Hans Georg Bötticher

B., Vater des Kabarettisten, Malers und Schriftstellers Joachim Ringelnatz, verbrachte den größten Teil seines Lebens in Thüringen und Sachsen. Anerkennung und Wohlstand trug ihm v.a. seine Tätigkeit als Musterzeichner für Tapeten ein. Darüber hinaus betätigte er sich – durchaus erfolgreich – als humoristischer Autor, Verfasser von Kinder- und Jugendschriften, obersächsischer Mundartdichter sowie Literaturwissenschaftler. – B. stammt aus einer der ältesten und bereits im 14. Jahrhundert erwähnten Patrizierfamilien im thüringischen Mühlhausen. Er wuchs im Hause seines Großvaters Ferdinand Gotthelf Hand auf, wohin seine Mutter nach dem frühen Tod ihres Mannes gezogen war. Seine Jugend verbrachte B. in Jena, wo er im Zenker’schen Institut Unterricht erhielt. 1856 bis 1863 besuchte er das Freimaurerinstitut in Dresden, dann bis 1866 das dortige Polytechnikum (später Kunstgewerbeschule), wo er zum Musterzeichner ausgebildet wurde. 1866/67 besuchte B. die Webschule in Chemnitz, wo er zudem als Volontär in einer Webwarenfabrik tätig war. 1869 bis zu seiner Ausweisung 1870 infolge des Deutsch-Französischen Kriegs arbeitete B. in einem Pariser Atelier für gewerbliche Kunst. Anschließend ging er als Musterzeichner für Tapeten nach Mühlhausen, Dresden, Mannheim und Jena. 1875 kam er nach Wurzen, wo er in einer Tapetenfabrik fest als Zeichner angestellt wurde und bis zu seinem Umzug nach Leipzig 1888 blieb. B. lieferte im Laufe der Jahre nicht nur Zeichnungen für Tapeten, sondern auch für Teppiche und Möbelstoffe. In der Fachwelt erregte er durch sein Werk „Original-Compositionen zu Flachmustern“ größeres Aufsehen. 1890 bezeichnete ihn der Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt als denjenigen Musterzeichner, der unter seinen Fachgenossen die größte Anerkennung genießt. Seit Beginn der 1870er-Jahre war B. zudem schriftstellerisch tätig. Erste Veröffentlichungen sind in der Zeitschrift „Deutsche Jugend“ zu finden; der Kinder- und Jugendliteratur blieb er Zeit seines Lebens verbunden, so auch als Autor diverser Bilderbücher – „Das chinesische Buch“, „Der Verwandlungskünstler“, „Spatz, Ente u. Has’“ – sowie seit Beginn des 20. Jahrhunderts für beinahe zwei Jahrzehnte als Herausgeber von „Auerbach’s Deutscher Kinder-Kalender“. Aber auch literaturgeschichtlichen Themen widmete er sich in Form von Untersuchungen über Johann Wolfgang von Goethe und Victor von Scheffel. Humoristische Arbeiten verfasste B. u.a. für die „Fliegenden Blätter“, die „Jugend“ und die „Meggendorfer-Blätter“. In seinem Schaffen ist vorsichtige Kritik am Patriotismus und Militarismus der wilhelminischen Zeit zu finden. Als Beispiele dafür seien das Bilderbuch „Wie die Soldaten Tiere werden wollten“ oder das mehrbändigen Werk „Das lyrische Tagebuch des Leutnants von Versewitz“ angeführt. B.s spätere Gedichte aus der Zeit des Ersten Weltkriegs lassen einen Konservativen mit vaterländischer Gesinnung erkennen. B. nahm regen Anteil am kulturellen Leben seiner Zeit. Davon zeugen nicht nur seine Mitgliedschaften in den zwanglosen Künstlervereinigungen „Stalaktiten“ und „Leoniden“, sondern auch seine umfangreichen Korrespondenzen, die er u.a. mit den Künstlern Adolph Menzel und Max Klinger sowie mit den Schriftstellern Conrad Ferdinand Meyer, Theodor Fontane, Paul Heyse, Wilhelm Raabe und Gustav Freytag führte. Auch in B.s Freundeskreis waren zahlreiche Künstler und Gelehrte zu finden, wie etwa Detlev von Liliencron, Johannes Trojan, Fedor Flinzer, Julius Lohmeyer, Edwin Bormann, Victor Blüthgen und Julius Kleinmichel.

Quellen Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung; Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf; Stadt- und Universitätsbibliothek, Frankfurt/Main; Zentrum für Theaterforschung, Hamburg; Stadtbibliothek, Hannover; Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel; Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Köln, Theatersammlung; Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv, Marbach/Neckar, Handschriftenabteilung; Bayerische Staatsbibliothek, München; Stadtbibliothek/Monacensia, München; Universitätsbibliothek, München; Pfälzische Landesbibliothek, Speyer; Hessische Landesbibliothek, Wiesbaden; Kulturgeschichtliches Museum, Wurzen.

