Fritz Fichtner
Zwölf Jahre leitete F. die Porzellansammlung und das Kunstgewerbemuseum in Dresden. Darüber hinaus war er als Referent für die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft im Sächsischen Ministerium für Volksbildung tätig und eng in das nationalsozialistische Verwaltungssystem eingebunden. Sein Leben und Werk sind von den vielen, oft parallel ausgeübten Tätigkeiten geprägt, sodass er als Kunsthistoriker nur bedingt Expertise auf dem Gebiet der Porzellankunde erreichte. – F. besuchte ein Gymnasium in Dresden und bis 1910 das Lehrerseminar in Zschopau. Nach dem einjährigen Militärdienst kehrte er nach Dresden zurück und arbeitete an einer Volksschule, bevor er ab 1912 an der Kunstgewerbeakademie Kunstpädagogik studierte und an der Kunstakademie Anatomiekurse belegte. Im Ersten Weltkrieg diente er als Freiwilliger im Sanitätsdienst. Anschließend legte F. die Staatsprüfung für das Höhere Lehramt ab und arbeitete als Oberlehrer in Leipzig und Dresden. Parallel dazu studierte er bis 1921 an der Universität Leipzig und an der Technischen Hochschule in Dresden Kunstgeschichte sowie Geschichte, Archäologie, Architektur und Philosophie. Zu seinen Professoren zählten August Schmarsow, Wilhelm Pinder, Robert Bruck sowie Cornelius Gurlitt. 1921 wurde F. in Leipzig bei Pinder mit einer Arbeit über „Die Dresdner Bildhauerschule des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts (Die Walther)“ promoviert; 1923 habilitierte er sich in Dresden mit einer Arbeit über „Die Wohlgemuth-Schule und früheste Arbeiten des jungen Albrecht Dürer“. Danach arbeitete F. weiter als Lehrer am Gymnasium Dresden-Neustadt und gleichzeitig als Dozent an der Technischen Hochschule, in der Zeichenlehrerabteilung der Kunstgewerbeakademie sowie an der Akademie der bildenden Künste. Diverse Studienreisen führten ihn in den 1920er-Jahren nach Italien, Frankreich, England, Griechenland, Ägypten sowie in die Türkei. Vom Dezember 1928 bis 1945 lehrte er als außerordentlicher Professor für allgemeine Kunstgeschichte an der Technischen Hochschule, zusätzlich war er von 1929 bis 1932 Abteilungsleiter am dortigen praktisch-pädagogischen Seminar. Parallel arbeitete F. ab 1929 in der Porzellansammlung in Dresden unter Direktor Ernst Zimmermann als Freiwilliger Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter. Nach dessen Pensionierung wurde er 1933 zum Kustos und Leiter der Porzellansammlung ernannt und zugleich als Leiter des Kunstgewerbemuseums eingesetzt. Kurz zuvor, im Januar 1933, war er der SA und im Februar 1933 der NSDAP beigetreten. Im November 1933 unterzeichnete F. das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Hochschulen zu Adolf Hitler“. Für das Kreisschulungsamt der NSDAP war er als Referent, für das Rassenpolitische Amt der NSDAP als Berater aktiv. Sein politisches Engagement führte dazu, dass F. im Februar 1937 zum Direktor der Porzellansammlung ernannt wurde und im April 1937 zum Referenten für die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft im Sächsischen Ministerium für Volksbildung. Bereitwillig stellte er die Staatlichen Sammlungen in den Dienst des NS-Staats. Vermutlich war er gelegentlich für den Sicherheitsdienst der SS tätig. Ebenso war F. in den Kunstraub der Nationalsozialisten involviert. So hatte er bei der Beschlagnahmung der Sammlung des Dresdner jüdischen Bankiers Gustav von Klemperer 1938 Kontakt zur Geheimen Staatspolizei. Letztlich zog sich das Netzwerk, in dem er agierte, durch