Julius Pabst
In einer Zeit, in der den Hofbühnen zunehmend Konkurrenz durch die bürgerlichen Stadttheater erwuchs, hatte P. unter drei Intendanten die zweite Position in der Dresdner Hoftheaterverwaltung inne. In seiner amtlichen Funktion und dank der Mitgliedschaft in verschiedenen Gremien und literarischen Vereinen war P. Teil der Dresdner Kulturszene. – P. entstammte einer seit dem 17. Jahrhundert in Erfurt nachweisbaren thüringischen Familie, die mehrere Pädagogen und städtische Beamte hervorbrachte. Auch die Musikpflege hatte Tradition. P. und seine elf Geschwister wurden, obwohl der Vater katholisch war, nach dem evangelischen Bekenntnis seiner Mutter erzogen.
Karl Leopold Pabst hatte nach langjähriger pädagogischer Tätigkeit im Rheinland 1822 die Leitung der neu gegründeten Lehrerbildungsanstalt im säkularisierten Neuwerkkloster in Erfurt übernommen. P. wuchs fortan in Erfurt auf und legte hier 1838 das Abitur ab. Trotz früher Affinität zu Literatur und Theater studierte er Theologie in Breslau (poln. Wrocław) und Halle/Saale, wo er - ganz in antirationalistischer Tradition ausgebildet - 1841 sein Studium abschloss. Gefördert vom Breslauer Generalsuperintendenten
August Hahn, strebte er zunächst eine Laufbahn als Hochschullehrer an. Wegen der ungünstigen Stellenlage in Breslau nahm er jedoch nach Abschluss seines Studiums 1844 zunächst mehrere Stellungen als Hauslehrer bei adligen Familien in Erfurt, Berlin und Brandenburg an. Seine letzte Position musste er vorzeitig aufgeben, nachdem er sich in die Stieftochter seines Dienstherrn verliebt hatte. Als Frucht seiner Unterrichtstätigkeit veröffentlichte er 1846 und 1848 zwei Erbauungsbücher. Im Frühjahr 1848 trat er eine Hauslehrerstelle bei
Georg Freiherr von Seydlitz-Kurzbach in Dresden an und unterrichtete ab März 1849 den Sohn des Dresdner Hoftheaterintendanten Wolf Adolf August von Lüttichau. Unter der Ägide Lüttichaus und seiner die Dresdner Romantik maßgeblich prägenden Gattin Ida erwachten P.s eigenen literarischen Neigungen erneut und wurden von Lüttichau gefördert. P. wurde König Friedrich August II. vorgestellt und erhielt den Auftrag für ein Festspiel anlässlich der Eheschließung der Prinzessin
Elisabeth von Sachsen im April 1850. Inzwischen war er in Jena zum Dr. phil. promoviert worden. Am 17.8.1851 erlebte die von P.s älterem Bruder
August komponierte große dramatische Oper „Die letzten Tage von Pompeji“, deren Libretto P. verfasst hatte, ihre Uraufführung am Dresdner Hoftheater. Zu Neujahr 1852 folgte die Aufführung von
William Shakespeares „
Antonius und
Cleopatra“ in P.s Bearbeitung. P. machte sich begründete Hoffnungen auf die Position des schon betagten Theatersekretärs Theodor Hell (eigentl. Karl Gottfried Theodor Winkler), die sich jedoch - ohne dass über die Hintergründe Klarheit besteht - nicht realisierten. Er trat deshalb im Oktober 1852 in die Berliner „Centralstelle für Preßwesen“ ein, wo er kurzzeitig mit
Theodor Fontane zusammenarbeitete. Nach seiner Heirat am 2.11.1853 mit
Agnes Schmidt, einer jungen Schauspielerin des Berliner Hoftheaters, bemühte er sich vergeblich um eine Anstellung in den Theaterverwaltungen in Wien und Berlin. Ende 1855 bot ihm Lüttichau überraschend eine Position als zweiter Hoftheatersekretär mit dramaturgischen Aufgaben in Verbindung mit der Funktion eines Sekretärs der Königlichen musikalischen Hofkapelle und präsumtiven Nachfolgers Hells an. P. übernahm am 1.1.1856 seine neue Position, deren Schwerpunkt in der Verwaltung des Tagesgeschäfts am Theater lag: Er protokollierte Konferenzen zu Repertoire- und Personalfragen, verfasste als Mittler zwischen Theaterangehörigen und Intendanz Eingaben der Bühnenangehörigen um Urlaube, Freistellungen für Auftritte außerhalb der Hofbühne, Bitten um Darlehen oder Vorschüsse u.