Emmy Köhler-Richter
K. und Johannes Richter gehören zu den innovativsten sächsischen Tänzer- und Choreografen-Ehepaaren des 20. Jahrhunderts. Ihre Arbeiten repräsentierten den Realismus und verhalfen dem Tanztheater der Nachkriegszeit zu Modernität. In diesem Zusammenhang sind K.s Inszenierungen von Werner Egks „Abraxas“ sowie der avantgardistischen Interpretationen der Ballette „Dornröschen“ und „Schwanensee“ zu nennen. – Geboren in
Gera, wuchs K. in
Passau und Leipzig auf. Während ihrer Kindheit besuchte sie verschiedene Tanzkurse. 1935 bis 1937 studierte sie bei Mary Wigman Ausdruckstanz sowie bei Tatjana Gsovsky Klassisches Ballett. 1939 heiratete sie den Tänzer Johannes Richter, mit dem sie bis 1947 in
Basel,
Köln,
Weimar,
Leverkusen und Leipzig wirkte. Während der Spielzeit 1940/1941 arbeitete sie an der Deutschen Tanzbühne
Berlin. In den frühen 1950er-Jahren erhielt K., um Theorie und Praxis des Balletts zu lehren, einen Ruf an die University of
Indianapolis (USA), dem sie jedoch aufgrund der politischen Spannungen des beginnenden Kalten Kriegs nicht folgen konnte. 1953 engagierte Generalintendant Karl Kayser das Tänzer-Ehepaar am Nationaltheater in Weimar. Neben der Tätigkeit in Weimar choreografierte K. zudem 1958 Egks „Abraxas. Faust-Ballett“ für das Stadttheater
Jena. Im selben Jahr wurde Kayser Generalintendant in Leipzig und beförderte K. in die Position der Chefchoreografin des Stadttheaters Leipzig, die sie 20 Jahre innehaben sollte. In dieser Funktion hatte K. überwiegend Handlungsballette zu kreieren. Beginnend in der Interimsspielstätte „Drei Linden“ gestaltete sie 1960 die Eröffnung des neuen Leipziger Opernhauses aktiv mit. Das von K. dafür geschaffene moderne „Dornröschen“ erregte ebenso wie die etwas spätere Interpretation von „Schwanensee“, in der anstelle von Geistern und Märchenwesen reale Personen auftraten, großes Aufsehen. 1963 wurde K. dafür mit dem Amt der Ballettdirektorin der Oper Leipzig geehrt. 1965, nach einem Gastspiel des Brüsseler Opernballetts im Rahmen des Festivals „Ballett des XX. Jahrhunderts“, erhielt sie von Maurice Bèjart eine Einladung als Gastchoreografin nach Belgien - die Annahme wurde ihr jedoch von der Regierung der DDR verweigert. Alternativ dazu durfte sie in
Brünn (tschech. Brno) und
Havanna Egks „Abraxas“ choreografieren. Ferner studierte sie für das Kubanische Nationaltheater die Choreografie „Neue Odyssee“ ein. – Neben der choreografischen Tätigkeit oblag K. die Förderung des Tänzer-Nachwuchses. Gisela Wehle-Uhlmann, Marina Otto, Monika Lubitz, Norbert Thiel, Siegfried Wende und Hans-Georg Uhlmann gehörten zu ihren Schülerinnen und Schülern. – Für ihr Schaffenswerk erhielt K. zahlreiche Preise, darunter den Kunstpreis der DDR (1964), den Nationalpreis der DDR (1969) und den Kunstpreis der Stadt Leipzig (1989). 1993 wurde sie zum Ehrenmitglied der Leipziger Oper ernannt. Zu ihrem 80. Geburtstag widmete ihr das Leipziger Tanzarchiv die Ausstellung „Emmy K. - Eine Leipziger Choreographin und die europäische Tanzszene im 20. Jahrhundert“.
