Alfred Stübel

S. entstammte einer alten Juristenfamilie. Nach dem Besuch der Kreuzschule in Dresden (1839-1841) und der Fürstenschule St. Afra in Meißen (bis 1846) führte er mit dem Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig (bis 1849) und darauf folgender praktischer Ausbildung bei verschiedenen Advokaten und Gerichten in Leipzig und Dresden zunächst die Familientradition fort. An der Universität Jena erwarb er 1855 die juristische Doktorwürde. Bereits 1853 hatte er sich in Dresden als Rechtsanwalt und Notar niedergelassen. In das Dresdner Stadtverordnetenkollegium trat S. 1856 ein und wurde Vorsitzender des Finanzausschusses, dann dessen erster Vizevorsteher. Sein berufsmäßiger Wechsel in die Stadtverwaltung erfolgte am 9.8.1866 nach der Wahl zum besoldeten Stadtrat am 25.7. Er übernahm die Leitung des Bauamts und der städtischen Gartenanlagen. Im November 1875 zum 2. (nach späterer Korrektur der Zählung 3.) Bürgermeister gewählt, war er u.a. zuständig für Gemeindewahlangelegenheiten sowie für Bürgerrechts-, Syndikats- und Verfassungssachen. Nach dem Tod von Oberbürgermeister Friedrich Wilhelm Pfotenhauer erfolgte am 24.4.1877 die Wahl S.s zum Oberbürgermeister der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden und vier Tage später die Amtseinweisung. – Die Entwicklung Dresdens zur Großstadt nahm durch die Förderung S.s einen bemerkenswerten Aufschwung. Die Einwohnerzahl stieg von 156.024 (1867) auf 336.440 (1895); neue Stadtviertel entstanden (Südvorstadt, Johannstadt, Schweizer und Preußisches Viertel), Strehlen und Striesen wurden 1892 eingemeindet. Im Vordergrund stand für S. die zielstrebige Schaffung der notwendigen Infrastruktur. Diesen Weitblick hatte er auf zahlreichen Reisen (u.a. Schweiz, Frankreich, Italien, Österreich, Niederlande) erworben. Zur Verbesserung der Wasserversorgung unterstützte er den Bau des Wasserwerks Saloppe (1871-1875) und den Ausbau der Kanalisation. Seit 1886 setzte sich S. für den Bau eines Elektrizitätswerks ein. Zur Verbesserung der Verkehrssituation trugen zahlreiche Straßendurchbrüche, der Bau von Elbbrücken (Albertbrücke 1877, Carolabrücke 1895), die Anlage des Hafens im Ostragehege (1895), die Umgestaltung der Bahnhofsanlagen und der Ausbau des Straßenbahnnetzes bei. Große Bedeutung maß S. auch der Pflege des öffentlichen Gartenwesens bei, u.a. wurde die städtische Bürgerwiese erweitert. Die Errichtung öffentlicher städtischer sozialer Einrichtungen, v.a. Volks- und höhere Schulen, Bürgerhospital (1894), aber auch Markthallen (Antonsplatz 1891-1893, Weißeritzstraße 1893-1895) fand seine Unterstützung. – S. stellte die Stadtverwaltung auf die erhöhten Anforderungen ein. Das Bauamt wurde neu organisiert, indem Hoch- und Tiefbau getrennt und die jeweiligen Leiterstellen mit Fachleuten besetzt wurden. Zum Bau eines neuen Rathauses für die steigende Zahl städtischer Mitarbeiter schuf er durch den Kauf zahlreicher Grundstücke die Voraussetzung. Bereits bei seinem Amtsantritt als Oberbürgermeister und Vorstand der 1. Ratsabteilung hatte S. die Veröffentlichung eines jährlichen Verwaltungsberichts eingeführt. Dem Stadtarchiv widmete er große Aufmerksamkeit und regte die Errichtung der Stadtbibliothek, des Stadtmuseums und des Statistischen Amts an. In zähem Ringen um bessere Abstimmung zwischen Rat und Stadtverordneten v.a. in Finanzfragen behielt S. stets das Wohlergehen des Gemeinwesens im Blick und wahrte dabei die Stellung des Rats. – Auch das künstlerische Leben in der Stadt fand S.s Interesse und Unterstützung, so beim Bau einer städtischen Ausstellungshalle und der Errichtung zahlreicher Denkmäler und Brunnen. Ab 1852 war er Mitglied des Sächsischen Kunstvereins (1864 Mitglied des Direktoriums, 1875-1892 Vorsitzender). Als Oberbürgermeister war er auch erster Verwalter der Güntz-Stiftung und seit 1880 Vorstand der Tiedge-Stiftung. – Die Interessen der Stadt vertrat S. seit der Amtsübernahme als Oberbürgermeister im Sächsischen Landtag als Mitglied und 1885 bis 1894 als Vizepräsident der Ersten Kammer. 1881 bis 1884 war er Abgeordneter des 5. Wahlkreises des Königreichs Sachsen (Dresden links der Elbe) im Deutschen Reichstag, in dem er sich der nationalliberalen Fraktion angeschlossen hatte. – Als S. im Januar 1895 wegen seines schlechten Gesundheitszustands zum 31.3. die Entlassung beantragte, der Tod ihn aber bereits am 9.3. ereilte, war er ein hoch geehrter Mann. Bereits seit 1887 war er Ehrenmitglied der Königlichen Akademie der Bildenden Künste und seit 1891 anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums als Ratsmitglied Ehrenbürger der Stadt. Ihm wurden zahlreiche Auszeichnungen verliehen, u.a. der Königlich Sächsische Verdienstorden Kommandeurkreuz 2. Klasse und Albrechtsorden Kommandeurkreuz 1. Klasse, der Königlich Preußische Roter Adler-Orden Kreuz 2. Klasse und Kronenorden Kreuz 2. Klasse. 1895 beschlossen Rat und Stadtverordneten die Errichtung einer „Stübel-Stiftung“, deren Stiftungskapital die Witwe erhöhte und im Sinne S.s bestimmte, den Zinsertrag zur „Unterstützung von Unterbeamten des Rats zu Dresden in Krankheitsfällen sowie zur Wiederherstellung und Kräftigung der Gesundheit“ zu verwenden. Weitere Stiftungen für soziale Zwecke hielten das Andenken an S. aufrecht, z.B. der Stübel-Fonds zur Unterstützung von Kurrendanern der Kreuzschule und die Julius und Auguste Stübel-Freistellen-Stiftung. 1898 wurde ein Platz (heute Straßburger Platz) nach Oberbürgermeister S. benannt, den ab 1901 ein Brunnen mit seinem Medaillenporträt zierte (1945 zerstört). Seit 1895 erinnert an ihn die Stübelallee in Dresden.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Nachlass Familie S.; Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv; Universitätsarchiv Jena, Promotionsakte der Juristischen Fakultät 1855.

