Friedrich Bernhard Eduard Struck

In zeitgenössischen Fachkreisen war S. als „Kenner der Völker und Rassen Afrikas, deren Sprachen er zahlreich beherrscht“, bekannt (zitiert nach Dresdner Anzeiger 1938). Nach mehr als zwei Jahrzehnten Tätigkeit an den Museen für Tierkunde und Völkerkunde in Dresden wechselte der überaus produktive Wissenschaftler 1936 auf eine Professur in Jena, die er trotz fachbedingter Nähe zu den wissenschaftspolitischen Zielstellungen des NS-Regimes fast bruchlos bis 1961 innehatte. – Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums in Heidelberg studierte S. zunächst dort Naturwissenschaften und Geografie. 1907 wechselte er an die Universität Berlin, wo er bis 1911 Physische Anthropologie, Geografie, Völkerkunde und Afrikanische Sprachen studierte. Zu seinen akademischen Lehrern zählten Carl Meinhof und Felix von Luschan. Bei Letzterem arbeitete S. als Assistent. Ab 1908 war er auch als Freiwilliger Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter am Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin tätig. Aufgrund der Fürsprache von Luschan beim Direktor des Königlich Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museums in Dresden, Arnold Jacobi, wechselte S. im Mai 1913 als Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an die Anthropologische Abteilung des Dresdner Museums. Diese Tätigkeit unterbrach er, um ab Januar 1915 als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg zu dienen. Erst im Januar 1919 kehrte S. ans Museum zurück. Nachdem er 1921 mit dem „Versuch einer Karte des Kopfindex im mittleren Afrika“ an der Universität Tübingen promoviert worden war, wurde er 1923 zum Kustos für Anthropologie ernannt. Im Dezember 1924 habilitierte sich S. an der Technischen Hochschule (TH) Dresden und übernahm fortan Lehraufträge. 1927 erhielt er den Professorentitel für Völkerkunde und Anthropologie. Neben der Lehre und der Museumsarbeit publizierte S. sehr rege: Im Laufe seines Lebens veröffentlichte er 265 Arbeiten zu ethnografischen, anthropologischen, linguistischen und kartografischen Themen sowie zahlreiche Rezensionen. Unzufrieden mit den beruflichen Möglichkeiten in Dresden bewarb er sich, allerdings vergeblich, an den Museen in München und Freiburg/Breisgau sowie an mehreren Universitäten, wie in Berlin, Köln, Leipzig und Wien. Gemeinsam mit dem Wiener Reiseschriftsteller und Fotografen Hugo Bernatzik ging S. von November 1930 bis April 1931 auf Forschungsreise nach Portugiesisch Guinea (heute Guinea-Bissau). Im Juni 1933 erfolgte seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der TH Dresden. Noch im selben Jahr unterzeichnete S. das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“. Eine Mitgliedschaft in der NSDAP ist zwar nicht nachweisbar. Als Ethnologe, Anthropologe und Afrikanist, der sich mit Abstammungs- und „Rassen“-Lehre befasste, bewegte er sich jedoch inmitten von Kernthemen der nationalsozialistischen Ideologie. 1927 bis 1933 gehörte er dem Beirat des Deutschen Hygiene-Museum in Dresden an und beteiligte sich dort 1934 mit drei Vorträgen an einem „Einführungskursus über Rassenkunde und Rassenpflege“ für sächsische Lehrer. Noch immer auf einen Wechsel in die akademische Lehre hoffend, bewarb sich S. als Nachfolger von Hans F. K. Günther an der Universität Jena. Bereits im Frühjahr 1936 beauftragte ihn das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung mit der vertretungsweisen Übernahme dieser Stelle. S. wurde in Dresden vom Dienst freigestellt und wechselte im Oktober 1936 nach Jena. Seine Bestallungsurkunde, mit der er zum 1.12.1937 als ordentlicher Professor an die Universität Jena berufen wurde, erhielt er allerdings erst im März 1938. S. baute das neue Institut für Anthropologie und Völkerkunde auf. Zusätzlich wirkte er 1940 bis 1943 beratend für die Kolonialwissenschaftliche Abteilung des Reichsforschungsrats, ab Januar 1941 als Leiter der Fachgruppe Koloniale Völkerkunde. Nach Kriegsende wurde S. in seinen Ämtern an der Universität Jena belassen. Da ihm keine NSDAP-Mitgliedschaft nachzuweisen war und sich Freunde wie Kollegen für ihn verbürgten, wurde S. im November 1945 das Dekanat an der Universität Jena übertragen. Als Professor für Ethnologie und Anthropologie konnte er jedoch erst ab Herbst 1946 wieder tätig werden, da beide Fächer aufgrund ihrer Nähe zum Nationalsozialismus zunächst nicht zugelassen waren. Mit Erreichen der Altersgrenze wurde S. 1955 in Jena emeritiert, übernahm jedoch noch bis März 1961 die kommissarische Vertretung des Lehrstuhls.

Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde, Archiv, MVD n20;25 Nachlass S.; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13842 Staatliches Museum für Tierkunde Dresden, Nr. 114, Bd. 2; Bundesarchiv Berlin, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung R 4901/13278, S. 311f., R 4901/24789, fol. 3487, R 9361-IX/Kartei/43690155; Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, EM, Archiv, I/MV 0817.

Werke Linguistische Kongostudien, in: Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Dritte Abteilung: Afrikanische Studien 16/1913, S. 93-112; Entwurf einer Übersichtskarte der Hauptsprachfamilien in Afrika, Berlin 1914; Die Gbaya-Sprachen (Dar-Fertit), in: Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Dritte Abteilung: Afrikanische Studien 21/1918, S. 53-100; Somatische Typen und Sprachgruppen im Kordofan. Ein Beitrag zur Methodik der Typenanalysen, in: Zeitschrift für Ethnologie 52/53/1920/1921, H. 2/3, S. 129-170; Versuch einer Karte des Kopfindex im mittleren Afrika, in: ebd. 54/1922, H. 1/5, S. 51-113; Die Chronologie der Benin-Altertümer, in: ebd. 55/1923, H. 5/6, S. 113-166; Anthropologische Ergebnisse aus Portugiesisch-Guinea, in: Hugo Adolf Bernatzik, Äthiopien des Westens. Forschungsreise in Portugiesisch-Guinea, Bd. 1, Wien 1933, S. 249-278.

Literatur Dank an einen Dresdner Forscher. Professor Dr. Bernhard S. zum 50. Geburtstag, in: Dresdner Anzeiger 27.8.1938; Johannes Bescherer, Zur Geschichte des Institutes für Anthropologie und Völkerkunde der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den Jahren 1936-1953, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 3/1953/1954, H. 1, S. 2-12 (P); Siegfried Wolf, Bernhard S. 75 Jahre, in: Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden 22/1963, S. Vf.; H. Bach, In memoriam. Bernhard S., 1888-1971, in: Anthropologischer Anzeiger 34/1973, S. 83; Sigrun Nützsche, Verzeichnis der Schriften des Anthropologen und Völkerkundlers Prof. Dr. Bernhard S. (1888-1971). Mit einer biographischen Einführung und Anmerkungen zum Verzeichnis, in: Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden 49/1996, S. 293-341; Jörg Pittelkow/Uwe Hoßfeld, „Der Letzte seiner Zunft“. Bernhard S. (1888-1971) als Anthropologe und Völkerkundler, in: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 37/2016, S. 65-82; Wolfgang Scheppe, Die Grenze als Wissenschaftsideal. Der Anthropologe und Völkerkundler Bernhard S., in: Die Vermessung des Unmenschen. Zur Ästhetik des Rassismus, hrsg. von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dresden 2016, S. 17-21; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 443-446 (P); Silvia Dolz, Bernhard S. (1888-1971): „Afrika erkennen“. Von Konstruktion und Dekonstruktion eines Weltbildes. Eine wissenschaftskritische Annäherung, in: Abhandlungen und Berichte der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen 55/2021, S. 107-145. – DBA II, III; DBE II 9, S. 78; Dorit Petschel, 175 Jahre TU Dresden, Bd. 3: Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 948f.

