Moritz Fränkel
Moritz Fränkel gehörte zu den Juden, die sich aufgrund der veränderten Rechtslage im Königreich Sachsen im Frühjahr 1869 in Chemnitz ansiedelten und bereits am Tag der Anmeldung das Bürgerrecht der Stadt erhielten. Mit dem unmittelbar darauffolgenden Firmeneintrag in das Handelsregister wollte er zeigen, dass die assimilierten, sich dem deutschen Judentum zugehörig fühlenden Zuwanderer - wie auch Abraham Dresel und
Salomon Simon - von Anfang an bereit waren, sich fest im städtischen und geschäftlichen Leben zu etablieren. – Für den Chemnitzer Rabbiner Hugo Fuchs gehörte Fränkel zur ersten Generation junger jüdischer Kaufleute, die sich in der aufstrebenden Industriestadt niederließen. Obwohl Fuchs außer Julius Simon keine weiteren Namen nannte, meinte er damit auch Fränkel. Das am 26.1.1873 angelegte Verzeichnis der in Chemnitz wohnhaften und hier Geschäfte treibenden Israeliten und ihrer Angehörigen enthielt bereits 98 Namen. Auch Fränkels Name befand sich darunter. 1873/1874 gehörte er neben Abraham Dresel und Julius Simon sowie weiteren 19 jüdischen Kaufleuten zu den Protagonisten, die mit dem Provisorischen Israelitischen Verein und dessen Eintrag im Genossenschaftsregister der Stadt eine jüdische Gemeinde in Chemnitz begründeten. – Fränkels Kinder gehörten zu den ersten in Chemnitz geborenen jüdischen Kindern, die am längsten - fast 70 Jahre lang - und weitgehend ohne Unterbrechungen in der Stadt lebten, bis sie flüchten mussten oder im Zuge der Shoa ermordet wurden. Sein ältester Sohn
Walter machte sich zudem Anfang des 20. Jahrhunderts als Gründer der Zionistischen Ortsgruppe einen Namen. – Von
Berlin kommend, meldete sich Fränkel am 28.5.1869 bei den Behörden in Chemnitz an. Es ist davon auszugehen, dass er seine Übersiedlung aus der preußischen Ferne vorbereitet hatte, denn ihm wurden am selben Tag feierlich die Bürgerrechte der Stadt verliehen. In dem Haus Webergasse 20 fand er für sich und seine Ehefrau
Elise eine geeignete Wohnung. Zu seinen Nachbarn gehörte
Emilie Ehrlich, die spätere Ehefrau von Simon Proskauer, einem weiteren bedeutenden jüdischen Kaufmann in Chemnitz. Drei Wochen später meldete Fränkel ein Lederwarengeschäft beim Amtsgericht an. Unter seinem Namen wurde die Firma am 26.6.1869 registriert. Im Erdgeschoss des Hauses Große Brüdergasse 1, also mitten in der Innenstadt, fand er Räumlichkeiten für das Verkaufslokal seines Geschäfts. Damit war er bis 1880/1881 der einzige jüdische Lederwarenhändler in der Stadt. – Fränkel zählte zu den Mitgründern des am 6.12.1875 gegründeten Israelitischen Frauenvereins in Chemnitz. Er übernahm auch bereitwillig das Amt des Schriftführers. Möglicherweise gab er dieses Amt erst im November 1924 auf. Seine Tochter