Quellen Universitätsbibliothek Leipzig, NL 393 Nachlass Fritz Böhme, NL 397 Nachlass Ilse Loesch, NL 400 Nachlass Eberhard Rebling; Tanzarchiv Leipzig, Plakatsammlung, Postkartensammlung, Sammelmappen; Deutsches Tanzarchiv Köln, DTK-TIS-53 Horst-Koegler-Archiv, DTK-TIS-37340 Gudrun Müller-Kutschera; Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Nachlass Hans-Martin Perthel, Nr. 6, (Bühnenbildentwurfszeichnungen für das Deutsche Nationaltheater Weimar zum 1. Bild des Balletts „Abraxas, ein Faust-Ballett“ von Werner Egk, Erstaufführung1957), Theaterzettel, mehrseitig, „Abraxas“.
Werke Choreografien: Abraxas (M: Egk), 1958, 1962; Dornröschen (M: Pjotr Iljitsch Tschaikowsky), 1960; Das Fanal (M: Wolfgang Hohensee), 1961; Gayaneh (M: Aram Chatschaturjan), 1962; Romeo und Julia (M: Sergei Sergejewitsch Prokofjew), 1963; Carmina Burana (M: Carl Orff), 1964; Till Eulenspiegel (M: Richard Strauss), 1965; Schwanensee (M: Tschaikowsky), 1966; Legende von der Liebe (M: Məlikov), 1967; Orphée et Eurydice (M: Christoph Willibald Gluck), 1967; Die steinerne Blume (M: Prokofjew), 1968; Ein Amerikaner in Paris (M: George Gershwin), 1968; Die sieben Todsünden der Kleinbürger (M: Kurt Julian Weill), 1968; Aschenbrödel (M: Prokofjew), 1969; Der Nussknacker (M: Tschaikowsky) 1970; Bolero (M: Joseph-Maurice Ravel), 1972; Carmen-Suite (M: Georges Bizet), 1972; La Esmeralda (M: Cesare Pugni), 1973; Die Erschaffung der Welt (M: Andrej Pawlowitsch Petrow), 1974; Die Idee (M: Johann Sebastian Bach, Suite Nr. 3 D-Dur), 1976; Neue Odyssee (M: unbekannt), um 1977.
Literatur Festschrift zur Eröffnung des neuen Leipziger Opernhauses, hrsg. von der Generalintendanz der Städtischen Theater Leipzig, Leipzig 1960; Christa Hain/Kurt Petermann, Das Tanzschaffen von Emmy K., Leipzig 1969 [Ms., Universitätsbibliothek Leipzig, Sammelmappen des Tanzarchiv Leipzig]; Dietmar Fritzsche, Ich würde es wieder so machen. Emmy K. erinnert sich, in: Theater der Zeit 43/1988, H. 6, S. 41-45; Fritz Hennenberg, 300 Jahre Leipziger Oper. Geschichte und Gegenwart, München 1993; Jürgen Tiede, Emmy K. Solistin, Ballettmeisterin und Choreographin, Bd. 1: Grenzüberschreitung (die Jahre 1918-1941), Leipzig 1999; Helmut Scheier, Tanzarchiv Leipzig. Ausstellung zum 80. Geburtstag von Emmy K., Review in: Ballett-Journal/Das Tanzarchiv 47/1999, H. 2, S. 58; Harald Müller/Alexander von Maravić (Hg.), Oper Leipzig. Schlaglichter auf fünf Jahrzehnte Musiktheater, Berlin 2010. – DBA III; André Loh-Kliesch (Hg.), Köhler-Richter, Emma, in: Leipziger Biographie; Rolf Richter, K., Emmy, in: Stadt Leipzig, Frauenporträts, 2014.
Porträt Emmy K., Rolf Richter, Fotografie, Stadt Leipzig, Frauenporträts, 2014 (Bildquelle)[LINK#https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseite-frauenportraets/projekt/koehler-richter-emmy/.
Uta Dorothea Sauer
16.11.2020
Empfohlene Zitierweise:
Uta Dorothea Sauer, Artikel: Emmy Köhler-Richter,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27226 [Zugriff 25.11.2024].
