Fedor Flinzer
F. war nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs einer der einflussreichsten Zeichenpädagogen im deutschsprachigen Raum. Künstlerisch erlangte er während der Gründerzeit als Tiermaler und Illustrator große Bekanntheit. – F. stammte aus einer kinderreichen Familie und wuchs in finanziell beengten Verhältnissen auf. Nach Privatunterricht beim Genremaler
Johann Gottlieb Hantzsch besuchte er ab 1849 die Kunstakademie in Dresden. Zu seinen Lehrern gehörten dort u.a. Ludwig Richter, Julius Schnorr von Carolsfeld, Eduard Bendemann, Julius Hübner, Ernst Julius Hähnel, Hugo Bürkner und Carl Robert Kummer. – 1859 erhielt F. an der Realschule in Chemnitz eine Anstellung als Zeichenlehrer. Schon wenig später zählte er hier zu den Initiatoren des Vereins „Kunsthütte“. Kurz nach der Reichsgründung und der damit verbundenen Einführung der preußischen „Allgemeinen Bestimmungen“, durch die der Zeichenunterricht an den allgemein bildenden Schulen zum Pflichtfach wurde, übersiedelte F. 1873 in die Verlagsmetropole Leipzig, wo er die neu eingerichtete Stelle eines städtischen Zeicheninspektors bekleidete. Damit war er verantwortlich für die Auswahl und Einstellung von Zeichenlehrern, für Verhandlungen mit dem Stadtrat und für die Lehrplanerstellung der Leipziger Bildungsanstalten. 1876 veröffentlichte F., der zugleich als Oberlehrer an der Petrischule in Leipzig unterrichtete, seine methodischen Erkenntnisse in dem „Lehrbuch des Zeichenunterrichts“, das ihm auch im europäischen und amerikanischen Ausland Anerkennung eintrug. 1895 verlieh ihm König Albert von Sachsen wegen seiner pädagogischen Verdienste den Professorentitel. F. wurde aufgrund seines Lehrbuchs als Vorbote der sog. „Kunsterziehungsbewegung“ um die Jahrhundertwende bezeichnet. Allerdings geriet er darüber in heftige Fachkontroversen und verlor zunehmend an Einfluss. Zu F.s bekannteren Schülern in Chemnitz und Leipzig zählen der Kartograf Clemens Major, der Werbefachmann Hans Domizlaff, der Bildhauer Albrecht Leistner, der Tiermaler
Karl Wagner, der Buchhändler
Erich Carlsohn und der Zeichenpädagoge Richard Ernesti. – F.s Kunst hat ihre Wurzeln im Biedermeier und in der Romantik, spätere Arbeiten lassen deutliche Spuren des Historismus und des Jugendstils erkennen. Oft spiegelt sich in seinen Bildern die heile, bürgerliche Welt des 19. Jahrhunderts. F. galt als Spezialist für Tierdarstellungen, bevorzugt porträtierte er Katzen. Dies trug ihm die - mit leicht spöttischem Unterton versehenen - Beinamen „Katzen-Flinzer“ und „Sächsischer Katzen-Raffael“ ein. Ein Markenzeichen sind seine vermenschlichten, zumeist harmlos-humoristischen, teils auch satirischen Darstellungen von Tieren, die manchmal an Werke von
Wilhelm von Kaulbach und Grandville (eigentlich Jean Ignace Isidore Gérard) erinnern. Vorwiegend entstanden detaillierte, fein ausgearbeitete Zeichnungen und Aquarelle „nach der Natur“. Als Illustrator etablierte sich F. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neben Künstlern wie
Gustav Süs, Leopold Venus,
Theodor Hosemann, Paul Mohn, Oscar Pletsch,
Lothar Meggendorfer, Hermann Vogel,
Wilhelm Busch und
Franz Graf von Pocci. Von seinen gebrauchsgrafischen Arbeiten ist der Entwurf des Markenzeichens „Katze“ für Hoffmann’s Stärkefabriken hervorzuheben. An ein erwachsenes Publikum richteten sich seine Bilder in Familienzeitschriften wie die „Gartenlaube“ oder „Daheim“. V.a. aber wirkte F. als Illustrator von Kinder-, Jugend- und Bilderbüchern. Eines seiner Hauptwerke ist das Bilderbuch „König Nobel“, eine Fortsetzung der mittelalterlichen Tierfabel um Reineke Fuchs, die er gemeinsam mit seinem Freund, dem Jugendschriftsteller
Julius Lohmeyer, veröffentlichte. Von Bedeutung ist schließlich noch F.s jahrelange Tätigkeit für die sehr einflussreiche Jugendzeitschrift „Deutsche Jugend“, für die er z.B. die Illustrationen zum Erstdruck von
Theodor Storms Geschichte „Lena Wies“ (1873) schuf. Dem Bilderbuchkünstler F. widmeten sich 2003 bis 2005 mehrere Ausstellungen in Troisdorf (Bilderbuchmuseum), Dresden (Museum für Sächsische Volkskunst), Reichenbach/Vogtland (Neuberin-Museum), Bad Pyrmont (Museum im Schloss) und Bad Salzuflen (Stadt- und Bädermuseum). – F. gehörte zahlreichen Vereinigungen an, so z.B. dem „Leipziger Künstlerverein“, dem „Verein Deutscher Zeichenlehrer“, dem „Verein zur Förderung des Zeichenunterrichtes“, dem „Sächsischen Zeichenlehrer-Verein“ und der Loge „Zur Harmonie“. Zum Kreis seiner Freunde und Verwandten zählten der Autor Ferdinand Avenarius, der Shakespeare-Forscher Edwin Bormann, der Genremaler
Julius Kleinmichel, der Schriftsteller Victor Blüthgen sowie der Musterzeichner Georg Bötticher, Vater des Kabarettisten und Malers Joachim Ringelnatz. Posthum fertigte der Bildhauer Johannes Hartmann ein Flinzer-Denkmal, das 1916 auf der heute nicht mehr erhaltenen Grabstelle errichtet wurde.