Porträt Porträt Friedrich Bernhard S., Fotografie, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde (Bildquelle).

Karin Müller-Kelwing
17.3.2022


Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Friedrich Bernhard Eduard Struck,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22576 [Zugriff 29.3.2024].

Friedrich Bernhard Eduard Struck



Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde, Archiv, MVD n20;25 Nachlass S.; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13842 Staatliches Museum für Tierkunde Dresden, Nr. 114, Bd. 2; Bundesarchiv Berlin, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung R 4901/13278, S. 311f., R 4901/24789, fol. 3487, R 9361-IX/Kartei/43690155; Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv, EM, Archiv, I/MV 0817.

Werke Linguistische Kongostudien, in: Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Dritte Abteilung: Afrikanische Studien 16/1913, S. 93-112; Entwurf einer Übersichtskarte der Hauptsprachfamilien in Afrika, Berlin 1914; Die Gbaya-Sprachen (Dar-Fertit), in: Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, Dritte Abteilung: Afrikanische Studien 21/1918, S. 53-100; Somatische Typen und Sprachgruppen im Kordofan. Ein Beitrag zur Methodik der Typenanalysen, in: Zeitschrift für Ethnologie 52/53/1920/1921, H. 2/3, S. 129-170; Versuch einer Karte des Kopfindex im mittleren Afrika, in: ebd. 54/1922, H. 1/5, S. 51-113; Die Chronologie der Benin-Altertümer, in: ebd. 55/1923, H. 5/6, S. 113-166; Anthropologische Ergebnisse aus Portugiesisch-Guinea, in: Hugo Adolf Bernatzik, Äthiopien des Westens. Forschungsreise in Portugiesisch-Guinea, Bd. 1, Wien 1933, S. 249-278.

Literatur Dank an einen Dresdner Forscher. Professor Dr. Bernhard S. zum 50. Geburtstag, in: Dresdner Anzeiger 27.8.1938; Johannes Bescherer, Zur Geschichte des Institutes für Anthropologie und Völkerkunde der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den Jahren 1936-1953, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 3/1953/1954, H. 1, S. 2-12 (P); Siegfried Wolf, Bernhard S. 75 Jahre, in: Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden 22/1963, S. Vf.; H. Bach, In memoriam. Bernhard S., 1888-1971, in: Anthropologischer Anzeiger 34/1973, S. 83; Sigrun Nützsche, Verzeichnis der Schriften des Anthropologen und Völkerkundlers Prof. Dr. Bernhard S. (1888-1971). Mit einer biographischen Einführung und Anmerkungen zum Verzeichnis, in: Abhandlungen und Berichte des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden 49/1996, S. 293-341; Jörg Pittelkow/Uwe Hoßfeld, „Der Letzte seiner Zunft“. Bernhard S. (1888-1971) als Anthropologe und Völkerkundler, in: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 37/2016, S. 65-82; Wolfgang Scheppe, Die Grenze als Wissenschaftsideal. Der Anthropologe und Völkerkundler Bernhard S., in: Die Vermessung des Unmenschen. Zur Ästhetik des Rassismus, hrsg. von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Dresden 2016, S. 17-21; Karin Müller-Kelwing, Zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik. Die Staatlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in Dresden und ihre Mitarbeiter im Nationalsozialismus, Köln/Weimar/Wien 2020, S. 443-446 (P); Silvia Dolz, Bernhard S. (1888-1971): „Afrika erkennen“. Von Konstruktion und Dekonstruktion eines Weltbildes. Eine wissenschaftskritische Annäherung, in: Abhandlungen und Berichte der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen 55/2021, S. 107-145. – DBA II, III; DBE II 9, S. 78; Dorit Petschel, 175 Jahre TU Dresden, Bd. 3: Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 948f.

Porträt Porträt Friedrich Bernhard S., Fotografie, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde (Bildquelle).

Karin Müller-Kelwing
17.3.2022


Empfohlene Zitierweise:
Karin Müller-Kelwing, Artikel: Friedrich Bernhard Eduard Struck,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22576 [Zugriff 29.3.2024].