Adolph Fischer
Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende, aber gut ausgebildete (Haus-)Lehrer und spätere Geschäftsmann Adolf Fischer spielte als reformorientierter Wortführer der Opposition im jahrelangen Ringen um das 1853 bestätigte neue Statut sowie als langjähriger kritischer Deputierter und Funktionsträger eine wichtige Rolle innerhalb der jüdischen Gemeinde Dresdens. – Vom früh verstorbenen Vater für den Lehrerberuf bestimmt, ermöglichte seine Mutter ihm eine gute dreijährige Ausbildung an der Herzoglichen Franzschule, einer bedeutenden jüdischen Schule in
Dessau. Anschließend war Fischer etwa zehn Jahre lang zunächst in Dresden, dann außerhalb Sachsens als (Haus-)Lehrer tätig. Seine letzte Stelle als Gemeindelehrer im niedersächsischen Mehle (Elze) musste er aufgeben, um in Dresden für den Unterhalt der Familie zu sorgen. 1830 beantragte er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder
Moritz die Konzession für ein Lotteriegeschäft. Als Teilhaber der Firma „Gebrüder Fischer“ konnte er als Subunternehmer des Lotteriehaupteinnehmers Salomon Wallerstein mühsam den Unterhalt für sich und seine Familie bestreiten. Nach der Aufhebung der kleineren und auswärtigen Lotterien erhielt er 1838 die beantragte Konzession für den Weiterbetrieb einer in dem innerstädtischen Ladenlokal An der Frauenkirche 3 befindlichen Leihbibliothek sowie das Bürgerrecht. Fischer, der bereits 1832 seinen Vornamen Wolf in Adolf abgeändert hatte, pflegte seit seiner Rückkehr nach Dresden Freundschaft mit an Bildung und bürgerlichen Lebensformen interessierten Gleichgesinnten, erweiterte seine Sprachkenntnisse und gehörte 1833 vermutlich zu den Herausgebern bzw. Mitarbeitern der handschriftlich verbreiteten Literaturzeitschrift „Akrothinia“. Bereits 1831 erscheint er als Mitglied des fortschrittlichen, auf Bildungsförderung angelegten Mendelssohn-Vereins. Aufgrund des geringen Jahresbeitrags wurde er zudem Mitglied im 1833 gegründeten jüdischen Geselligkeitsverein Union. Darüber hinaus war der politisch interessierte Fischer Mitglied in dem im Umfeld der Revolution von 1848 gegründeten Israelitischen Reformverein Dresden, der über einen eigenen Gesellschaftsraum mit Büchern und Zeitungen in der Münzgasse 2 verfügte. – 1853 heiratete der fünfzigjährige Fischer
Juliane (Julie) Graf, eine Absolventin der 1836 gegründeten jüdischen Gemeindeschule, die als Band- und Zwirnnäherin berufstätig gewesen war und später ihren Anteil an der erfolgreichen beruflichen Entwicklung der beiden Söhne haben sollte. Nach Aufgabe der Leihbibliothek war Fischer offenbar zeitweilig als Untereinnehmer der Königlich Sächsischen Landeslotterie tätig (erwähnt 1857). Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern beantragte er zunächst 1862 die Eröffnung einer Personalvermittlung für Dienstboten in den früheren Geschäftsräumen der Leihbibliothek, 1863 die Erweiterung um ein Pfandvermittlungsbüro. Nach erfolgter Konzessionserteilung betrieb er diese beiden Geschäftszweige in seinem seitherigen Ladenlokal. Das Pfandleihgeschäft wurde zwar 1879 beendet, aber 1877 hatte der mittlerweile hochbetagte Fischer noch eine neue Firma in das Handelsregister eintragen lassen, die mit seinem Tod erlosch. – Das langjährige Engagement Fischers innerhalb der jüdischen Gemeinde war stets von einer kritischen Haltung gegenüber den meist der sozialen Oberschicht angehörigen Vorstehern geprägt. Bereits 1841 hatte er gemeinsam mit dem Arzt Joseph Elb eine Petition gegen die vom Gemeindevorstand verfügte Eintreibung einer direkten Steuer wegen des Defizits bei der Finanzierung des Synagogenbaus an den Dresdner Stadtrat gerichtet. Vermutlich seit 1845 bekleidete Fischer das Ehrenamt eines Gemeinderats und Rechnungsführers. 1848 wurde er von einer Generalversammlung in den Ausschuss gewählt, der gemeinsam mit dem Vorstand die neuen Gemeindestatuten erarbeiten sollte. Aufgrund interner Konflikte konnte das Gemeindestatut erst 1853 in Kraft treten, auf dessen Grundlage erstmals die Wahl von drei Vorstehern und sechs Deputierten, darunter Fischer, stattfand. Wenig später gehörte er 1854 zu den Mitunterzeichnern einer Eingabe der Deputierten an den Stadtrat, in der die schleppende Geschäftsführung des amtierenden Gemeindevorstands heftig kritisiert wurde. Als Gemeindedeputierter war er auch an dem Konflikt um die Neubesetzung der freigewordenen Oberrabbinerstelle Zacharias Frankels und an der Wahl von dessen Nachfolger Wolf Landau beteiligt. 