Cäcilie Weißkopf übernahm später diese Aufgabe. Darüber hinaus war er am 23.12.1876 u.a. gemeinsam mit Dresel an der Gründung der Chewra Kadischa, des Krankenpflege-, Unterstützungs- und Bestattungs-Vereins, in Chemnitz beteiligt. – Fränkel verlegte später sein Verkaufslokal in das Geschäftshaus Brüderstraße 11. Eine Zeit lang wohnte er mit seiner fünfköpfigen Familie am Kapellenberg, bevor er um 1911 der Weststraße 68 - und damit auf dem Kaßberg - eine seinem Stand angemessene Wohnung fand. Wenige Jahre zuvor war er 1908 in den sächsischen Untertanenverband aufgenommen worden. – Am Ende des 19. Jahrhunderts engagierte sich Fränkel verstärkt in der Israelitischen Religionsgemeinde in Chemnitz. Er war an der Revision des Gemeindestatuts 1890 beteiligt, das u.a. das Prozedere der Wahlordnung festlegte. Demnach erhielt jeder Jude, der über 25 Jahre alt war, das aktive Wahlrecht. Für das passive Wahlrecht wurden - auf Antrag Fränkels - die deutsche Staatsangehörigkeit und ein zweijähriger Wohnsitz in Chemnitz zur Bedingung. Außerdem hatte er 1887 den Vorsitz der damals gegründeten Ortsgruppe des Deutsch-Israelitischen Gemeindebunds übernommen. Damit gehörte er neben
Max Bergmann, dem Vorsitzenden des Gemeindevorstands, zu den damaligen Führern der Chemnitzer Juden. Es überrascht auch nicht, dass er Anfang des 20. Jahrhunderts eine Zeit lang Vorsitzender der Gemeindeverordneten war. – Nach dem Tod seiner Ehefrau 1912 lebte Fränkel weiterhin in dem Haus Weststraße 68. Als er sein Geschäft am 22.3.1922 aus dem Handelsregister löschen ließ, hatte er es längst aufgegeben. Betreut wurde er zuletzt von der Familie seines Enkelsohns
Rudolf Weißkopf. – Fränkel starb am Abend des 7.4.1929 im Alter von 88 Jahren in seiner Chemnitzer Wohnung und wurde auf dem Jüdischen Friedhof im Ortsteil Altendorf bestattet.
Quellen Stadtarchiv Chemnitz, Handelsregister, Registerbd. 8, Polizeimeldewesen, F A. 355, Fr I 98b/99.
Literatur Hugo Fuchs, Geschichte der Juden in Chemnitz, in: Jüdisches Jahrbuch für Sachsen und Adreßbuch der Gemeindebehörden, Organisationen und Vereine 1931/32. Ausgabe Dresden/Chemnitz/Plauen, Berlin/Dresden 1931, S. 114, 116, 121; Jürgen Nitsche/Ruth Röcher (Hg.), Juden in Chemnitz. Die Geschichte der Gemeinde und ihrer Mitglieder. Mit einer Dokumentation des Jüdischen Friedhofes, Dresden 2002, S. 13f. – Walter Fränkel (1870-1940), in: Caris-Petra Heidel (Hg.), Ärzte und Zahnärzte. Eine Dokumentation von Verfolgung, Vertreibung, Ermordung, Frankfurt/Main 2005, S. 362-364.
Jürgen Nitsche
1.9.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jürgen Nitsche, Artikel: Moritz Fränkel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29256 [Zugriff 6.9.2025].
Moritz Fränkel
Quellen Stadtarchiv Chemnitz, Handelsregister, Registerbd. 8, Polizeimeldewesen, F A. 355, Fr I 98b/99.
Literatur Hugo Fuchs, Geschichte der Juden in Chemnitz, in: Jüdisches Jahrbuch für Sachsen und Adreßbuch der Gemeindebehörden, Organisationen und Vereine 1931/32. Ausgabe Dresden/Chemnitz/Plauen, Berlin/Dresden 1931, S. 114, 116, 121; Jürgen Nitsche/Ruth Röcher (Hg.), Juden in Chemnitz. Die Geschichte der Gemeinde und ihrer Mitglieder. Mit einer Dokumentation des Jüdischen Friedhofes, Dresden 2002, S. 13f. – Walter Fränkel (1870-1940), in: Caris-Petra Heidel (Hg.), Ärzte und Zahnärzte. Eine Dokumentation von Verfolgung, Vertreibung, Ermordung, Frankfurt/Main 2005, S. 362-364.
Jürgen Nitsche
1.9.2025
Empfohlene Zitierweise:
Jürgen Nitsche, Artikel: Moritz Fränkel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29256 [Zugriff 6.9.2025].