Werke mit E. Hilgenfeld, Frau Kätzchen, Chemnitz 1870; mit V. Blüthgen, Der Froschmäusekrieg, Frankfurt/Main 1878 (ND stark verändert, München 1994); Jugendbrunnen, Berlin 1883 (ND Berlin 1990); mit J. Lohmeyer, Kater Murr’s Tagebuch, Leipzig 1885; mit G. C. Dieffenbach, Glückliche Kinderzeit, Bremen 1885 (ND Leipzig 1989); mit J. Lohmeyer, König Nobel, Breslau 1886 (ND stark verändert, München 1979); mit J. Lohmeyer, Der Thierstruwwelpeter, Breslau 1887; Des Kindes Wunderhorn, Breslau 1889; mit V. Blüthgen, Eine Tierschule in Bildern, Breslau 1891 (ND stark verändert, München 1979); mit G. Bötticher, Wie die Tiere Soldaten werden wollten, Leipzig 1892 (ND [der Ausgabe von 1897] stark verändert, München 1979).
Literatur K. J. Friedrich, Ludwig Richter und sein Schülerkreis, Leipzig 1956, S. 182-188; F. Bochow/V. Ladenthin/M. Linsmann (Hg.), Kinder, Katzen, Kunst. Der Bilderbuchkünstler Fedor Alexis F. (1832-1911), Ausstellungskatalog, Troisdorf 2003 (WV, P). – DBA I, II, III; DBE 3, S. 352; K. Doderer (Hg.), Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Bd. 4, Weinheim/Basel 1984, S. 393f. (WV); H. Ries, Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914, Osnabrück 1992, S. 522-525 (WV); Von André bis Zöllner, hrsg. vom Stadtarchiv Chemnitz, Chemnitz 1998, S. 33 (P); AKL, Bd. 41, München/Leipzig 2004, S. 254-256; Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, CD-Ausgabe Frühjahr 2005, Berlin 2005.
Porträt F. Bochow, Privatbesitz (Bildquelle).
Fedor Bochow
16.12.2005
Empfohlene Zitierweise:
Fedor Bochow, Artikel: Fedor Flinzer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1455 [Zugriff 21.11.2024].
Fedor Flinzer
Werke mit E. Hilgenfeld, Frau Kätzchen, Chemnitz 1870; mit V. Blüthgen, Der Froschmäusekrieg, Frankfurt/Main 1878 (ND stark verändert, München 1994); Jugendbrunnen, Berlin 1883 (ND Berlin 1990); mit J. Lohmeyer, Kater Murr’s Tagebuch, Leipzig 1885; mit G. C. Dieffenbach, Glückliche Kinderzeit, Bremen 1885 (ND Leipzig 1989); mit J. Lohmeyer, König Nobel, Breslau 1886 (ND stark verändert, München 1979); mit J. Lohmeyer, Der Thierstruwwelpeter, Breslau 1887; Des Kindes Wunderhorn, Breslau 1889; mit V. Blüthgen, Eine Tierschule in Bildern, Breslau 1891 (ND stark verändert, München 1979); mit G. Bötticher, Wie die Tiere Soldaten werden wollten, Leipzig 1892 (ND [der Ausgabe von 1897] stark verändert, München 1979).
Literatur K. J. Friedrich, Ludwig Richter und sein Schülerkreis, Leipzig 1956, S. 182-188; F. Bochow/V. Ladenthin/M. Linsmann (Hg.), Kinder, Katzen, Kunst. Der Bilderbuchkünstler Fedor Alexis F. (1832-1911), Ausstellungskatalog, Troisdorf 2003 (WV, P). – DBA I, II, III; DBE 3, S. 352; K. Doderer (Hg.), Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Bd. 4, Weinheim/Basel 1984, S. 393f. (WV); H. Ries, Illustration und Illustratoren des Kinder- und Jugendbuchs im deutschsprachigen Raum 1871-1914, Osnabrück 1992, S. 522-525 (WV); Von André bis Zöllner, hrsg. vom Stadtarchiv Chemnitz, Chemnitz 1998, S. 33 (P); AKL, Bd. 41, München/Leipzig 2004, S. 254-256; Wikipedia. Die freie Enzyklopädie, CD-Ausgabe Frühjahr 2005, Berlin 2005.
Porträt F. Bochow, Privatbesitz (Bildquelle).
Fedor Bochow
16.12.2005
Empfohlene Zitierweise:
Fedor Bochow, Artikel: Fedor Flinzer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1455 [Zugriff 21.11.2024].