Werke Original-Compositionen zu Flachmustern. Tapeten, Gewebe, Intarsien etc., Dresden 1875; Schulerinnerungen, Leipzig 1877; mit R. A. Jaumann, Das chinesische Buch, Leipzig 1889; mit F. Flinzer, Wie die Soldaten Tiere werden wollten, Leipzig 1892; mit dems., Der Deutsche Michel, Leipzig 1892; Allotria, Leipzig 1893; Meine Lieben, Leipzig 1897; Balladen, Legenden und Schwänke, Leipzig 1898; mit L. Meggendorfer, Der Verwandlungskünstler, Eßlingen 1899; Das lyrische Tagebuch des Leutnants von Versewitz, 3 Bde., Leipzig 1901-1905; Allerlei Schnick-Schnack, Leipzig 1902; mit F. Flinzer, Spatz, Ente u. Has’, Nürnberg 1904; mit L. Otto, Alfanzereien und Allotria (ND Leipzig 1992); Das lustige Jena, Leipzig 1895 (ND Erlangen u.a. 1994).

Literatur A. Wilhelm, Wurzener Wurzeln: Joachim Ringelnatz, Herkunft und Vaterhaus, in: F. Möbus u.a. (Hg.), Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt, Göttingen 2000, S. 15-23 (P). – DBA I, II; DBE 1, S. 693; NDB 21, S. 631; Das litterarische Leipzig. Illustriertes Handbuch der Schriftsteller- und Gelehrtenwelt, der Presse und des Verlagsbuchhandels in Leipzig, Leipzig 1897, S. 82f. (P, WV); H. A. L. Degener, Wer ist’s?, Leipzig 51911, S. 141 (WV); H. Günther, Künstlerische Doppelbegabungen, München 21960, S. 132; W. Kosch, Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 1, Bern u.a. 31963, Sp. 725f. (WV); W. Killy, Literaturlexikon, Bd. 2, Gütersloh u.a. 1989, S. 88; A. Klotz, Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland 1840-1950, Bd. 1, Stuttgart 1990, S. 175 (WV); H. Ries, Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914, Osnabrück 1992, S. 443; H. Jacob, Deutsches Schriftsteller-Lexikon 1830-1880, Bd. 1, Berlin 1995, S. 566; Saur Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 12, München u.a. 1996, S. 212; B. Sowinski, Lexikon deutschsprachiger Mundartautoren, Hildesheim u.a. 1997, S. 59; Microsoft Encarta Professional 2003 [CD-ROM].

Fedor Bochow
7.6.2004


Empfohlene Zitierweise:
Fedor Bochow, Artikel: Hans Georg Bötticher,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/717 [Zugriff 29.3.2024].

Hans Georg Bötticher



Quellen Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung; Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf; Stadt- und Universitätsbibliothek, Frankfurt/Main; Zentrum für Theaterforschung, Hamburg; Stadtbibliothek, Hannover; Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel; Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Köln, Theatersammlung; Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv, Marbach/Neckar, Handschriftenabteilung; Bayerische Staatsbibliothek, München; Stadtbibliothek/Monacensia, München; Universitätsbibliothek, München; Pfälzische Landesbibliothek, Speyer; Hessische Landesbibliothek, Wiesbaden; Kulturgeschichtliches Museum, Wurzen.

Werke Original-Compositionen zu Flachmustern. Tapeten, Gewebe, Intarsien etc., Dresden 1875; Schulerinnerungen, Leipzig 1877; mit R. A. Jaumann, Das chinesische Buch, Leipzig 1889; mit F. Flinzer, Wie die Soldaten Tiere werden wollten, Leipzig 1892; mit dems., Der Deutsche Michel, Leipzig 1892; Allotria, Leipzig 1893; Meine Lieben, Leipzig 1897; Balladen, Legenden und Schwänke, Leipzig 1898; mit L. Meggendorfer, Der Verwandlungskünstler, Eßlingen 1899; Das lyrische Tagebuch des Leutnants von Versewitz, 3 Bde., Leipzig 1901-1905; Allerlei Schnick-Schnack, Leipzig 1902; mit F. Flinzer, Spatz, Ente u. Has’, Nürnberg 1904; mit L. Otto, Alfanzereien und Allotria (ND Leipzig 1992); Das lustige Jena, Leipzig 1895 (ND Erlangen u.a. 1994).

Literatur A. Wilhelm, Wurzener Wurzeln: Joachim Ringelnatz, Herkunft und Vaterhaus, in: F. Möbus u.a. (Hg.), Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt, Göttingen 2000, S. 15-23 (P). – DBA I, II; DBE 1, S. 693; NDB 21, S. 631; Das litterarische Leipzig. Illustriertes Handbuch der Schriftsteller- und Gelehrtenwelt, der Presse und des Verlagsbuchhandels in Leipzig, Leipzig 1897, S. 82f. (P, WV); H. A. L. Degener, Wer ist’s?, Leipzig 51911, S. 141 (WV); H. Günther, Künstlerische Doppelbegabungen, München 21960, S. 132; W. Kosch, Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 1, Bern u.a. 31963, Sp. 725f. (WV); W. Killy, Literaturlexikon, Bd. 2, Gütersloh u.a. 1989, S. 88; A. Klotz, Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland 1840-1950, Bd. 1, Stuttgart 1990, S. 175 (WV); H. Ries, Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914, Osnabrück 1992, S. 443; H. Jacob, Deutsches Schriftsteller-Lexikon 1830-1880, Bd. 1, Berlin 1995, S. 566; Saur Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. 12, München u.a. 1996, S. 212; B. Sowinski, Lexikon deutschsprachiger Mundartautoren, Hildesheim u.a. 1997, S. 59; Microsoft Encarta Professional 2003 [CD-ROM].

Fedor Bochow
7.6.2004


Empfohlene Zitierweise:
Fedor Bochow, Artikel: Hans Georg Bötticher,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/717 [Zugriff 29.3.2024].