Simon Proskauer
Simon Proskauer war der erste Jude, der sich aufgrund der veränderten Rechtslage im Königreich Sachsen 1868 in der Stadt Chemnitz ansiedelte. – Für den Chemnitzer Rabbiner Hugo Fuchs gehörte der 23-jährige Proskauer, der einige Jahre in der Stadt wirkte, zu der Gruppe junger jüdischer Kaufleute, die sich als erstes in der aufstrebenden Industriestadt niederließen. Obwohl er keine konkreten Namen nannte, meinte Fuchs damit neben Proskauer u.a. Julius Simon,
Marcus Wolff Kornblum, Moritz Fränkel,
Moritz Philippsthal,
Julius Loewy und
Oscar Simon, die sich bis zur Gründung des Deutschen Reichs 1871 für ein Leben in Chemnitz entschieden. Das am 26.1.1873 angelegte „Verzeichnis der in Chemnitz wohnhaften und daselbst Geschäfte treibenden Israeliten und ihrer Angehörigen“ enthält bereits 98 Namen. Proskauers Name fehlte allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits. Seine Biografie ist dennoch von Bedeutung, um die Geschichte der Chemnitzer Juden in ihren Anfängen zu verstehen. – Von
Berlin kommend meldete sich Proskauer am 9.1.1868 in Chemnitz an. Hinter dem jungen Commis (Handlungsgehilfen) lag der Militärdienst bei einem Königlich Preußischen Regiment in
Oppeln (poln. Opole). In
Kreutzburg (poln. Kluczbork), seiner Geburtsstadt, die damals etwa 5.000 Einwohner hatte, sah er keine Perspektive für sich, obwohl der Bau der Rechten-Oder-Ufer-Eisenbahn und damit der Anschluss an das preußische Eisenbahnnetz kurz vor seinem Abschluss stand. Bereits am Tag seiner Anmeldung konnte er in Chemnitz eine Arbeit antreten, was jedoch kein Zufall war.
Louis Carl Unger, sein Arbeitgeber, war mit
Selma Proskauer, einer nahen Verwandten, verheiratet. Unger hatte von Berlin aus am 11.12.1867 eine Leinenwandhandlung und Wäschefabrik am Chemnitzer Markt 12 eröffnet. Bei dieser Firma handelt es sich um das erste jüdische Unternehmen in der Stadt. Vorher hatte sich Unger mit Erfolg um das Bürgerrecht der Stadt Chemnitz bemüht. Ihm war dieses am 2.12.1867 verliehen worden. Nach wenigen Monaten entschied Unger, sich aus Chemnitz zurückzuziehen und sein Geschäft zu verkaufen. In Proskauer, seinem Angestellten, und dem Kaufmann
Salomon Magnus Ehrlich fand er am 23.3.1869 solvente Käufer. Ehrlich war erst acht Tage zuvor aus
San Francisco (USA) kommend in Chemnitz eingetroffen. Mit dem Kauf war auch eine Umfirmierung in „Proskauer & Ehrlich“ verbunden. Die neuen Inhaber gaben jedoch einige Monate später das Geschäft auf und ließen es am 28.7.1870 aus dem Handelsregister löschen. Abraham Dresel, der Nestor der Chemnitzer Juden, übernahm daraufhin die freigewordenen lukrativen Geschäftsräume in der Innenstadt. – Am 22.2.1871 vermählte sich Proskauer in Berlin mit
Ernestine Emilie Ehrlich, der Schwester seines ehemaligen Geschäftspartners. Seine Ehefrau hatte zuvor in Chemnitz ein Putz- und Modewarengeschäft in der Poststraße 14 eröffnet. Proskauer wollte seiner Gattin nicht nachstehen und wandte sich am 31.3.1871 an das Amtsgericht, um unter der Firma „S. Proskauer“ ein eigenes Geschäft anzumelden. Bereits nach zwei Wochen musste er jedoch Konkurs anmelden. – Angesichts der geschäftlichen Rückschläge siedelte Proskauer am 30.10.1871 mit seiner Ehefrau nach Leipzig über. Die Eheleute fanden in dem Haus Nürnberger Straße 41 eine Wohnung. In den Folgejahren erblickten in der aufstrebenden Messestadt ihre Kinder
Jakob und
Bertha das Licht der Welt. In der Folgezeit gründeten die Eheleute unter der Firma „Proskauer & Co.“ ein Hut- und Mützengeschäft. Emilie Proskauer war die Inhaberin, ihr Ehemann der Prokurist. Anfangs war auch ein Bruder Proskauers,
Emil Proskauer, mit seiner Ehefrau Emma Proskauer an der Firma beteiligt. In den Folgejahren zogen ferner mit
Oskar und
Jakob Proskauer weitere Brüder nach Leipzig, um sich als Unternehmer für Damenmäntel, Möbel- und Polsterwaren einen Namen zu machen. – Der geschäftliche Erfolg blieb für Proskauer aber auch in Leipzig aus. Daher verlegten die Eheleute um 1890 ihren Wohnsitz nach
Stettin (poln. Szczecin), wohin ihre Tochter Bertha gezogen war. Sie wohnten dort in dem Haus Friedrich-Karl-Straße 23. – Proskauer starb am Vormittag des 27.8.1891 in Stettin. Die Witwe lebte später bei ihrem Sohn Jakob Proskauer in der Nähe von Leipzig. Dieser hatte sich um 1910 in Oetzsch bei Markkleeberg niedergelassen. Emilie Proskauer starb am 12.4.1919 in Leipzig und wurde auf dem dortigen Alten Israelitischen Friedhof bestattet.
Quellen Stadtarchiv Chemnitz, Handelsregister, Registerbd. 8, Polizeimeldewesen, H III 3774, B. 2128, I Si 164; Landesarchiv Berlin, P Rep. 551 Charlottenburg I, Sterbe-Nebenregister 1931, Nr. 713 (ancestry.de).
Literatur Hugo Fuchs, Geschichte der Juden in Chemnitz, in: Jüdisches Jahrbuch für Sachsen und Adreßbuch der Gemeindebehörden, Organisationen und Vereine 1931/32. Ausgabe Dresden/Chemnitz/Plauen, Berlin/Dresden 1931, S. 114; Jürgen Nitsche/Ruth Röcher (Hg.), Juden in Chemnitz. Die Geschichte der Gemeinde und ihrer Mitglieder. Mit einer Dokumentation des Jüdischen Friedhofes, Dresden 2002, S. 13f.
Jürgen Nitsche
13.6.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jürgen Nitsche, Artikel: Simon Proskauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29317 [Zugriff 10.8.2025].
Simon Proskauer
Quellen Stadtarchiv Chemnitz, Handelsregister, Registerbd. 8, Polizeimeldewesen, H III 3774, B. 2128, I Si 164; Landesarchiv Berlin, P Rep. 551 Charlottenburg I, Sterbe-Nebenregister 1931, Nr. 713 (ancestry.de).
Literatur Hugo Fuchs, Geschichte der Juden in Chemnitz, in: Jüdisches Jahrbuch für Sachsen und Adreßbuch der Gemeindebehörden, Organisationen und Vereine 1931/32. Ausgabe Dresden/Chemnitz/Plauen, Berlin/Dresden 1931, S. 114; Jürgen Nitsche/Ruth Röcher (Hg.), Juden in Chemnitz. Die Geschichte der Gemeinde und ihrer Mitglieder. Mit einer Dokumentation des Jüdischen Friedhofes, Dresden 2002, S. 13f.
Jürgen Nitsche
13.6.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jürgen Nitsche, Artikel: Simon Proskauer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29317 [Zugriff 10.8.2025].