Hartwig Anton Aschard
Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Marcus Anton führte Hartwig Anton Aschard als Großhändler für Seidenwaren ein wirtschaftlich erfolgreiches Leben. Dabei blieben Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit nicht aus - weder in
Berlin noch in Leipzig, wohin er sein Geschäft seit Anfang der 1830er-Jahre verlagerte. – Aschard, Sohn eines angesehenen Großkaufmanns für französische und italienische Seidenwaren, wurde, wie aus seinem Ersuchen um Erteilung der Bürgerschaft in Leipzig hervorgeht, 1794 in Berlin geboren und besuchte dort zunächst u.a. das traditionsreiche Gymnasium Zum Grauen Kloster. Dieses verließ er um 1810 mit 16 Jahren, offenbar um sich der Tätigkeit im väterlichen Geschäft zu widmen. Nach dem Tod des Vaters übernahm Aschard dessen Großhandlung zusammen mit seinem Bruder Marcus Anton. Regelmäßige Messebesuche führten die Erben mit Beginn der 1830er-Jahre immer wieder nach Leipzig, wo ihr Geschäft unter dem Namen „A. J. Aschard u. Söhne“ auftrat, bis sie ihren Firmenschwerpunkt ganz dorthin verlegten. Am 27.5.1834 erhielt Aschard als eingetragener Inhaber des Unternehmens durch die Königlich Sächsische Landesdirektion den Konzessionsschein zur Errichtung eines stehenden Großhandelsgeschäfts in Leipzig, der am 15.6. per Schreiben bekanntgegeben wurde, wobei die Aufnahme in die Leipziger Bürgerschaft aber ausdrücklich nicht bewilligt wurde. Nach einem Ersuch im Dezember 1840 wurde das Bürgerrecht als Kaufmann Aschard erst mit Beginn des Jahres 1843 erteilt. Durch günstige Seidenwarengeschäfte auch außerhalb der Messezeiten konnte das Brüderpaar Aschard nach dem Umzug nach Leipzig zunehmend Kapital ansammeln, was ihnen ca. 1844 den Erwerb des Hauses Nummer 3 am Leipziger Markt ermöglichte. – Aschard war unter dem Firmennamen auch in der frühen jüdischen Gemeinde von Leipzig aktiv und zählte im Formierungsprozess der Gemeinde zu ihren Gründungsmitgliedern. Das Brüderpaar Aschard verweigerte dann aber seine Unterschrift unter dem Entwurf der Statuten der künftigen Israelitischen Religionsgemeinde. Die Gründe sind mutmaßlich in internen Differenzen in der Gemeinde zu verorten. Aschard dürfte aber im Anschluss zusammen mit seinem Bruder zumindest stillschweigend der jüdischen Gemeinde angehört haben. – Trotz aller Erfolge geriet Aschard während seines Lebens mehrfach mit den Behörden in Konflikt. So führte er noch vor der Übersiedlung nach Leipzig 1831 eine Korrespondenz mit dem preußischen Innenminister Gustav Adolf Ewald Freiherr von Brenn, die ein bezeichnendes Licht auf die Diskriminierungen wirft, denen Juden noch immer ausgesetzt waren. In dem Schriftwechsel versuchte Aschard vergebens, sich gegen eine Bescheinigung des Königlich Preußischen Polizeipräsidiums zu Berlin zur Wehr zu setzen. Diese sollte als Abstammungsnachweis Aschards dienen, adressierte ihn jedoch - ohne Benutzung des Titels „Herr“ - mit den Worten „an den jüdischen Glaubensgenossen Hartwig Aschard“, was dieser offenbar als kränkend empfand. Obwohl sich Innenminister von Brenn prinzipiell dagegen aussprach, jenen Juden, die dem höheren Bürgerstand angehörten, die für christliche Personen gleichen Standes übliche Titulatur „Herr“ vorzuenthalten, lehnte er Aschards konkretes Ansinnen dennoch ab. Eine weitere Auseinandersetzung bahnte sich Ende 1837 an, als Aschard zum Eintritt in die Leipziger Kommunalgarde verpflichtet werden sollte. Dies suchte er zunächst mit der Begründung abzuwehren, dass er ohne Bürgerstatus in die Garde aufgenommen worden sei. Am 29.11.1837 bat Aschard ausdrücklich darum, ihn und seinen Bruder mit weiteren Vorladungen zu verschonen. Als der zuständige Kommunalgardenausschuss seine Argumentation verwarf, erklärte sich Aschard im Januar 1838 für vollkommen untüchtig, seine Tätigkeit im Wachkörper zu verrichten und legte ärztliche Bescheinigungen vor, die ihm u.a. asthmatische Beschwerden und Probleme mit körperlicher Anstrengung attestierten. Trotz mehrmaliger Vorladungen mit dem Verlangen, den verpflichtenden Handschlag abzulegen, gelang es Aschard wahrscheinlich, sich dem Zwangsdienst auch nach seiner Aufnahme als Leipziger Bürger zu entziehen. Noch 1856 war er wegen Beleidigung vor Gericht angeklagt, das Urteil bzw. das Strafverfahren, über dessen Inhalt nichts bekannt ist, wurde jedoch offenbar kassiert. Zwei Jahre später verstarb Aschard nach über einem Vierteljahrhundert der Ansässigkeit in Leipzig und wurde in seiner Geburtsstadt Berlin beigesetzt.
Quellen Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) Jerusalem, D/Le1/9-11; Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. 154 (1858); 0008 Ratsstube, Titelakten LI, Nr. 91, II. Sektion, J/290, 0359 Kommunalgarde, Nr. 314, 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten, Nr. 16127, Nr. 3934, 0050 Vereinigtes Kriminalamt der Stadt Leipzig, Teil I (Findbuch), Nr. 3372 (Rep. I. Nr. 18.588).
Literatur Jacob Jacobsen, Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809-1851. Mit Ergänzungen für die Jahre 1791-1809, Berlin 1962; ders., Jüdische Trauungen in Berlin. 1759-1813. Mit Ergänzungen für die Jahre von 1723-1759, Berlin 1968; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.
Lucas Böhme
14.3.2025
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Hartwig Anton Aschard,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27853 [Zugriff 14.6.2025].
Hartwig Anton Aschard
Quellen Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) Jerusalem, D/Le1/9-11; Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. 154 (1858); 0008 Ratsstube, Titelakten LI, Nr. 91, II. Sektion, J/290, 0359 Kommunalgarde, Nr. 314, 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten, Nr. 16127, Nr. 3934, 0050 Vereinigtes Kriminalamt der Stadt Leipzig, Teil I (Findbuch), Nr. 3372 (Rep. I. Nr. 18.588).
Literatur Jacob Jacobsen, Die Judenbürgerbücher der Stadt Berlin 1809-1851. Mit Ergänzungen für die Jahre 1791-1809, Berlin 1962; ders., Jüdische Trauungen in Berlin. 1759-1813. Mit Ergänzungen für die Jahre von 1723-1759, Berlin 1968; Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.
Lucas Böhme
14.3.2025
Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Hartwig Anton Aschard,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27853 [Zugriff 14.6.2025].