Politik und Verwaltung, Museen, Universitäten und Industrie. – Ab 1937 engagierte sich F. in der Deutschen Keramischen Gesellschaft. Davon profitierte er auch bei seiner kuratorischen Arbeit, wie bei der Neuaufstellung der Porzellansammlung im Zwinger, die kriegsbedingt nicht eröffnet wurde. Nach der Einberufung zum Militärdienst als Kriegsverwaltungsrat beim Heeresmuseum Dresden im Dezember 1941 führte F. all diese Aufgaben weiter und wurde darüber hinaus 1942 mit der Leitung der Bergungsmaßnahmen der Staatlichen Sammlungen beauftragt. Mit Kriegsende verließ F. Sachsen und ging nach Bayern. Nachdem er aufgrund der aktiven Verschleierung seiner früheren Tätigkeiten bei der Entnazifizierung 1948 von der Spruchkammer Coburg-Stadt als „Mitläufer“ eingestuft und durch eine „Sühnezahlung“ rehabilitiert worden war, begann er eine zweite akademische Karriere. Zunächst arbeitete er im Auftrag des Bamberger Erzbischofs, ab Wintersemester 1948/49 übernahm er zusätzlich einen Lehrauftrag für Kirchliche Archäologie und Denkmalpflege an der Universität in
Erlangen. Später lehrte F. an der Theologischen Fakultät, wofür er sich 1951 umhabilitierte und zum Privatdozenten und außerplanmäßigen Professor für Christliche Archäologie und Kirchliche Kunst ernannt wurde. Ab Herbst 1950 nahm er zusätzlich einen Lehrauftrag an der Philosophisch-Theologischen Hochschule
Bamberg wahr. Im Juni 1955 wurde F. an der Universität Erlangen zum ordentlichen Professor ernannt. Nach seiner regulären Emeritierung übte er noch bis 1961 die kommissarische Vertretung des Lehrstuhls aus.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 1553, Nr. 1960; Stadtarchiv Dresden, 6.4.25 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt I/Personenstandsbuch 1.2.2-27 Geburtenregister 1888, Nr. 1623, 1.2.2-43 Geburtenregister 1893, Nr. 2338, 1.2.2-80, Geburtenregister 1901, Nr. 3928, 1.4.2-22, Sterberegister 1889, Nr. 877 (ancestry.de) , 9.1.24 Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen - Krematorium Tolkewitz und Urnenhain, Einäscherungsbücher 1923/1942 (ancestry.de) ; Bundesarchiv Berlin, R 9361-IX/Kartei/8641222; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Personalakten Fritz F., MK 43591, Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Universität Erlangen, MK 78130; Stadtarchiv Erlangen, Sammlung Namen III.115.F.1, 258.A.113, Historische Meldekartei und Sterberegister Nr. 1168/1969; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Universitätsarchiv, F2/1 Nr. 2245a; Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Universitätsarchiv, Lyzeum und Philosophisch-Theologische Hochschule, V A 341, V A 343, V B 511, V B 512, V B 513, V K 21.
Werke Die Dresdner Bildhauerschule des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts (Die Walther), Diss. Leipzig 1921; Die Wohlgemuth-Schule und früheste Arbeiten des jungen Albrecht Dürer, Habil. Dresden 1923; Wandmalereien der Athos-Klöster. Grundsätzliches zu den Planungen der Bildfolgen des 14.-17. Jahrhunderts. Welt- und Lebensanschauung, Ritus, Architektur, Malerei, Berlin 1931; Der Einfluß Ostasiens auf die Keramik Europas, in: Berichte der Deutschen Keramischen Gesellschaft e. V. 19/1938, S. 65-84; Von der kurfürstlichen Kunstkammer zur Porzellangalerie Zwinger. Das Schicksal der Dresdner Porzellanschätze, in: ebd. 20/1939, H. 7, S. 293-309, 21/1940, H. 9, S. 330-370, 22/1941, H. 7, S. 237-264; Meißner Porzellan für Polen und Rußland, in: ebd. 21/1940, H. 12, S. 487-520.