Werke Kaiserfeier der Dresdner Bürgerschaft am 21. März im großen Saale des Gewerbehauses, Dresden 1887.

Literatur Nachruf, in: Dresdner Anzeiger 10.3.1895, Nr. 69, 10. Beilage; O. Richter, Oberbürgermeister Dr. S. †, in: Dresdner Geschichtsblätter, hrsg. vom Verein für Geschichte Dresdens 2/1895, S. 1f.; ders., Geschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 bis 1902, hrsg. vom Rat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt, Dresden 1903 (P); 49. Ratsdrucksache 1913, S. 37, 79, 123; K. Kregelin, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Friedrich Wilhelm Pfotenhauer und Paul Alfred S., in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 2, Altenburg 1996, S. 56-63 (P); C. Hermann, Ehrenbürger der Stadt Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch, Bd. 11, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Altenburg 2005, S. 262 (P). – ADB 55, S. 633f.; DBA I, II, III; DBE 9, S. 607; G. Beutel, Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten, hrsg. vom Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1908, Bl. 38 (Bildquelle).

Christel Hermann
9.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Alfred Stübel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3835 [Zugriff 12.11.2024].

Alfred Stübel



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Nachlass Familie S.; Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv; Universitätsarchiv Jena, Promotionsakte der Juristischen Fakultät 1855.

Werke Kaiserfeier der Dresdner Bürgerschaft am 21. März im großen Saale des Gewerbehauses, Dresden 1887.

Literatur Nachruf, in: Dresdner Anzeiger 10.3.1895, Nr. 69, 10. Beilage; O. Richter, Oberbürgermeister Dr. S. †, in: Dresdner Geschichtsblätter, hrsg. vom Verein für Geschichte Dresdens 2/1895, S. 1f.; ders., Geschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 bis 1902, hrsg. vom Rat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt, Dresden 1903 (P); 49. Ratsdrucksache 1913, S. 37, 79, 123; K. Kregelin, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Friedrich Wilhelm Pfotenhauer und Paul Alfred S., in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 2, Altenburg 1996, S. 56-63 (P); C. Hermann, Ehrenbürger der Stadt Dresden, in: Dresdner Geschichtsbuch, Bd. 11, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Altenburg 2005, S. 262 (P). – ADB 55, S. 633f.; DBA I, II, III; DBE 9, S. 607; G. Beutel, Bildnisse hervorragender Dresdner aus fünf Jahrhunderten, hrsg. vom Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1908, Bl. 38 (Bildquelle).

Christel Hermann
9.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Alfred Stübel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3835 [Zugriff 12.11.2024].