Gottfried Geißler

G. gilt zu Recht als „der“ Zeichner der Völkerschlacht, auch wenn sein künstlerisches Werk weitaus vielfältiger ist und sich nach einer Formulierung von Gustav Wustmann zwischen Daniel Chodowiecki und Ludwig Richter bewegt. – G. erwarb sein malerisches Rüstzeug an Adam Friedrich Oesers Zeichenakademie in Leipzig und bei Johann Salomon Richter. 1790 ging G. nach St. Petersburg, um dort Zeichenlehrer zu werden. Er zeichnete das Volksleben der für ihn exotischen Stadt und trat 1792 in die Dienste des Naturforschers Peter Simon Pallas, den er als Zeichner bei dessen südrussischer Expedition bis zur Krim (1793/94) begleitete. In dieser Zeit zeichnete G. eine Vielzahl von Landschaften, Pflanzen, Tieren und Nationaltrachten. Sie wurden u.a. in Pallas’ Werk „Bemerkungen auf einer Reise in die südlichen Statthalterschaften des Russischen Reichs in den Jahren 1793 und 1794“ (Leipzig 1799-1801) wiedergegeben. Dieser gewaltige Fundus von Eindrücken bildete nach seiner Rückkehr nach Leipzig Ende 1798 die Grundlage für eine ganze Serie von (heute zumeist sehr seltenen) Publikationen über Sitten und Gebräuche in Russland, die er 1801 bis 1804 gemeinsam mit Johann Gottfried Gruber, Christian Friedrich Hempel und dann v.a. mit Johann Gottfried Richter herausbrachte. Besonderen Wert legte er in Radierungen und Zeichnungen auf die lebendige Gestaltung von Volksszenen. 1805 erschien eine Art Trilogie: „Sitten, Gebräuche und Kleidung der Russen aus den niedern Ständen“, „Malerische Reise durch einige Provinzen des Russischen Reichs“ (mit Hempel und Richter) und „Spiele und Belustigungen der Russen aus den niedern Volks-Klassen“ (mit Richter). Mit dem kriegerischen Geschehen ab 1806/07 wurde das „russische“ Thema in G.s Werk immer dominanter, wobei er auch auf Vorhandenes zurückgriff und es in Serien und Zyklen variierte. Dabei interessierten ihn immer mehr die verschiedenen Völkerschaften, die innerhalb der russischen Armee kämpften, v.a. während der Völkerschlacht. Gleichzeitig aber skizzierte er das Leben der Zivilbevölkerung unter der französischen Besatzung und illustrierte Kinder- und Jugendbücher. Parallel wandte er sich auch dem Panoramabild (Guckkastenbild) zu („Der Brand in Moskau“, 1812). Massenwirksam und auf hohem künstlerischen Niveau gab G. russische Volkstypen, Vertreter verschiedener in Russland lebender Völkerschaften und Soldaten wieder, die seine Landsleute in der Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen, im Biwak und in der Einquartierung tagtäglich erleben konnten. Seine Bilder bestechen durch Natürlichkeit, Sachkenntnis und Echtheit. Hinzu kamen seine Zeichnungen des Leipziger Messegeschehens, mit denen er bereits 1804/05 begonnen hatte. Nach den Befreiungskriegen überwogen sächsische zeitgenössische Themen, wie in den „Lindenstädter Bilderpossen“ (1830), in Stadtsoldatenbildern und verschiedenen Ansichtsblättern, ohne dass eine besondere künstlerische Weiterentwicklung zu erkennen wäre. Aber G.s Blick auf die sächsische Wirklichkeit blieb hellwach, sodass man gerade seinen Zeichnungen und Illustrationen viel über zeitgenössische Zustände entnehmen kann.

Quellen Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sammlung G.

Werke mit J. G. Gruber, Russische Volksvergnügungen mit Gemälden, Leipzig 1801; mit J. G. Gruber, Sitten, Gebräuche und Kleidung der Russen in St. Petersburg, Leipzig 1801-1803; mit J. H. C. Hempel/J. G. Richter, Mahlerische Darstellungen der Sitten, Gebräuche und Lustbarkeiten bey den Russischen, Tatarischen, Mongolischen und andern Völkern im Russischen Reich, 4 Hefte, Leipzig 1804; Leipziger Meßscenen, 3 Bde., Leipzig 1804-1805; mit J. G. Richter/J. G. Gruber, Sitten, Gebräuche und Kleidung der Russen aus den niedern Ständen, 2 Bde., Leipzig 1805; mit J. G. Richter, Spiele und Belustigungen der Russen aus den niedern Volks-Klassen, Leipzig 1805; mit J. G. Richter, Strafen der Russen, Leipzig 1805.

Literatur G. Wustmann, C. G. H. G. – der Zeichner der Völkerschlacht, Leipzig 1912 (Bildquelle); R.-M. Frenzel, Die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 im künstlerischen Schaffen von G., in: Leipzig, Aus Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. vom Museum für Geschichte der Stadt Leipzig, Leipzig 1989, S. 9-12; E. Hexelschneider, Kulturelle Begegnungen zwischen Sachsen und Russland 1790-1848, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 51-56. – DBA I, II; DBE 3, S. 610f.; Thieme/Becker, Bd. 13, Leipzig 1920, S. 351f.

Erhard Hexelschneider
15.8.2004


Empfohlene Zitierweise:
Erhard Hexelschneider, Artikel: Gottfried Geißler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1639 [Zugriff 28.3.2024].

Gottfried Geißler



Quellen Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Sammlung G.

Werke mit J. G. Gruber, Russische Volksvergnügungen mit Gemälden, Leipzig 1801; mit J. G. Gruber, Sitten, Gebräuche und Kleidung der Russen in St. Petersburg, Leipzig 1801-1803; mit J. H. C. Hempel/J. G. Richter, Mahlerische Darstellungen der Sitten, Gebräuche und Lustbarkeiten bey den Russischen, Tatarischen, Mongolischen und andern Völkern im Russischen Reich, 4 Hefte, Leipzig 1804; Leipziger Meßscenen, 3 Bde., Leipzig 1804-1805; mit J. G. Richter/J. G. Gruber, Sitten, Gebräuche und Kleidung der Russen aus den niedern Ständen, 2 Bde., Leipzig 1805; mit J. G. Richter, Spiele und Belustigungen der Russen aus den niedern Volks-Klassen, Leipzig 1805; mit J. G. Richter, Strafen der Russen, Leipzig 1805.

Literatur G. Wustmann, C. G. H. G. – der Zeichner der Völkerschlacht, Leipzig 1912 (Bildquelle); R.-M. Frenzel, Die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 im künstlerischen Schaffen von G., in: Leipzig, Aus Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. vom Museum für Geschichte der Stadt Leipzig, Leipzig 1989, S. 9-12; E. Hexelschneider, Kulturelle Begegnungen zwischen Sachsen und Russland 1790-1848, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 51-56. – DBA I, II; DBE 3, S. 610f.; Thieme/Becker, Bd. 13, Leipzig 1920, S. 351f.

Erhard Hexelschneider
15.8.2004


Empfohlene Zitierweise:
Erhard Hexelschneider, Artikel: Gottfried Geißler,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1639 [Zugriff 28.3.2024].