Bernhard Gutmann

Bernhard Gutmann arbeitete in Dresden als Bankier und Lotterieunterkollekteur. Die Räume des „Bankhauses Bernhard Gutmann“ befanden sich in einer guten Geschäftslage auf der Schloßstraße 22 (später Nr. 24) in unmittelbarer Nachbarschaft zum Residenzschloss. Gutmann gelang der Sprung in eine höhere Gesellschaftsschicht, der für Juden in der Regel nur über materiellen Reichtum möglich war. Bereits seinen Eltern, dem Synagogenvorsteher Moses Gutmann und dessen Ehefrau Henriette Gutmann, war bewusst, dass es einen weiteren wichtigen Zugang gab: die Bildung. Deshalb ermöglichten sie für Gutmann, einem ihrer elf Kinder, den Besuch eines Gymnasiums. Das war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für Juden ein seltenes Privileg. – Gutmanns Eltern verstarben früh: die Mutter 1834 im Alter von etwa 40 Jahren im Wochenbett und zwei Jahre später der Vater im Alter von 46 Jahren. Gutmann war gerade volljährig geworden und kümmerte sich um die Verwaltung des nicht unerheblichen Erbes für seinen zehn Jahre jüngeren Bruder Moritz, was bereits auf seine fachkundige Tätigkeit im Finanzbereich hindeutet. Im gleichen Jahr beantragte Gutmann die Genehmigung zur Gründung einer „eigenen Oekonomie“ sowie für die Verehelichung mit Marie Lederer. Vermutlich handelte es sich dabei, wie damals üblich, um eine arrangierte Ehe. Ihr Vater Markus Lederer, ein Bankier aus dem böhmischen Libochowitz (tschech. Libochovice), hinterlegte 100 Gulden bei Gutmann für die Eheschließung. Am 20.6.1837 heirateten Gutmann und Marie Lederer in ihrer Heimatstadt. Von den 13 Kindern des Paars starben zwei bereits im Kindesalter und zwei weitere Töchter als junge Frauen. Erst am 17.12.1850 erhielt Gutmann das Dresdner Bürgerrecht. – Für Gutmann war es nicht möglich, nach dem Gymnasium ein Studium aufzunehmen. Dennoch folgte er lebenslang seinem Kultur- und Bildungsinteresse. So war er eines der wenigen jüdischen Mitglieder im Sächsischen Kunstverein. V.a. hatte es Gutmann und seinen Freunden aber die Literatur angetan. Zu seinem Freundeskreis gehörten Louis Lesser, der spätere Rabbiner Wolf Landau sowie Bernhard Hirschel, Veith Meyer, die Juweliersöhne Eduard und Isidor Kaim und Joseph Elb. Vermutlich unterstützte Gutmann deren Initiative, 1833 eine eigene Literaturzeitschrift unter dem Namen „Akrothinia“ herauszugeben. 1835 bürgte der spätere Bankier Lesser für den 20-jährigen Gutmann, damit dieser Mitglied in der „Union“ werden konnte, einer 1833 gegründeten jüdischen Vereinigung mit dem Ziel die Kultur und moralische Bildung der Juden zu fördern. Hier trafen sich mehrmals in der Woche bis zu 70 Personen, um sich miteinander auszutauschen, zu lesen, Theater- und Musikproben zu erleben, zu tanzen oder einfach Billard zu spielen. Es war ein wichtiger gesellschaftlicher Mittelpunkt, wo es auch möglich war, private und geschäftliche Kontakte zu knüpfen. – Wirtschaftlich war Gutmann mit seinem Privatbankhaus schnell erfolgreich und konnte für die große Familie eine Villa an der Bürgerwiese und 1874 nahe Dresden das Schloss Schönfeld kaufen. Seine Söhne Karl, [Maximilian#0000] und Alfred Gutmann waren später in seinem Unternehmen tätig. Wie seine Brüder hatte auch der Sohn Eugen das Bankgeschäft gelernt. Doch 1865 kam es zum Zerwürfnis mit dem Vater - angeblich wegen eines „liederlichen“ Lebenswandels und Schuldenmachens. Der Sohn ging zeitweise nach Wien und Pest. Zurückgekehrt nach Dresden wurde er zum wichtigsten Protagonisten bei der Entstehung der Dresdner Bank - und damit zum erfolgreichsten Mitglied der Familie Gutmann. – Gutmann blieb stets der jüdischen Gemeinde in Dresden verbunden und entgegen der damalig weitverbreiteten Bestrebung zur Assimilation ließ er seine Kinder nicht taufen. Die Wahrung der Traditionen war Gutmann besonders wichtig. Er engagierte sich im Synagogenvorstand und im Jüdischen Wohlfahrtsverein. Für seine Eltern ließ er deren Grabstein auf dem Alten Jüdischen Friedhof kostenaufwendig erneuern. Mindestens 20 Personen seines engeren Familienkreises wurden auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Dresden-Johannstadt bestattet. Gemeinsam mit seiner Frau und fünf seiner Kinder fand er Platz in der von ihm gekauften monumentalen Erbbegräbnisstätte. Gutmann starb am 2.7.1894 im Alter von 79 Jahren nach einem Schlaganfall. Seine Hinterbliebenen würdigten ihn auf seinem Grabmal mit der Inschrift als „Haupt unserer Familie, unser vielgeliebter Vater, Grossvater und Urgrossvater“. Das entsprach genau seinem patriarchalen Selbstbild.

