Johannes Pfeffinger

P. machte sich als Reformator und erster Superintendent von Leipzig einen Namen. Als führender Theologe der Stadt und als Professor prägte er das geistige Milieu der Leipziger Universität und trat als einer der „Väter“ des Leipziger Interims im Rahmen der Religionspolitik des Kurfürsten Moritz von Sachsen in Erscheinung. – Seit 1499 besuchte P. die Lateinschule in Annaberg, um sich auf ein geistliches Amt vorzubereiten. In Salzburg, wo er seit 1515 als Akolyth und später als Subdiakon wirkte, empfing P. 1518 die Priesterweihe, die ihn für die Pfarrstelle in Reichenhall qualifizierte. 1519 wechselte er nach Saalfelden im Pinzgau und 1521 als Stiftsprediger nach Passau. Dort kam P. um 1522 mit Schriften Martin Luthers in Berührung, die ihn zum reformatorischen Glaubensverständnis führten. Der drohenden Verhaftung als Ketzer entzog sich P. 1523 durch Flucht nach Wittenberg. In enger persönlicher Verbindung zu Luther, Philipp Melanchthon und Johannes Bugenhagen stehend, absolvierte P. dort seit November 1524 ein Theologiestudium. 1527 erhielt er die Berufung zum Pfarrer nach Sonnewalde. In diesem Kirchspiel erwarb sich P. rasch ein so großes Ansehen, dass die Gemeinde bei Luther intervenierte, als P. für eine Pfarrstelle in Zerbst nominiert wurde. P. blieb daraufhin bis 1530 in Sonnewalde, musste aber schließlich den Anfeindungen des Bischofs Johann VII. (von Schleinitz) weichen und erhielt mit der Predigerstelle am ernestinischen Kloster Eicha bei Naunhof ein neues Arbeitsfeld zugewiesen. Aufgrund der räumlichen Nähe zu Leipzig wirkte sich P.s Tätigkeit bis in diese zum Herrschaftsgebiet des altgläubigen albertinischen Herzogs Georg (der Bärtige) von Sachsen gehörige Stadt aus, indem zahlreiche Einwohner P.s evangelische Predigten und Abendmahlsfeiern in Eicha besuchten. Wohl um Spannungen zu vermeiden und ihn zu schützen, erfolgte 1532 P.s Versetzung ins Pfarramt nach Belgern. Als sich das albertinische Sachsen unter Herzog Heinrich (der Fromme) der Reformation öffnete, nahm P. an der Neuordnung des Leipziger Kirchenwesens teil. Zusammen mit Caspar Cruciger d.Ä., Justus Jonas d.Ä. und Friedrich Myconius gehörte er der Visitationskommission für Leipzig an und hielt am Pfingstdienstag 1539 die erste evangelische Predigt in der Nikolaikirche. Gegen seine anfänglichen Bedenken übernahm P. am 24.8.1540 das mit der Pfarrstelle an St. Nikolai verbundene Amt des Superintendenten, das er mehr als drei Jahrzehnte bis zu seinem Tod bekleidete. – Als Superintendent trug P. zur Festigung der evangelischen Lehre in Leipzig, aber auch zur Durchsetzung der Reformation in einigen noch katholisch verbliebenen Territorien Mitteldeutschlands bei. Auf Vermittlung des Leipziger Bürgermeisters Ludwig Fachs, der ihn in seiner Eigenschaft als Vormund der Brüder Georg I., Hugo I. und Wolf II. von Schönburg für die Einführung der Reformation in Glauchau gewann, hielt sich P. im Herbst 1542 in dieser schönburgischen Residenzstadt auf. Beginn und zugleich Höhepunkt seines dortigen Wirkens wurde die erste evangelische Predigt in der Georgenkirche Glauchau, verbunden mit dem Erlass einer Kirchenordnung für das schönburgische Herrschaftsgebiet am 18.10.1542. In Würdigung dieses Ereignisses begründete sich in den Schönburgischen Herrschaften eine Erinnerungskultur, die bis ins 19. Jahrhundert abweichend von den übrigen sächsischen Landesteilen den 18. Oktober als Reformationstag zelebrierte. In ähnlicher Weise verhalf P. 1543 der Reformation in Teilen des Bistums Merseburg zum Durchbruch. – P.s Organisationsgeschick verband sich mit der gründlichen theoretischen Reflexion der protestantischen Glaubenslehren, die er sich seit 1544 als Theologieprofessor an der Universität Leipzig zur Aufgabe machte. Der Berufung ins akademische Lehramt war der Erwerb des Bakkalaureats (1541), des Lizentiats (1543) und des Doktorats am 10.10.1543 - zugleich die erste evangelisch-theologische Doktorpromotion in Leipzig im Beisein seiner Wittenberger Weggefährten - vorausgegangen. An der Universität Leipzig, wo er siebenmal Dekan und zweimal Vizekanzler war, profilierte sich P. zusehends als Anhänger Melanchthons, dessen „Loci communes“ er mit Vorliebe auslegte und mit dessen vermittlungstheologischen Bemühungen er sich angesichts der wachsenden konfessionellen Spannungen im Reich voll und ganz identifizierte. P. wurde nun in die Kirchenpolitik des Herzogs Moritz von Sachsen eingebunden, so als Mitglied im Konsistorialausschuss 1543 oder als Teilnehmer der Leipziger Konferenzen 1544 und 1545. Obwohl P. die Nähe des Herzogs zu Kaiser Karl V. kritisch betrachtete, wirkte er federführend an den Interimsverhandlungen mit. Seine Befürwortung der albertinischen Religionspolitik brachte ihn in Gegensatz zu den ernestinischen Theologen um Nikolaus von Amsdorf und Matthias Flacius. Deren Gegnerschaft mündete in erbitterte literarische Auseinandersetzungen, nachdem P. in seinen „Propositiones de libero arbitrio“ und auch in den zwischen 1551 und 1555 erschienenen Thesen ähnlich wie Melanchthon die Mitwirkung des Menschen an seiner Bekehrung betont und damit den sog. synergistischen Streit ausgelöst hatte. Noch als 78-Jähriger nahm P. 1571 am Dresdner Konvent teil und unterband calvinistische Einwirkungsversuche auf die Leipziger Universität. – P.s seelsorgerliche Begabung wird anhand seines weitverbreiteten „Trostbüchleins“ erkennbar, das er in der Trauer über seinen früh verstorbenen Sohn Johannes verfasste.