Emmy Köhler-Richter
Quellen Universitätsbibliothek Leipzig, NL 393 Nachlass Fritz Böhme, NL 397 Nachlass Ilse Loesch, NL 400 Nachlass Eberhard Rebling; Tanzarchiv Leipzig, Plakatsammlung, Postkartensammlung, Sammelmappen; Deutsches Tanzarchiv Köln, DTK-TIS-53 Horst-Koegler-Archiv, DTK-TIS-37340 Gudrun Müller-Kutschera; Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Nachlass Hans-Martin Perthel, Nr. 6, (Bühnenbildentwurfszeichnungen für das Deutsche Nationaltheater Weimar zum 1. Bild des Balletts „Abraxas, ein Faust-Ballett“ von Werner Egk, Erstaufführung1957), Theaterzettel, mehrseitig, „Abraxas“.
Werke Choreografien: Abraxas (M: Egk), 1958, 1962; Dornröschen (M: Pjotr Iljitsch Tschaikowsky), 1960; Das Fanal (M: Wolfgang Hohensee), 1961; Gayaneh (M: Aram Chatschaturjan), 1962; Romeo und Julia (M: Sergei Sergejewitsch Prokofjew), 1963; Carmina Burana (M: Carl Orff), 1964; Till Eulenspiegel (M: Richard Strauss), 1965; Schwanensee (M: Tschaikowsky), 1966; Legende von der Liebe (M: Məlikov), 1967; Orphée et Eurydice (M: Christoph Willibald Gluck), 1967; Die steinerne Blume (M: Prokofjew), 1968; Ein Amerikaner in Paris (M: George Gershwin), 1968; Die sieben Todsünden der Kleinbürger (M: Kurt Julian Weill), 1968; Aschenbrödel (M: Prokofjew), 1969; Der Nussknacker (M: Tschaikowsky) 1970; Bolero (M: Joseph-Maurice Ravel), 1972; Carmen-Suite (M: Georges Bizet), 1972; La Esmeralda (M: Cesare Pugni), 1973; Die Erschaffung der Welt (M: Andrej Pawlowitsch Petrow), 1974; Die Idee (M: Johann Sebastian Bach, Suite Nr. 3 D-Dur), 1976; Neue Odyssee (M: unbekannt), um 1977.
Literatur Festschrift zur Eröffnung des neuen Leipziger Opernhauses, hrsg. von der Generalintendanz der Städtischen Theater Leipzig, Leipzig 1960; Christa Hain/Kurt Petermann, Das Tanzschaffen von Emmy K., Leipzig 1969 [Ms., Universitätsbibliothek Leipzig, Sammelmappen des Tanzarchiv Leipzig]; Dietmar Fritzsche, Ich würde es wieder so machen. Emmy K. erinnert sich, in: Theater der Zeit 43/1988, H. 6, S. 41-45; Fritz Hennenberg, 300 Jahre Leipziger Oper. Geschichte und Gegenwart, München 1993; Jürgen Tiede, Emmy K. Solistin, Ballettmeisterin und Choreographin, Bd. 1: Grenzüberschreitung (die Jahre 1918-1941), Leipzig 1999; Helmut Scheier, Tanzarchiv Leipzig. Ausstellung zum 80. Geburtstag von Emmy K., Review in: Ballett-Journal/Das Tanzarchiv 47/1999, H. 2, S. 58; Harald Müller/Alexander von Maravić (Hg.), Oper Leipzig. Schlaglichter auf fünf Jahrzehnte Musiktheater, Berlin 2010. – DBA III; André Loh-Kliesch (Hg.), Köhler-Richter, Emma, in: Leipziger Biographie; Rolf Richter, K., Emmy, in: Stadt Leipzig, Frauenporträts, 2014.
Porträt Emmy K., Rolf Richter, Fotografie, Stadt Leipzig, Frauenporträts, 2014 (Bildquelle)[LINK#https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseite-frauenportraets/projekt/koehler-richter-emmy/.
Uta Dorothea Sauer
16.11.2020
Empfohlene Zitierweise:
Uta Dorothea Sauer, Artikel: Emmy Köhler-Richter,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27226 [Zugriff 25.11.2024].