Quellen HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Archiv, Abschrift des Sterberegisters der Jüdischen Gemeinde in Dresden 1786 bis 1910, Gesamtdokumentation des Alten Jüdischen Friedhofes in Dresden an der Pulsnitzer Str. 12, Gesamtdokumentation des Neuen Israelitischen Friedhofes in Dresden auf der Fiedlerstr. 3; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10002 Urkunden aus der Finanzverwaltung, Nr. 15868 Kauf mit dem Bankier Bernhard Gutmann in Dresden um das bisherige Kammergut Schönfeld mit Zubehör; Stadtarchiv Dresden, Sächsischer Kunstverein 1829-1927, 2.1 Ratsarchiv, C.XLII.192 Bernhard Gutmann an Stadtrat, 19.12.1836, 2.3.9 Gewerbeamt, G.5857 Bernhard, Maximilian Gutmann, Banquier, Gesuch um das Bürgerrecht, 1850; Historisches Adressbuch Dresden 1884; A Jewish Youth in Dresden. The Diary of Louis Lesser 1833-1837, hrsg. von Christopher R. Friedrichs, Bethesda (Maryland) 2011; epidat - epigraphische Datenbank.

Literatur Heinrich Schnee, Die Hoffinanz und der moderne Staat. Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus, Bd. 2: Die Institution des Hoffaktorentums in Hannover und Braunschweig, Sachsen und Anhalt, Mecklenburg, Hessen-Kassel und Hanau, Berlin 1954; Hans Magnus Enzensberger (Hg.), O.M.G.U.S. Ermittlungen gegen die Dresdner Bank, Nördlingen 1986; Hans G. Meyen, 120 Jahre Dresdner Bank. Unternehmens-Chronik 1872 bis 1992, Frankfurt/Main 1992; Christopher R. Friedrichs, Jüdische Jugend im Biedermeier. Ein unbekanntes Tagebuch aus Dresden 1833-1837, Baalsdorf 1997; Volker Helas, Die Dresdner Bank in Dresden. Architektur und Lebensspuren, Dresden 1998, S. 21-25; Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002; Der Alte Jüdische Friedhof in Dresden, hrsg. von HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Teetz 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - jüdisches Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Dieter Ziegler, Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, München 2006; Simon Goodman, The Orpheus clock. The search for my family’s art treasures stolen by the Nazis, London/Melbourne/New York 2015; Heike Liebsch, Im Tod vereint - die Familie Gutmann, in: dies. (Hg.), Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden, Berlin/Leipzig 2021, S. 248-251; Laura Herr/Yi Liu, Den Kopf oben behalten. Der Bankier Eugen Gutmann (1840-1925), Frankfurt/Main 2023.

Heike Liebsch
8.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Heike Liebsch, Artikel: Bernhard Gutmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29403 [Zugriff 29.10.2025].

Bernhard Gutmann



Quellen HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Archiv, Abschrift des Sterberegisters der Jüdischen Gemeinde in Dresden 1786 bis 1910, Gesamtdokumentation des Alten Jüdischen Friedhofes in Dresden an der Pulsnitzer Str. 12, Gesamtdokumentation des Neuen Israelitischen Friedhofes in Dresden auf der Fiedlerstr. 3; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10002 Urkunden aus der Finanzverwaltung, Nr. 15868 Kauf mit dem Bankier Bernhard Gutmann in Dresden um das bisherige Kammergut Schönfeld mit Zubehör; Stadtarchiv Dresden, Sächsischer Kunstverein 1829-1927, 2.1 Ratsarchiv, C.XLII.192 Bernhard Gutmann an Stadtrat, 19.12.1836, 2.3.9 Gewerbeamt, G.5857 Bernhard, Maximilian Gutmann, Banquier, Gesuch um das Bürgerrecht, 1850; Historisches Adressbuch Dresden 1884; A Jewish Youth in Dresden. The Diary of Louis Lesser 1833-1837, hrsg. von Christopher R. Friedrichs, Bethesda (Maryland) 2011; epidat - epigraphische Datenbank.

Literatur Heinrich Schnee, Die Hoffinanz und der moderne Staat. Geschichte und System der Hoffaktoren an deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus, Bd. 2: Die Institution des Hoffaktorentums in Hannover und Braunschweig, Sachsen und Anhalt, Mecklenburg, Hessen-Kassel und Hanau, Berlin 1954; Hans Magnus Enzensberger (Hg.), O.M.G.U.S. Ermittlungen gegen die Dresdner Bank, Nördlingen 1986; Hans G. Meyen, 120 Jahre Dresdner Bank. Unternehmens-Chronik 1872 bis 1992, Frankfurt/Main 1992; Christopher R. Friedrichs, Jüdische Jugend im Biedermeier. Ein unbekanntes Tagebuch aus Dresden 1833-1837, Baalsdorf 1997; Volker Helas, Die Dresdner Bank in Dresden. Architektur und Lebensspuren, Dresden 1998, S. 21-25; Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002; Der Alte Jüdische Friedhof in Dresden, hrsg. von HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Teetz 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - jüdisches Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Dieter Ziegler, Die Dresdner Bank und die deutschen Juden, München 2006; Simon Goodman, The Orpheus clock. The search for my family’s art treasures stolen by the Nazis, London/Melbourne/New York 2015; Heike Liebsch, Im Tod vereint - die Familie Gutmann, in: dies. (Hg.), Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden, Berlin/Leipzig 2021, S. 248-251; Laura Herr/Yi Liu, Den Kopf oben behalten. Der Bankier Eugen Gutmann (1840-1925), Frankfurt/Main 2023.

Heike Liebsch
8.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Heike Liebsch, Artikel: Bernhard Gutmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29403 [Zugriff 29.10.2025].