Friedrich Wilhelm Pfotenhauer

P. stand 28 Jahre an der Spitze der städtischen Verwaltung der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden und er war hier der erste Amtsträger mit dem Titel „Oberbürgermeister“. In seiner Amtszeit erlebte er viele politische Veränderungen und die Regierungsherrschaft von drei sächsischen Königen: Friedrich August II., Johann und Albert. – P. verbrachte seine Kindheit in Glauchau. Er besuchte 1824 bis 1832 in Dresden die Kreuzschule und studierte anschließend bis 1835 an der Leipziger Universität Rechtswissenschaften. Zurück in Glauchau arbeitete er in einer Rechtsanwaltspraxis und war bis Ende 1838 Direktor mehrerer Gerichtshaltereien. Neujahr 1842 erlangte er die Advokatur und war ab September 1842 in Glauchau Bürgermeister und Stadtschreiber. Am 2.4.1843, nach Einführung der neuen Städteordnung, wurde er endgültig zum Bürgermeister gewählt. 1848 zog er als Abgeordneter des 14. städtischen Wahlbezirks Glauchau (Hohenstein, Meerane, Ernstthal, Glauchau, Waldenburg) in die Zweite Kammer des Sächsischen Landtags und wurde deren Vizepräsident. 1848 zum Ehrenbürger von Glauchau ernannt, wechselte P. im gleichen Jahr nach Dresden, wo er am 23.8. von den Stadtverordneten mit 47 von 57 Stimmen zum ersten Stadtrat auf Lebenszeit gewählt wurde. Er trat das Amt am 2.12.1848 an und war damit auch Stellvertreter des Bürgermeisters und des Polizeidirektors, Mitglied der Kommission der Kreuzschule (bis Anfang 1851) und der Polizeideputation sowie Deputierter zu den Innungen der Goldarbeiter, Kaufleute, Uhrmacher und Schuhmacher. Bereits ab 2.1.1849 übernahm P. wegen der schweren Erkrankung von Bürgermeister Siegmund Robert Schanz, der erst zwei Monate im Amt war und am 22.1.1849 verstarb, den Vorstand des Rats. Am 16.7.1849 wurde P. von den Stadtverordneten zum Bürgermeister gewählt. Die Bestätigung durch die Königliche Kreisdirektion erfolgte erst im Dezember 1850 und die Amtseinweisung am 21.12.1850 - nach Niederschlagung der gegen ihn geführten Untersuchungen wegen seines Verhaltens während des Maiaufstands 1849. – Mit Amtsantritt setzte sich P. für Reorganisation und Umstrukturierung der Verwaltung ein, weil sie nicht mehr den Anforderungen der Zeit entsprach. Mit Wirkung vom 1.11.1853 wurden nach Zustimmung des Königs und des Ministeriums des Innern die Ratsaufgaben auf zwei Abteilungen verteilt sowie dem bisherigen Bürgermeister P. der Titel „Oberbürgermeister“ und den beiden Abteilungsdirektoren der Titel „Bürgermeister“ übertragen. Als Oberbürgermeister war P. zugleich mit dem Referat Bürgerrechts-Erteilungen beauftragt. Andere wichtige Veränderungen in der Verwaltungsstruktur erfolgten mit dem Übergang der städtischen Gerichtsbarkeit (1851) und der Sicherheitspolizei (1853) an den sächsischen Staat. – Als Dresden 1850/51 kurze Zeit im Mittelpunkt der Verhandlungen über die weitere Gestaltung des Deutschen Bunds stand, hoffte er auf eine Verbesserung der politischen Verhältnisse. In der Folgezeit veränderte sich seine demokratische Gesinnung zu einer maßvoll konservativen Haltung, gepaart mit einem zu Versöhnung und Ausgleich neigenden Charakter. Besonders nach dem Ende des Preußisch-Österreichischen Kriegs (1866), als der wirtschaftliche Aufschwung verstärkt einsetzte, ließ die von ihm geleitete Stadtbehörde die notwendige Energie für Veränderungen vermissen. Doch die Entwicklung Dresdens zu einer Großstadt war unaufhaltsam. Zur Belebung von Industrie, Handel und Gewerbe trugen der Ausbau des Eisenbahnnetzes und die Eröffnung der Kettenschleppschifffahrt auf der Elbe bei. In P.s Amtszeit erhöhte sich die Einwohnerzahl der Stadt durch überdurchschnittlich hohe Zuwanderung von 94.092 (1849) auf 197.295 (1875). – Als 1. Magistratsperson der Stadt Dresden war P. 1850 bis 1876 Abgeordneter der Ersten Kammer des Sächsischen Landtags und seit November 1863 deren Vizepräsident, außerdem Mitglied der Finanzdeputation und des Landtagsausschusses zur Verwaltung der Staatsschulden. – P. wurde Anfang 1847 in Glauchau Freimaurer in der Loge „Verschwisterung der Menschheit“ und 1874 Ehrenmitglied der Dresdner Logen „Zum goldenen Apfel“ und „Zu den drei Schwertern und Asträa zur grünenden Raute“. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Königlich Sächsischen Verdienstorden und Albrechtsorden jeweils Kommandeurkreuz 2. Klasse, den Königlich Preußischen Roter Adler-Orden 3. Klasse und den Kaiserlich-Österreichischen Franz-Joseph-Orden Kommandeurkreuz 1. Klasse. Johanngeorgenstadt, die Geburtsstadt seiner Ehefrau, ernannte P. 1874 für seinen Einsatz zur Bewilligung der Eisenbahnlinie Schwarzenberg-Johanngeorgenstadt zum Ehrenbürger. Ein Jahr nach seinem Tod wurde im neu entstehenden Stadtteil Dresden-Johannstadt eine Straße nach ihm benannt.

Quellen Kreisarchiv Erzgebirgskreis, Johanngeorgenstadt vor 1945; Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv, Stadtverordnetenarchiv; Ev.-Luth. St. Christophori Kirchgemeinde Hohenstein-Ernstthal, Auskunft 2010; Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Georgen Glauchau, Auskunft 2010.

Literatur K. Kregelin, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Friedrich Wilhelm P. und Paul Alfred Stübel, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 2, Altenburg 1996, S. 56-63 (P); J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 48, 119.

Porträt H. Zeißig, Eine deutsche Zeitung, Zweihundert Jahre Dresdener Anzeiger, Dresden 1930, S. 458, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Christel Hermann
9.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Friedrich Wilhelm Pfotenhauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16757 [Zugriff 21.11.2024].

Friedrich Wilhelm Pfotenhauer



Quellen Kreisarchiv Erzgebirgskreis, Johanngeorgenstadt vor 1945; Stadtarchiv Dresden, Ratsarchiv, Stadtverordnetenarchiv; Ev.-Luth. St. Christophori Kirchgemeinde Hohenstein-Ernstthal, Auskunft 2010; Ev.-Luth. Kirchgemeinde St. Georgen Glauchau, Auskunft 2010.

Literatur K. Kregelin, Oberbürgermeister der Stadt Dresden Friedrich Wilhelm P. und Paul Alfred Stübel, in: Dresdner Geschichtsbuch, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Bd. 2, Altenburg 1996, S. 56-63 (P); J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 48, 119.

Porträt H. Zeißig, Eine deutsche Zeitung, Zweihundert Jahre Dresdener Anzeiger, Dresden 1930, S. 458, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Christel Hermann
9.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Christel Hermann, Artikel: Friedrich Wilhelm Pfotenhauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16757 [Zugriff 21.11.2024].