Hellmuth Ostermaier
In der Biografie von Hellmuth Ostermaier spiegelt sich ein typisches Schicksal aus der Kriegs- und Nachkriegsgeneration wider: Unmittelbar an das 1944 abgelegte Abitur folgten Kriegsteilnahme und Gefangenschaft mit Umerziehungslager in der UdSSR; dem Neuanfang mit Glauben an ein besseres Deutschland und dem Aufstieg vom Neulehrer und jungen SED-Mitglied zum Direktor des renommierten bürgerlichen Kreuzgymnasiums folgten bald Desillusionierung und Wechsel in die Bundesrepublik. Den zweiten beruflichen Anfang krönte die erfolgreiche Laufbahn bis zur Emeritierung als Studiendirektor. – Ostermaier wurde in eine bürgerlich-christliche Familie hinein geboren: Sein Großvater Josef Ostermaier war ein aus Bayern stammender Unternehmer. Kindheit und Jugend verbrachte Ostermaier in der von seinem Großvater erbauten Villa am Barteldesplatz in Dresden-Blasewitz. Er besuchte die dortige Schillerschule und legte an ihr 1944 das Abitur ab. Er wurde noch im Mai 1944 zum Kriegsdienst eingezogen und geriet in russische Gefangenschaft, aus der er im Dezember 1949 entlassen wurde. Als Neulehrer begann er am 1.1.1950 an der ehemaligen Blasewitzer Schillerschule, die seit 1949 den Namen Oberschule Dresden-Ost trug und später in Martin-Andersen-Nexö-Oberschule umbenannt wurde, zu unterrichten. Im Sommer 1952 wurde Ostermaier zum Direktor der Kreuzschule berufen. Diese Ernennung verdankte er - seinen eigenen Worten nach - neben seiner Zugehörigkeit zur SED auch seiner bürgerlichen Herkunft, die ihm die Akzeptanz seitens des Kollegiums sowie der Eltern- und Schülerschaft erleichtert habe. Seine Vorgänger waren Benjamin Satlow und für ein kurzes Intervall von 14 Tagen ein gewisser
Herr Albrecht, der die bis 1989 ununterbrochene Reihe von SED-Direktoren der Kreuzschule eröffnete. Die Berufung Ostermaiers, eines 26-jährigen SED-Mitglieds und Neulehrers, an die Spitze des renommierten Gymnasiums hatte zunächst schockartiges Kopfschütteln bei Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft zur Reaktion. Durch sein besonnenes Auftreten vermochte es Ostermaier aber, Vertrauen zu gewinnen, den humanistischen Geist der Schule fortzusetzen und ein angenehmes Arbeitsklima zu gewährleisten. Sein Stellvertreter war Günter Mahn. – 1956 verließ Ostermaier die Kreuzschule, um ein Studium der Geschichte und Geografie an der Karl-Marx-Universität Leipzig zu beginnen. Seine Nachfolgerin als Direktorin der Kreuzschule wurde Ursula Schinck. An der Universität traf er eine Reihe seiner ehemaligen Schüler nun als Kommilitonen wieder. Der Abschluss des Studiums erfolgt 1959 mit dem Diplomexamen. Während seiner Leipziger Studienjahre wandelten sich, nicht zuletzt unter dem Einfluss ehemaliger Schüler, seine politischen Anschauungen. Als Folge verließ Ostermaier 1959 die DDR und setzte seine pädagogische Laufbahn in Stade fort, zunächst an der Volksschule, dann 1962 bis 1968 an der Realschule und von 1968 bis zur Pensionierung 1989 als Studiendirektor am Gymnasium Athenaeum. – Am 17.11.2021 verstarb Ostermaier in Augsburg, wo er nach dem Tode seiner Frau lebte. Er wurde in der Familiengrabstätte im Urnenhain Dresden-Tolkewitz beigesetzt.
Quellen Stadtarchiv Dresden, 6.4.25-3.3.2.119 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt III, Eheregister 1925, Nr. 320 (ancestry.de); Kreuzgymnasium Dresden, Archiv, Lehrerkartei; Todesanzeige Gisela Ostermaier, in: Stader Tageblatt 7.9.2019; Todesanzeige Hellmuth Ostermaier, in: ebd. 27.11.2021; Interviews von Cornelia Klauß mit Ostermaier 2010/2011; Hiltrud Muth, Brief an Klaus Wachtel vom 12./13.1.2014 [Ms.]; Auskunft Ralf Ostermaier.
Literatur Eike Uhlich/Klaus Wachtel (Hg.), Klassenbuch, Radebeul 2015; Lars Weber, Die Schulleiter der Kreuzschule in der DDR, Dresden 2015 [Ms.]; Sonya Winterberg, Wie keine Andere. Die Dresdner Kreuzschule in der DDR, Berlin 2016; Dietrich Buschbeck, Der Blasewitzer „Kunstanstalt“ Nenke & Ostermaier auf der Spur, in: Elbhang-Kurier 2022, H. 4, S. 30f.; Hanno Schmidt, Unser Kreuzschuldirektor Ostermaier (1926-2021), genannt „Osi“, und sein „irrer“ Lebensweg, in: Elbhang-Kurier 2022, H. 5, S. 30; Klaus Wachtel, Nachruf auf Hellmuth Ostermaier, in: Jahrbuch des Kreuzgymnasiums Dresden 2021/2022, S. 38-41.
Klaus Wachtel
25.4.2023
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Wachtel, Artikel: Hellmuth Ostermaier,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29320 [Zugriff 22.11.2024].
Hellmuth Ostermaier
Quellen Stadtarchiv Dresden, 6.4.25-3.3.2.119 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt III, Eheregister 1925, Nr. 320 (ancestry.de); Kreuzgymnasium Dresden, Archiv, Lehrerkartei; Todesanzeige Gisela Ostermaier, in: Stader Tageblatt 7.9.2019; Todesanzeige Hellmuth Ostermaier, in: ebd. 27.11.2021; Interviews von Cornelia Klauß mit Ostermaier 2010/2011; Hiltrud Muth, Brief an Klaus Wachtel vom 12./13.1.2014 [Ms.]; Auskunft Ralf Ostermaier.
Literatur Eike Uhlich/Klaus Wachtel (Hg.), Klassenbuch, Radebeul 2015; Lars Weber, Die Schulleiter der Kreuzschule in der DDR, Dresden 2015 [Ms.]; Sonya Winterberg, Wie keine Andere. Die Dresdner Kreuzschule in der DDR, Berlin 2016; Dietrich Buschbeck, Der Blasewitzer „Kunstanstalt“ Nenke & Ostermaier auf der Spur, in: Elbhang-Kurier 2022, H. 4, S. 30f.; Hanno Schmidt, Unser Kreuzschuldirektor Ostermaier (1926-2021), genannt „Osi“, und sein „irrer“ Lebensweg, in: Elbhang-Kurier 2022, H. 5, S. 30; Klaus Wachtel, Nachruf auf Hellmuth Ostermaier, in: Jahrbuch des Kreuzgymnasiums Dresden 2021/2022, S. 38-41.
Klaus Wachtel
25.4.2023
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Wachtel, Artikel: Hellmuth Ostermaier,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29320 [Zugriff 22.11.2024].