Literatur Peter Poscharsky, In memoriam Fritz F., in: Kirche und Kunst 47/1969, S. 58f.; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020 (P). – DBA II; Renate Wittern (Hg.), Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität 1743-1960, Teil 1: Theologische Fakultät, Juristische Fakultät, Erlangen 1993 ; Dorit Petschel, 175 Jahre TU Dresden, Bd. 3: Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 209; Paul Fritz F., in: Stefan Heid/Martin Dennert (Hg.), Personenlexikon zur Christlichen Archäologie. Forscher und Persönlichkeiten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, Bd. 1, Regensburg 2012, S. 493f.
Porträt Fritz F., um 1935, Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 1553, fol. 64 (Bildquelle).
Karin Müller-Kelwing
6.8.2021
Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Fritz Fichtner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/19441 [Zugriff 2.11.2024].
Fritz Fichtner
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 1553, Nr. 1960; Stadtarchiv Dresden, 6.4.25 Standesamt/Urkundenstelle, Standesamt I/Personenstandsbuch 1.2.2-27 Geburtenregister 1888, Nr. 1623, 1.2.2-43 Geburtenregister 1893, Nr. 2338, 1.2.2-80, Geburtenregister 1901, Nr. 3928, 1.4.2-22, Sterberegister 1889, Nr. 877 (ancestry.de) , 9.1.24 Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen - Krematorium Tolkewitz und Urnenhain, Einäscherungsbücher 1923/1942 (ancestry.de) ; Bundesarchiv Berlin, R 9361-IX/Kartei/8641222; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Personalakten Fritz F., MK 43591, Akten des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Universität Erlangen, MK 78130; Stadtarchiv Erlangen, Sammlung Namen III.115.F.1, 258.A.113, Historische Meldekartei und Sterberegister Nr. 1168/1969; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Universitätsarchiv, F2/1 Nr. 2245a; Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Universitätsarchiv, Lyzeum und Philosophisch-Theologische Hochschule, V A 341, V A 343, V B 511, V B 512, V B 513, V K 21.
Werke Die Dresdner Bildhauerschule des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts (Die Walther), Diss. Leipzig 1921; Die Wohlgemuth-Schule und früheste Arbeiten des jungen Albrecht Dürer, Habil. Dresden 1923; Wandmalereien der Athos-Klöster. Grundsätzliches zu den Planungen der Bildfolgen des 14.-17. Jahrhunderts. Welt- und Lebensanschauung, Ritus, Architektur, Malerei, Berlin 1931; Der Einfluß Ostasiens auf die Keramik Europas, in: Berichte der Deutschen Keramischen Gesellschaft e. V. 19/1938, S. 65-84; Von der kurfürstlichen Kunstkammer zur Porzellangalerie Zwinger. Das Schicksal der Dresdner Porzellanschätze, in: ebd. 20/1939, H. 7, S. 293-309, 21/1940, H. 9, S. 330-370, 22/1941, H. 7, S. 237-264; Meißner Porzellan für Polen und Rußland, in: ebd. 21/1940, H. 12, S. 487-520.
Literatur Peter Poscharsky, In memoriam Fritz F., in: Kirche und Kunst 47/1969, S. 58f.; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020 (P). – DBA II; Renate Wittern (Hg.), Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität 1743-1960, Teil 1: Theologische Fakultät, Juristische Fakultät, Erlangen 1993 ; Dorit Petschel, 175 Jahre TU Dresden, Bd. 3: Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 209; Paul Fritz F., in: Stefan Heid/Martin Dennert (Hg.), Personenlexikon zur Christlichen Archäologie. Forscher und Persönlichkeiten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, Bd. 1, Regensburg 2012, S. 493f.
Porträt Fritz F., um 1935, Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13859 Reichsstatthalter (Staatskanzlei), Personalamt, Nr. 1553, fol. 64 (Bildquelle).
Karin Müller-Kelwing
6.8.2021
Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Fritz Fichtner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/19441 [Zugriff 2.11.2024].