ä. Er veranlasste die Theaterzettel, das Ausschreiben der Rollenbücher und organisierte krankheitsbedingte Umbesetzungen. Als Dramaturg prüfte er eingereichte Stücke auf ihre Eignung zur Aufführung an der Dresdner Hofbühne und traf eine Vorauswahl für den Intendanten. P. führte zudem die Korrespondenz mit den Autoren und Komponisten. Zur Aufführung oder Wiederaufnahme angenommene Stücke richtete er den Bedürfnissen des Hoftheaters entsprechend ein. Diese Bearbeitungen beinhalteten Kürzungen ebenso wie Umformulierungen oder besetzungsbedingte Eingriffe. Zumindest für einige Stücke ist belegbar, dass er sich auch um Vorlagen für Bühnenbilder kümmerte. Daneben inszenierte P. auch einzelne Stücke und führte die damals erst rudimentär ausgebildete Regie. P. sah sich selbst als Dichter und verfasste eigene Werke, die auch zur Aufführung kamen. Zahlreiche Weihespiele, Prologe, Epiloge, häufig in Verbindung mit den sehr beliebten „Lebenden Bildern“, entsprangen seiner Feder als Auftragsarbeiten im Dienst der Wettiner. Er genoss in hohem Maß das Vertrauen des Intendanten Lüttichau und hatte v.a. in dessen letzten Jahren einen nicht überall gern gesehenen Einfluss auf den Theaterbetrieb. Im September 1858 wurde P. zum Hofrat 4. Klasse ernannt. Es gelang ihm aber weder unter Lüttichau noch unter dessen Nachfolgern
Otto von Könneritz und
Julius von Platen-Hallermund, die von Hell bekleidete Position eines Vizedirektors und die damit verbundene Gehaltserhöhung zu erwirken. Auch blieben seine Möglichkeiten, das Theater künstlerisch zu prägen, durch die Strukturen des Hoftheaters begrenzt. Seine eigenen Werke vertreten den zeittypischen, zu dieser Zeit den Spielplan dominierenden historistischen Geschmack mit einer Vorliebe für Historiendramen in der Nachfolge Friedrich Schillers. P.s Ästhetikbegriff speiste sich nicht zuletzt aus seiner theologischen Vergangenheit, die von der Kunst das Gute, Wahre und Schöne erwartete. Er setzte sich aber auch mit eigenen Bearbeitungen für Shakespeares Werke auf der deutschen Bühne ein, ebenso wie für die allerdings wenig erfolgreiche Aufführung von Heinrich von Kleists Hermannsschlacht (in der Bearbeitung des Zeitgenossen
Feodor Wehl) in Dresden am 1.1.1861. – P. war als Mitglied diverser literarischer Vereine aktiv, sehr geschätzt wegen seines sozialen Gewissens und seiner Fähigkeit zu Stehgreifdichtungen. Er hatte sich schon von Berlin aus bei der Gründung der Deutschen Schillerstiftung 1855 engagiert, für deren Zweigstiftung in Dresden er später tätig blieb. Seit Ende 1859 war P. Mitglied der Loge „Zum Goldenen Apfel“, der er ein Jahrzehnt lang als Meister vom Stuhl vorstand. – Auch über den Tod P.s 1881 hinaus blieb die Erinnerung an P. in Dresden erhalten. So wurde 1926 im Stadtteil Rochwitz eine Straße nach ihm benannt.
Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 77 A, 95; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10711 Ministerium des königlichen Hauses, Loc. 41, 43, 44; Sächsische Landesbibliothek - Staats - und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftenabteilung; Nachlass Julius P. (Privatbesitz).
Werke Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, Berlin 1846; Christliches Schatzkästlein, Hamburg 1848; Lebens- und Charakterumrisse Christoph Friedrichs von Ammon, Dresden 1850; Die Tonkunst und vier deutsche Meister, Dresden 1860 [Ms.]; Die letzten Tage von Pompeji. Große Oper in 4 Akten (Libretto), Dresden 1851; Die Trauer und der Nachruhm, Vorspiel, Dresden 1869; Das deutsche Herz in Lied und Bild, Dresden 1869; Festliche Glocken, Dresden 1872, 21881.
