Erdmuthe Dorothea von Sachsen-Zeitz
E. wuchs am Hof ihrer Eltern in Naumburg und Zeitz auf und erhielt eine ihrem Stand und ihrer künftigen Bestimmung als fürstliche Gemahlin und Mutter gemäße Erziehung, die zum größten Teil in den Händen ihrer Mutter lag. Selbstverständlich waren hierbei keine Regierungsaufgaben vorgesehen, mit denen E. später konfrontiert wurde. Bereits mit 17 Jahren wurde sie mit Landgraf
Ludwig, dem Erbprinzen von Hessen-Darmstadt, vermählt. Die Ehe konnte allerdings nicht vollzogen werden, da der Bräutigam am Tag des Beilagers (30.8.1678) verstarb. Daraufhin ging E. auf Anraten ihres Vaters und ihres Onkels, Herzog Christians I. von Sachsen-Merseburg, am 14.10.1679 eine Ehe mit dem merseburgischen Erbprinzen Christian II. ein. Diese Heirat diente in erster Linie dem nunmehr in der zweiten Generation fortgesetzten Ausbau der bereits engen verwandtschaftlich-politischen Beziehungen zwischen den beiden geschwisterlich verbundenen kursächsischen Sekundogeniturfürstentümern. Um dieses Eheprojekt zu untermauern, verbreitete ihr Vater das Gerücht, die gegenseitige Zuneigung E.s und Christians habe schon seit langem bestanden und sei durch die darmstädtische Heirat nur verhindert worden. Trotz der starken Bemühungen um die Vereinigung beider Häuser scheint gerade der enge Verwandtschaftsgrad mit dazu geführt zu haben, dass alle sechs aus dieser Ehe hervorgegangenen Söhne schon früh verstarben, ohne den Fortbestand der Merseburger Linie gesichert zu haben. Auch Thronfolger Moritz Wilhelm, der als Einziger der Söhne E.s eine mehrjährige Ehe führte, blieb wie alle seine merseburgischen Verwandten männliche Nachkommen schuldig, sodass die sachsen-merseburgische Linie mit seinem (bzw. seines Onkels Herzog Heinrich) Tod erlosch. Wie die Kinder verstarb auch E.s Gemahl schon frühzeitig (1694), und zwar vermutlich durch ein Gift, das ihm eine Hofrätin in Form einer Überdosis „Liebestrunk“ verabreicht hatte. Dieser in mehreren Quellen enthaltene Hinweis wirft ein neues Licht auf die elterlicherseits so idealisierte, aber wohl nicht in allen Details ideal geführte Ehe der beiden merseburgisch-zeitzischen Hoffnungsträger. Auch vonseiten der Herzogin Christiana, E.s Schwiegermutter, ist in den Quellen u.a. von Uneinigkeit und Widerwillen die Rede. Nachdem Kurfürst Friedrich August I. (König August II. von Polen, der Starke) die Obervormundschaft über das verwaiste merseburgische Fürstenhaus übernommen hatte, übertrug er der Herzogswitwe 1695 die Erziehungsgewalt über ihre beiden Söhne. 1698/99 erhielt E. sogar das Recht, alle hohen und niederen Bediensteten selbst anzunehmen bzw. zu entlassen. So konnte sie den nach dem Tod ihres Gemahls reduzierten Hofbeamtenapparat allmählich wieder aufbauen, wozu sogar die Gründung einer neuen Hofkapelle gehörte. Allerdings musste die Herzogswitwe nach Entzug ihrer Regierungsrechte 1705 wieder mit weniger Zuwendungen auskommen. Nach Regierungsantritt Herzog Moritz Wilhelms 1712 zog sie sich nicht völlig auf ihren Witwensitz nach Doberlug zurück, sondern verbrachte die letzten Jahre in Merseburg bzw. auf Schloss Bündorf. – Die Übernahme von Regierungsgeschäften war für E. mit enormen Belastungen verbunden. Besonders gravierend waren die Auseinandersetzungen mit dem Merseburger Domkapitel, vor dem sie sich immer wieder rechtfertigen musste. Außerdem gab es Konflikte mit dem Oberhofmarschall und späteren Kammerrat
Otto Wilhelm von Tümpling, mit dem Wittumsrat