1857 wandte sich Fischer mit den Beschwerden der Opposition gegen den Gemeindevorstand an das zuständige Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts. Gefordert wurden eine Gottesdienstreform, eine Neuausrichtung der Kinderschule, die Abschaffung des monatlichen Vorsteherwechsels sowie ein geregelter Geschäftsgang auf der Grundlage des Statuts von 1853. Eine Hauptforderung war jedoch die für den Gemeindehaushalt wichtige, aber bisher blockierte Abschaffung der als ungerecht empfundenen Schlachtsteuer auf geschächtetes Fleisch bzw. deren Umwandlung in eine mehrheitlich gewünschte direkte Besteuerung der Gemeindemitglieder. In seiner Replik an den Rat warf der Oberrabbiner Fischer daraufhin vor, dass er nur die an sich blühende Gemeinde in schlechtem Licht erscheinen lassen wolle und sich mit den Beschwerden über Synagoge und Schule zunächst an ihn als Verantwortlichen hätte wenden müssen. Nach Rücksprache mit der Kreishauptmannschaft Dresden lehnte der Stadtrat den Antrag auf Abschaffung der Schlachtsteuer unter Verweis auf die alleinige Zuständigkeit des Gemeinderats als Verfassungsorgan ab. Als Rechnungsführer kritisierte Fischer 1857 aus Kostengründen die Einstellung eines weiteren Lehrers an der Gemeindeschule, die dann aber durch eine Spende sowie einen Gehaltsverzicht des altgedienten Lehrers Marcus David Landau realisiert werden konnte. – Als Rechnungsführer gehörte Fischer zum Vorstand des Kranken-Unterstützungs-Instituts, einer als Solidargemeinschaft konzipierten Krankenversicherung. Im Berichtsjahr 1877/1878 wird er als Mitglied im Armen- und Fremdenunterstützungsverein genannt.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1265; Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv, CXLII 162, 230, 240a, 2.3.9 Gewerbeamt A, F.1096, F.1148.
Literatur Bernhard Beer, Geschichtliche Darstellung der fünfzigjährigen Wirksamkeit des Kranken-Unterstützungs-Instituts für Israeliten zu Dresden, Dresden 1857; Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden, Darmstadt 1973; Dresdner Hefte 45/1996; Einst & jetzt: zur Geschichte der Dresdner Synagoge und ihrer Gemeinde, hrsg. von der Jüdischen Gemeinde zu Dresden und der Landeshauptstadt Dresden, Dresden 2001; Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - Jüdische Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Konstantin Hermann, Vereine in Dresden 1831 bis 1871, in: Dresdner Geschichtsbuch, Bd. 13, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Altenburg 2008, S. 76-96; Daniel Ristau, Zwischen Einheit und Vielfalt: Die Israelitische Religionsgemeinde Dresden im Kaiserreich (1871-1918), in: NASG 79/2008, S. 161-187; Gunda Ulbricht/Olaf Klöckner (Hg.), Juden in Sachsen, Leipzig 2013; Daniel Ristau, Die Bestallung Wolf Landaus zum Dresdner Oberrabbiner 1854/55, in: Medaon. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 7/2013, Nr. 12, S. 1-41; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Berlin 2016.
Jochen Vötsch
14.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Adolph Fischer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27872 [Zugriff 9.8.2025].
Adolph Fischer
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1265; Stadtarchiv Dresden, 2.1 Ratsarchiv, CXLII 162, 230, 240a, 2.3.9 Gewerbeamt A, F.1096, F.1148.
Literatur Bernhard Beer, Geschichtliche Darstellung der fünfzigjährigen Wirksamkeit des Kranken-Unterstützungs-Instituts für Israeliten zu Dresden, Dresden 1857; Emil Lehmann, Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden, Dresden 1886; Adolf Diamant, Chronik der Juden in Dresden, Darmstadt 1973; Dresdner Hefte 45/1996; Einst & jetzt: zur Geschichte der Dresdner Synagoge und ihrer Gemeinde, hrsg. von der Jüdischen Gemeinde zu Dresden und der Landeshauptstadt Dresden, Dresden 2001; Kerstin Hagemeyer, Jüdisches Leben in Dresden, Dresden 2002; Simone Lässig, Jüdische Wege ins Bürgertum. Kulturelles Kapital und sozialer Aufstieg im 19. Jahrhundert, Göttingen 2004; Michael Schäbitz, Juden in Sachsen - Jüdische Sachsen? Emanzipation, Akkulturation und Integration 1700-1914, Hannover 2006; Konstantin Hermann, Vereine in Dresden 1831 bis 1871, in: Dresdner Geschichtsbuch, Bd. 13, hrsg. vom Stadtmuseum Dresden, Altenburg 2008, S. 76-96; Daniel Ristau, Zwischen Einheit und Vielfalt: Die Israelitische Religionsgemeinde Dresden im Kaiserreich (1871-1918), in: NASG 79/2008, S. 161-187; Gunda Ulbricht/Olaf Klöckner (Hg.), Juden in Sachsen, Leipzig 2013; Daniel Ristau, Die Bestallung Wolf Landaus zum Dresdner Oberrabbiner 1854/55, in: Medaon. Magazin für Jüdisches Leben in Forschung und Bildung 7/2013, Nr. 12, S. 1-41; Heike Pitsch, Bildungsbewusstsein und sozialer Aufstieg. Die jüdische Gemeindeschule Dresden 1836-1869, Berlin 2016.
Jochen Vötsch
14.7.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Adolph Fischer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27872 [Zugriff 9.8.2025].