Martini Luthers von beyder gestald des Hochwirdigsten Sacraments, Leipzig 1530; Dadelung des obgesatzten Bekentnus oder vntuchtigen Lutherischen Testaments, Leipzig 1530; Erzeigung der Falschheit des Lutherischen coments über das 7. Capitel der I. Epistel zu den Corinthern, Leipzig 1531; Von worheit des fegfeurs wyder den Luther, Leipzig 1531; An den verleuckenden Priester Alexium Crosner von Colditz, Leipzig 1532; Schriften gegen Luther, neu hrsg. von T. Freudenberger, Münster 1987.

Literatur E. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau, Bd. 2, Zwickau 1845 (ND Stuttgart 1999), S. 162; O. Kirn, Die Leipziger Theologenfakultät in fünf Jahrhunderten, 1409-1909, Bd. 1, Leipzig 1909, S. 27-40; H. Helbig, Die Reformation der Universität Leipzig im 16. Jahrhundert, Gütersloh 1953; E. Peschke, Kirche und Welt in der Theologie der Böhmischen Brüder, Berlin 1981, S. 179-184; T. Freudenberger, Hieronymus D., in: E. Iserloh (Hg.), Katholische Theologen der Reformationszeit, Bd. 2, Münster 1985, S. 38-48; ders., Hieronymus D. von Ochsenfurt am Main, 1465-1540. Theologie-Professor in Leipzig, Münster 1988; D. V. N. Bagchi, Luther‘s Earliest Opponents: Catholic Controversialists, Minneapolis 1991; H. Holze, Die Alte Kirche im Urteil Martin Luthers, in: R. Rittner (Hg.), Was heißt hier lutherisch! Aktuelle Perspektiven aus Theologie und Kirche, Hannover 22005, S. 56-86, hier S. 69; C. Spehr, Luther und das Konzil. Zur Entwicklung eines zentralen Themas in der Reformationszeit, Tübingen 2010, S. 130; E. Bünz/M. Rudersdorf/D. Döring, Geschichte der Universität Leipzig 1409-2009, Bd. 1, Leipzig 2009, S. 230-235; J. Kahleyß, Die Bürger von Zwickau und ihre Kirche, Leipzig 2013. – ADB 5, S. 473f.; DBA I, II, III; DBE 2, S. 652; BBKL 22, Sp. 284-292; LThK3, S. 401.

Michael Wetzel
28.8.2018


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Hieronymus Dungersheim,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1248 [Zugriff 19.3.2024].