Christoph Gottlob Grundig
G.s reges publizistisches Schaffen als Theologe und Naturhistoriker gilt als bedeutende Leistung in der sächsischen Wissenschaftsgeschichte. Seine einzigartige Bücher- und Mineraliensammlung gab wichtige Impulse für die Entwicklung seiner Wahlheimat Freiberg zu einem weltweit anerkannten Zentrum der Montanwissenschaften. – G. entstammte einer namhaften Pfarrersfamilie. Bis zum 15. Lebensjahr hatte er vorzugsweise Privatunterricht. 1717 bis 1719 hielt sich G. an der Kreuzschule in Dresden auf, wo sein Onkel Johann Zacharias Grundig seit 1713 Kreuzkantor war. Von 1722 an besuchte er das Gymnasium in Freiberg. Dort entwickelte der wissbegierige Schüler unter der Förderung des Bergrats Johann Friedrich Henckel seine Leidenschaft für die Mineralogie. Dem von ihm sehr verehrten Mentor Henckel hat G. später ein literarisches Denkmal gesetzt. – Dem breiten wissenschaftlichen Interesse G.s entsprach ein 1728 begonnenes Studium der Philosophie, Theologie, Geschichte und Altertumskunde in Leipzig, verbunden mit dem Erwerb vielfältiger Sprachkenntnisse. Durch Familienangehörige und die Dresdner Kreuzschule bereits mit pietistischem Gedankengut vertraut, beschäftigte sich G. in Leipzig intensiv mit den Schriften Philipp Jakob Speners, knüpfte Verbindungen nach
Halle und betätigte sich in pietistischen Zirkeln, die sein späteres Verständnis des geistlichen Amts entscheidend beeinflussten. Früher als geplant, sah sich G. 1731 durch den plötzlichen Tod des Vaters veranlasst, die Universität zu verlassen. Anlässlich der Verabschiedung aus Leipzig nach dem Erwerb des Magistergrads publizierte G. seine erste Schrift unter dem Titel „Die letzten Worte unter Freunden“. Der junge Gelehrte fand Anstellung als Privatlehrer im Haushalt von Gottlieb Hieronymus von Leipziger, der zur Verwaltung des sächsischen Teils der Grafschaft Mansfeld nach
Eisleben abgeordnet war. Als Leipziger 1733 nach Dresden zurückgerufen wurde, vollzog auch G. den Ortswechsel mit. In der Elbestadt erlebte er den Aufbau der Frauenkirche und schloss sich der dortigen Predigergesellschaft an. Parallel dazu baute er Beziehungen zur kurfürstlichen Kunstkammer und zu dem von Johann Gottlieb Michaelis geleiteten mathematisch-physikalischen Kabinett auf. – 1737 trat G. seine erste Pfarrstelle in Hermannsdorf bei Annaberg an. Neben seinem sorgfältigen, von der Gemeinde hochgeschätzten pastoralen Dienst stellte G. umfangreiche Naturbeobachtungen an und begann 1747 mit der Herausgabe einer Monatszeitschrift unter dem Titel „Neue Versuche nuetzlicher Sammlungen zur Natur- und Kunstgeschichte, sonderlich in Obersachsen“. Als Drucker konnte er den renommierten Schneeberger Verleger Carl Wilhelm Fulde gewinnen, mit dem er zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb. Über das bis 1765 erscheinende Periodikum nahm G. an den naturwissenschaftlichen Debatten seiner Zeit teil. Indem er dabei die bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnisse des 18. Jahrhunderts nicht als Widerspruch zur biblischen Schöpfungslehre, sondern als Erweis der Existenz eines wunderschaffenden Gottes im Sinne der Physikotheologie darzustellen versuchte, profilierte sich G. als Vermittler zwischen kirchlichen Dogmen und aufklärerischen Ideen. – Diese Geisteshaltung zeichnete ihn auch auf seinen weiteren Berufsstationen aus. Ab 1749 fungierte G. als Oberpfarrer in Schneeberg, 1758/1759 folgte eine kurze Schaffensperiode als Superintendent in Glauchau und von 1759 bis zu seinem Tod wirkte G. in gleicher Position in Freiberg. In Schneeberg verfasste G. 1750 mit Unterstützung seines Jugendfreundes Adolph Beyer das Liederbuch „Geistlicher Bergbau“, das als Sammlung von Berggebeten und Berggesängen bis heute einen hohen Quellenwert besitzt und auch sechs Eigendichtungen G.s enthält. Geradezu bahnbrechend wirkte 1756 G.s „Historisch kritisches Verzeichniß alter und neuer Schriftsteller von dem Erdboeben“. In Reaktion auf das aufsehenerregende Erdbeben von
Lissabon am 1.11.1755 entstanden, verzeichnet das Werk mehr als 100 in sechs europäischen Sprachen erschienene erdbebenkundliche Schriften und stellt damit die weltweit erste seismologische Fachbibliografie dar. Ein publizistischer Ertrag seiner Glauchauer Zeit waren 1760 eine kirchengeschichtliche Abhandlung zu der Reußisch-Schönburgischen Konfession von 1567 und die vermutlich von Graf Albert Christian Ernst von Schönburg angeregte Bibliografie unter dem Titel „Kurze Anzeige der zur Geschichte des Hochreichsgräfl. Hauses von Schönburg dienlichen Werke und Schriften“ von 1764. Die Freiberger Spätschriften setzen sich u.a. mit der schweren Hungersnot der Jahre 1771/1772 auseinander. Der seelsorgerliche Beistand, den sie vermitteln, wurde ergänzt durch G.s großzügige materielle Zuwendungen an Notleidende. – Indem G. trotz zunehmender Kränklichkeit auch in Freiberg weiterhin kontinuierlich seismologische, balneologische, hydrologische und andere Beiträge veröffentlichte und den Gedankenaustausch mit Gelehrten wie Abraham Gottlob Werner, Carl Friedrich Zimmermann und Johann Heinrich Winckler pflegte, erscheint es berechtigt, ihn zu den geistigen Vorbereitern der Gründung der Freiberger Bergakademie im Jahr 1765 zu zählen. Zumindest hat sich G. lebhaft an der Fachdiskussion um eine sinnvolle Mineralienklassifikation beteiligt. Das schließlich von A. G. Werner entwickelte Klassifikationsschema besaß eine wichtige Basis in G.s über 3.300 Stücke umfassenden und unter seinen Zeitgenossen legendären Mineralienkollektion. Ebenso wurde seine Privatbibliothek mit mehr als 4.000 Bänden von Forschern aller Fachrichtungen rege genutzt. – Am 15.5.1780 erlitt G. während der Sonntagspredigt einen Schwächeanfall. Nur notdürftig erholt, starb er knapp drei Monate später. Ein Teil seines Nachlasses wurde von A. G. Werner übernommen.