Literatur Tage-Buch der Königlich sächsischen Hoftheater 40/1856-65/1881; Nachruf, in: ebd. 69/1881, S. 83-87; R. Prölss, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, Dresden 1878; ders., Beiträge zur Geschichte des Hoftheaters zu Dresden in actenmäßiger Darstellung, Erfurt [1879]; Nachruf, in: Deutscher Bühnenalmanach 46/1882, S. 171-174; F. Kummer, Dresden und seine Theaterwelt, Dresden 1938; E. Chrambach, Aus Erfurt in die Welt der Künste, in: M. Ludscheidt (Hg.), Musik – Geschichte - Erfurt, Erfurt 2014, S. 203-221; dies., Im Dienst des Wahren, Schönen und Guten, in: Sächsische Heimatblätter 62/2016, H. 1, S. 22-29 (P); dies. (Hg.), An der Kunst Altare. Aus der Korrespondenz des Theatersekretärs und Dramaturgen Julius P., Köln/Wien/Weimar 2017 (P). – DBA I, III; W. Haan, Sächsisches Schriftstellerlexikon, Leipzig 1875, S. 252f.; F. Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts, Bd. 5, Leipzig 1913, S. 216f.; W. Kosch, Deutsches Theaterlexikon, Bd. 2, Klagenfurt/Wien 1960, S. 1723.
Porträt Nachlass Julius P.; http://www.shakespearealbum.de/biographien/julius-pabst.html; Hofrat P., H. Krone, 1859, Fotografie, Hermann-Krone-Sammlung der TU Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek; Julius P., Conrad Albus, 1868/70, Albuminabzug auf Karton (Carte-de-visite mit Atelieraufdruck), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle) [CC BY SA 4.0, This work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 Unported License].
Eva Chrambach
4.12.2017
Empfohlene Zitierweise:
Eva Chrambach, Artikel: Julius Pabst,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28074 [Zugriff 24.11.2024].
Julius Pabst
Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 77 A, 95; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10711 Ministerium des königlichen Hauses, Loc. 41, 43, 44; Sächsische Landesbibliothek - Staats - und Universitätsbibliothek Dresden, Handschriftenabteilung; Nachlass Julius P. (Privatbesitz).
Werke Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, Berlin 1846; Christliches Schatzkästlein, Hamburg 1848; Lebens- und Charakterumrisse Christoph Friedrichs von Ammon, Dresden 1850; Die Tonkunst und vier deutsche Meister, Dresden 1860 [Ms.]; Die letzten Tage von Pompeji. Große Oper in 4 Akten (Libretto), Dresden 1851; Die Trauer und der Nachruhm, Vorspiel, Dresden 1869; Das deutsche Herz in Lied und Bild, Dresden 1869; Festliche Glocken, Dresden 1872, 21881.
Literatur Tage-Buch der Königlich sächsischen Hoftheater 40/1856-65/1881; Nachruf, in: ebd. 69/1881, S. 83-87; R. Prölss, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden, Dresden 1878; ders., Beiträge zur Geschichte des Hoftheaters zu Dresden in actenmäßiger Darstellung, Erfurt [1879]; Nachruf, in: Deutscher Bühnenalmanach 46/1882, S. 171-174; F. Kummer, Dresden und seine Theaterwelt, Dresden 1938; E. Chrambach, Aus Erfurt in die Welt der Künste, in: M. Ludscheidt (Hg.), Musik – Geschichte - Erfurt, Erfurt 2014, S. 203-221; dies., Im Dienst des Wahren, Schönen und Guten, in: Sächsische Heimatblätter 62/2016, H. 1, S. 22-29 (P); dies. (Hg.), An der Kunst Altare. Aus der Korrespondenz des Theatersekretärs und Dramaturgen Julius P., Köln/Wien/Weimar 2017 (P). – DBA I, III; W. Haan, Sächsisches Schriftstellerlexikon, Leipzig 1875, S. 252f.; F. Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts, Bd. 5, Leipzig 1913, S. 216f.; W. Kosch, Deutsches Theaterlexikon, Bd. 2, Klagenfurt/Wien 1960, S. 1723.
Porträt Nachlass Julius P.; http://www.shakespearealbum.de/biographien/julius-pabst.html; Hofrat P., H. Krone, 1859, Fotografie, Hermann-Krone-Sammlung der TU Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek; Julius P., Conrad Albus, 1868/70, Albuminabzug auf Karton (Carte-de-visite mit Atelieraufdruck), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle) [CC BY SA 4.0, This work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 Unported License].
Eva Chrambach
4.12.2017
Empfohlene Zitierweise:
Eva Chrambach, Artikel: Julius Pabst,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/28074 [Zugriff 24.11.2024].