Gotthelf Friedrich Oesfeld

O. reiht sich ein in den Kreis der bedeutendsten sächsischen Chronisten des 17. und 18. Jahrhunderts. Zusammen mit Berufskollegen wie Christian Lehmann, Christoph Gottlob Grundig, Christian Meltzer, Georg Körner oder Johann Christian Engelschall führte er die annalistische Geschichtsschreibung in Sachsen in ihre produktivste und zugleich qualitativ wertvollste Schaffensperiode. Aufgrund seiner heimatkundlich-historischen Publikationen gilt O. als „Entdecker der Schönheit des Erzgebirges“ (F. H. Löscher). – O. entstammte einem alten, bis in das 14. Jahrhundert nachweisbaren Gelehrtengeschlecht, das seinen Namen vom Herkunftsort Oesfeld (heute Ortsteil von Oebisfelde-Weferlingen) ableitet. Nach dem Besuch der Lateinschule in Wernigerode nahm O. am 10.5.1751 an der Universität Halle/Saale ein Theologiestudium auf, das er systematisch mit Vorlesungen zur Geschichte und Sprachwissenschaft ergänzte. Unter Förderung seines akademischen Lehrers Siegmund Jacob Baumgarten begann O., 1754 als Magister und später als Adjunkt der Philosophischen Fakultät, selbst Vorlesungen zu halten. 1757 wechselte er nach Wittenberg, doch erfüllte sich seine Hoffnung auf eine dauerhafte Anstellung dort ebenso wenig wie in Halle. Stattdessen wurde ihm die Besetzung einer Pfarrstelle im erzgebirgischen Scheibenberg in Aussicht gestellt. Nach Probepredigt und Prüfung vor dem Oberkonsistorium in Dresden trat O. im September 1760 seinen Dienst an der St.-Johannis-Kirche in Scheibenberg an. Dort erhielt O. während seiner neunjährigen Tätigkeit die Gelegenheit, Alltagsleben und Volkskultur des Erzgebirges umfassend zu studieren. Erste Ergebnisse dieser Studien veröffentlichte er ab 1763 in mehreren heimatkundlichen Aufsätzen im „Dresdner Gelehrten Anzeiger“ und in dem 1767 in Chemnitz erschienenen Büchlein „Betrachtungen über die Herrlichkeit Gottes im Gebürge nebst einer Anweisung über die Heiligung unserer Spaziergänge“. Besonders bei diesen Erstlingswerken ist die Vorbildrolle, die Christian Lehmann für O.s literarisches Schaffen einnimmt, unverkennbar. – Am 31.1.1762 vermählte sich O. mit der Pfarrerstochter Henriette Philippine Bürger, der ältesten Schwester des Dichters Gottfried August Bürger. Mit seinem Schwager verband O. jahrzehntelang ein reger Briefwechsel. – 1769 erhielt O. eine Berufung nach Lößnitz als Pfarrer und schönburgischer Kircheninspektor. Dort vertiefte sich O. neben seiner pastoralen Tätigkeit in die Überlieferung der noch weitgehend unbenutzten Urkundensammlungen der erzgebirgischen Städte, insbesondere des Lößnitzer Ratsarchivs. Auf der Basis wissenschaftlicher Gründlichkeit und Akribie entstand so der Hauptteil seiner Veröffentlichungen. 1773 wagte O. den Versuch, der von Christoph Gottlieb Grundig herausgegebenen „Nützlichen Sammlung zur Natur- und Kunstgeschichte Obersachsens“ ein neues Periodikum unter dem Titel „Der Erzgebürgische Zuschauer“ folgen zu lassen. Damit beabsichtigte O., anhand breit gestreuter Themen und einer warmherzigen, leidenschaftlichen Sprache die Schönheit des Erzgebirges zu würdigen, doch konnte sich die Zeitschrift nur zwei Jahre halten. O. beschränkte sich daraufhin wiederum auf Einzelbeiträge im „Dresdner Gelehrten Anzeiger“, wo er 1768 bis 1800 allein 167 Artikel veröffentlichte. Inhaltlich widmete er sich dabei u.a. der Hungersnot im Erzgebirge 1771/72, der Heilquelle „Guter Brunnen“ bei Zwönitz, dem Schneckenstein im Vogtland oder den erzgebirgischen Hammerwerken. Sein Hauptwerk ist jedoch die 1776/77 erschienene zweibändige Chronik „Historische Beschreibung einiger merkwürdiger Städte im Erzgebürge, insonderheit der Bergstadt Lößnitz“, die neben der Geschichte von Lößnitz auch wertvolle Mitteilungen über Annaberg, Buchholz, Chemnitz, Hartenstein, Meerane, Scheibenberg, Schlettau, Schneeberg und weitere Städte enthält und die bis heute zu den Standardwerken erzgebirgischer Geschichtsschreibung zählt. Ergänzt wird O.s schriftstellerische Tätigkeit durch kleinere theologische, ethische und philosophische Abhandlungen. – In seiner Tätigkeit als Pfarrer und Kircheninspektor machte sich O. vornehmlich um die Verbesserung des Schulwesens verdient. Obwohl er Berufungen in bedeutendere Stellen u.a. als Superintendent nach Glauchau und Waldenburg sowie als Theologieprofessor nach Wittenberg erhielt, lehnte er diese doch allesamt ab und verblieb stattdessen zeitlebens auf seiner Lößnitzer Pfarrstelle. In den letzten Lebensjahren von schwacher Gesundheit, wurde ihm auf eigenen Wunsch sein Sohn Carl Ludwig Friedrich als Gehilfe zur Seite gestellt. – O.s Verdienste um die Stadt Lößnitz fanden 2001 anlässlich seines 200. Todestags durch eine Reprintausgabe der „Historischen Beschreibung“ eine entsprechende Würdigung.