Quellen Denkmal Herrn M. Christoph Gottlob G., Pastoris primarii, Superintendenten und Schulinspectoris zu Freyberg, Freiberg 1781.
Werke Die letzten Worte unter Freunden, Leipzig 1731; Geschichte und wahre Beschaffenheit derer heutigen Deisten und Freidencker, 2 Bde., Köthen 1748/1749; Geistlicher Bergbau, Schneeberg 1750, 21781; Neue Versuche nuetzlicher Sammlungen zur Natur- und Kunstgeschichte, sonderlich in Obersachsen, Schneeberg 1/1746/1750-4/1757/1765; Historisch kritisches Verzeichniß alter und neuer Schriftsteller von dem Erdboeben, Schneeberg 1756; Zu Freyberg im Quartale Crucis 1759 gehaltene Bergpredigt, Freiberg 1759; De confessione Rutheno-Schoenburgica, Freiberg 1760; Kurze Anzeige der zur Geschichte des Hochreichsgräfl. Hauses von Schönburg und dessen Graf- und Herrschafften dienlichen Werke und Schriften, Freiberg 1764; Gebete und Lieder bey der Theuerung und Hungersnoth, Freiberg 1771; Dankgebet und Lied nach der großen Hungersnoth, Freiberg 1772; Pflichten der Reichen und der Armen, Freiberg 1773.
Literatur Ernst Eckardt, Chronik von Glauchau, Glauchau 1882; P. Schmidt, Superintendent Christoph Gottlob G. (1707-1780) und seine Verdienste um die Seismologie, in: Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 42/1996, S. 89-97; Gabriele Meißner, Christoph Gottlob G. 1707-1780, Höckendorf 2002 (P, WV); Walther Herrmann, Bergrat Henckel: ein Wegbereiter der Bergakademie, Berlin 2005. – DBA I, II.
Porträt Christoph Gottlob G., Christian Gottlieb Geyser, Druck nach: Johann Lindner, nach 1780, Punzenstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, Porträtsammlung, Inventar-Nr. PORT_00020912_01 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz]; Christoph Gottlob G., Kupferstich, TU Bergakademie Freiberg, Bibliothek.
Michael Wetzel
29.10.2020
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Christoph Gottlob Grundig,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18513 [Zugriff 22.12.2024].
Christoph Gottlob Grundig
Quellen Denkmal Herrn M. Christoph Gottlob G., Pastoris primarii, Superintendenten und Schulinspectoris zu Freyberg, Freiberg 1781.
Werke Die letzten Worte unter Freunden, Leipzig 1731; Geschichte und wahre Beschaffenheit derer heutigen Deisten und Freidencker, 2 Bde., Köthen 1748/1749; Geistlicher Bergbau, Schneeberg 1750, 21781; Neue Versuche nuetzlicher Sammlungen zur Natur- und Kunstgeschichte, sonderlich in Obersachsen, Schneeberg 1/1746/1750-4/1757/1765; Historisch kritisches Verzeichniß alter und neuer Schriftsteller von dem Erdboeben, Schneeberg 1756; Zu Freyberg im Quartale Crucis 1759 gehaltene Bergpredigt, Freiberg 1759; De confessione Rutheno-Schoenburgica, Freiberg 1760; Kurze Anzeige der zur Geschichte des Hochreichsgräfl. Hauses von Schönburg und dessen Graf- und Herrschafften dienlichen Werke und Schriften, Freiberg 1764; Gebete und Lieder bey der Theuerung und Hungersnoth, Freiberg 1771; Dankgebet und Lied nach der großen Hungersnoth, Freiberg 1772; Pflichten der Reichen und der Armen, Freiberg 1773.
Literatur Ernst Eckardt, Chronik von Glauchau, Glauchau 1882; P. Schmidt, Superintendent Christoph Gottlob G. (1707-1780) und seine Verdienste um die Seismologie, in: Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 42/1996, S. 89-97; Gabriele Meißner, Christoph Gottlob G. 1707-1780, Höckendorf 2002 (P, WV); Walther Herrmann, Bergrat Henckel: ein Wegbereiter der Bergakademie, Berlin 2005. – DBA I, II.
Porträt Christoph Gottlob G., Christian Gottlieb Geyser, Druck nach: Johann Lindner, nach 1780, Punzenstich, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv und Grafiksammlung, Porträtsammlung, Inventar-Nr. PORT_00020912_01 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz]; Christoph Gottlob G., Kupferstich, TU Bergakademie Freiberg, Bibliothek.
Michael Wetzel
29.10.2020
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Christoph Gottlob Grundig,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18513 [Zugriff 22.12.2024].