Christian Friedrich von Brand sowie mit dem in Zörbig residierenden Schwager Herzog August. Letzterer maßte sich als ältester Bruder des verstorbenen Regenten nicht nur besondere Rechte hinsichtlich seiner lokalen Amtsgewalt an, sondern zweigte auch aus der merseburgischen Kasse große Summen für den Zörbiger Schlossbau ab, was zu Beeinträchtigungen von E.s Hofhaltung führte. Besonders schmerzhaft waren für E. schließlich die Zwistigkeiten mit ihrem Sohn Moritz Wilhelm und dessen Gemahlin. In dieser dauerhaft beklemmenden Situation erwies sich E.s geschwisterliche Verbindung zum Zeitzer Hof als vorteilhaft. Von dem engen Vertrauensverhältnis zwischen E. und ihrem Bruder, Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz, zeugt eine intensive Korrespondenz, wobei E.s emotional geladenen Briefen detaillierte Informationen über die Zustände am Merseburger Hof zu entnehmen sind. Ihre Hilfeersuchen fanden in Zeitz Gehör. Zwar bevorzugte Moritz Wilhelm eine neutrale, vermittelnde Position zwischen den Parteien und riet seiner Schwester auch zu Kompromissen, dennoch setzte er sich bei Differenzen mit dem Kurhaus politisch für sie ein und unterstützte sie auch nach Antritt ihres regierungsuntüchtigen Sohns. E. hatte also allen Grund, in ihren Bruder großes Vertrauen zu setzen, das allerdings nach der Konversion des Zeitzer Herzogs zum Katholizismus 1717 zerbrach. Aus E.s Sicht war die Abwendung des Bruders vom Luthertum mit der Nichtachtung ihrer Person gleichzusetzen. – E. war nicht nur Gemahlin eines Regenten, sondern übte zeitweise sogar selbst Regierungspflichten aus. Bei ihren Gegenspielern galt sie als berechnende Regentin, die den frühzeitigen Tod ihres Gemahls zur Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit zu nutzen wusste. So gestand man E. zwar in offiziellen Schriften „ausnehmende Regimentsgaben“ zu, inoffiziell wurde ihr jedoch „Regiersucht“ nachgesagt. Dennoch litt sie selbst unter ihren vielen „Sorgen und Correspondentzen“, welche sogar im Lebenslauf Erwähnung fanden. Darauf deuten sowohl ihre (allerdings erfolglose) Bewerbung in Quedlinburg als Äbtissin 1710 als auch ihre unzähligen Klagen hin. Dass sich trotz der stetigen politischen Gegenkräfte am eigenen Hof unter ihrer Regierung eine beachtenswerte Hofkultur in ihrem Sinne entwickeln konnte, muss als großes Verdienst der Herzogin bewertet werden.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8596/7, Loc. 8597/5, Loc. 8599/2, 19, Loc. 8600/10, 14, Loc. 10560/6, Loc. 10619/14, Loc. 10620/1, 2, 3, Loc. 10621/7, Geheimes Kabinett, Loc. 819/5, 8, Sekundogeniturherzogtum Sachsen-Merseburg, Loc. 13317 (4120), Loc. 9006/14, Sekundogeniturherzogtum Sachsen-Zeitz, Loc. 9039/4, Loc. 9077/7.
Literatur J. Säckl, Sachsen-Merseburg, in: Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, hrsg. vom Museumsverbund „Die fünf Ungleichen e.V.“ und dem Museum Schloss Moritzburg Zeitz, Petersberg 2007, S. 179-207; M. Richter, Hofmusik in Sachsen-Merseburg, in: V. Czech (Hg.), Fürsten ohne Land, Berlin 2009, S. 325-348; M. Wilde, Zwischen Ehebruch und Staatsräson, in: ders./M. Schattkowsky (Hg.), Sachsen und seine Sekundogenituren, Leipzig 2010 , S. 257-287.
Porträt Erdmuthe Dorothea, Herzogin von Sachsen-Merseburg, Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Maria Richter
20.4.2010
Empfohlene Zitierweise:
Maria Richter, Artikel: Erdmuthe Dorothea von Sachsen-Zeitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9062 [Zugriff 21.11.2024].
Erdmuthe Dorothea von Sachsen-Zeitz
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8596/7, Loc. 8597/5, Loc. 8599/2, 19, Loc. 8600/10, 14, Loc. 10560/6, Loc. 10619/14, Loc. 10620/1, 2, 3, Loc. 10621/7, Geheimes Kabinett, Loc. 819/5, 8, Sekundogeniturherzogtum Sachsen-Merseburg, Loc. 13317 (4120), Loc. 9006/14, Sekundogeniturherzogtum Sachsen-Zeitz, Loc. 9039/4, Loc. 9077/7.
Literatur J. Säckl, Sachsen-Merseburg, in: Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, hrsg. vom Museumsverbund „Die fünf Ungleichen e.V.“ und dem Museum Schloss Moritzburg Zeitz, Petersberg 2007, S. 179-207; M. Richter, Hofmusik in Sachsen-Merseburg, in: V. Czech (Hg.), Fürsten ohne Land, Berlin 2009, S. 325-348; M. Wilde, Zwischen Ehebruch und Staatsräson, in: ders./M. Schattkowsky (Hg.), Sachsen und seine Sekundogenituren, Leipzig 2010 , S. 257-287.
Porträt Erdmuthe Dorothea, Herzogin von Sachsen-Merseburg, Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Maria Richter
20.4.2010
Empfohlene Zitierweise:
Maria Richter, Artikel: Erdmuthe Dorothea von Sachsen-Zeitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9062 [Zugriff 21.11.2024].