Werke Betrachtung über die Herrlichkeit Gottes im Gebürge nebst einer Anweisung über die Heiligung unserer Spaziergänge, Chemnitz 1767; (Hg.), Der Erzgebürgische Zuschauer, 2 Teile, Halle 1773/74; Historische Beschreibung einiger merkwürdiger Städte im Erzgebürge, insonderheit der … Bergstadt Lößnitz, 2 Bde., Halle 1776/77 (ND Lößnitz 2001, 2002) (P).

Literatur C. G. Dietmann, Kirchen- und Schulen-Geschichte der Hochreichsgräflich Schönburgschen Länder in Meißen, Breslau/Leipzig 1787 (WV); F. H. Löscher, Die Entwicklung des Gefühls für die Naturschönheiten des Erzgebirges, in: Glückauf 1902 (ND in: F. H. Löscher sen./F. H. Löscher jun. [Hg.], Heimat Erzgebirge, Berlin 1997, S. 11-65); F. H. Löscher sen., Zur Erinnerung an den Entdecker der Schönheit des Erzgebirges O. Zu seinem 200jährigen Geburtstag, in: Erzgebirgischer Haus- und Heimatkalender 26/1935; ders., O. Ein sächsischer Geistlicher im Dienste der Heimatgeschichte, in: Sächsisches Kirchenblatt NF 1/1937, Nr. 50, S. 371f., Nr. 51, S. 379-381 (ND in: F. H. Löscher sen./F. H. Löscher jun. [Hg.], Heimat Erzgebirge, Berlin 1997, S. 213-221). – DBA I.

Porträt Gotthelf Friedrich O., Öl auf Leinwand, St.-Johannis-Kirche Scheibenberg (Bildquelle).

Michael Wetzel
9.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Gotthelf Friedrich Oesfeld,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18592 [Zugriff 2.11.2024].

Gotthelf Friedrich Oesfeld



Werke Betrachtung über die Herrlichkeit Gottes im Gebürge nebst einer Anweisung über die Heiligung unserer Spaziergänge, Chemnitz 1767; (Hg.), Der Erzgebürgische Zuschauer, 2 Teile, Halle 1773/74; Historische Beschreibung einiger merkwürdiger Städte im Erzgebürge, insonderheit der … Bergstadt Lößnitz, 2 Bde., Halle 1776/77 (ND Lößnitz 2001, 2002) (P).

Literatur C. G. Dietmann, Kirchen- und Schulen-Geschichte der Hochreichsgräflich Schönburgschen Länder in Meißen, Breslau/Leipzig 1787 (WV); F. H. Löscher, Die Entwicklung des Gefühls für die Naturschönheiten des Erzgebirges, in: Glückauf 1902 (ND in: F. H. Löscher sen./F. H. Löscher jun. [Hg.], Heimat Erzgebirge, Berlin 1997, S. 11-65); F. H. Löscher sen., Zur Erinnerung an den Entdecker der Schönheit des Erzgebirges O. Zu seinem 200jährigen Geburtstag, in: Erzgebirgischer Haus- und Heimatkalender 26/1935; ders., O. Ein sächsischer Geistlicher im Dienste der Heimatgeschichte, in: Sächsisches Kirchenblatt NF 1/1937, Nr. 50, S. 371f., Nr. 51, S. 379-381 (ND in: F. H. Löscher sen./F. H. Löscher jun. [Hg.], Heimat Erzgebirge, Berlin 1997, S. 213-221). – DBA I.

Porträt Gotthelf Friedrich O., Öl auf Leinwand, St.-Johannis-Kirche Scheibenberg (Bildquelle).

Michael Wetzel
9.4.2013


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Gotthelf Friedrich Oesfeld,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18592 [Zugriff 2.11.2024].