Quellen Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, hrsg. von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, 6 Bde., Berlin 1900-2006.

Werke Capita disputationis de peccato originis, Leipzig 1551; Trostbuechlin Aus Gottes Wort. Vber den vnzeitichen Todt, sterbens vnd allerley noeten, Leipzig 1552; Propositiones de libero arbitrio, Leipzig 1555; De libertate voluntatis humanae quaestiones quinque, Leipzig 1555; De autoritate verbi Dei propositiones, Leipzig 1555; Antwort Auff die Offentliche Bekentnis der reinen Lare des Euangelii und Confutation der itzigen Schwermerey Niclasen von Ambsdorff, Wittenberg 1558.

Literatur F. Seifert, Johann P., der erste lutherische Pastor zu St. Nikolai und Superintendent in Leipzig, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 4/1888, S. 33-162 (WV); W. Hüttel, Zur Geschichte der Reformation im Schönburgischen, in: Herbergen der Christenheit 16/1987/88, S. 61-75; G. Wartenberg, Landesherrschaft und Reformation. Moritz von Sachsen und die albertinische Kirchenpolitik bis 1546, Weimar 1988, S. 253-255; ders., Philipp Melanchthon und Johannes P., in: Philipp Melanchthon und Leipzig: Beiträge und Katalog zur Ausstellung, hrsg. von G. Wartenberg in Zusammenarbeit mit C. Winter/R. Behrens, Leipzig 1997, S. 41-50; J. Hermann, Kloster Eicha in der Reformationszeit, in: L. Heydick/U. Schirmer (Hg.), Kloster Eicha. Wallfahrts-, Antoniter-, Reformations- und Ortsgeschichte, Beucha 1997, S. 90-92; H. Junghans (Hg.), Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen, Leipzig 22005 (P); M. Hein (Hg.), Die Professoren und Dozenten der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig von 1409 bis 2009, Leipzig 2009, S. 250f. – ADB 25, S. 624-630; BBKL 7, Sp. 413-416; A. Hauck (Hg.), Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 15, Leipzig 1904, S. 252-254; RGG4, Bd. 6, Sp. 1231.

Porträt Johannes P., J. von der Perre, um 1614, Ölgemälde, Thomaskirche Leipzig; Johannes P., T. de Bry, 1597/99, Kupferstich, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Public Domain Mark 1.0 Lizenz].

Michael Wetzel
9.8.2018


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Johannes Pfeffinger,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3136 [Zugriff 29.3.2024].

Johannes Pfeffinger



Quellen Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen, hrsg. von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, 6 Bde., Berlin 1900-2006.

Werke Capita disputationis de peccato originis, Leipzig 1551; Trostbuechlin Aus Gottes Wort. Vber den vnzeitichen Todt, sterbens vnd allerley noeten, Leipzig 1552; Propositiones de libero arbitrio, Leipzig 1555; De libertate voluntatis humanae quaestiones quinque, Leipzig 1555; De autoritate verbi Dei propositiones, Leipzig 1555; Antwort Auff die Offentliche Bekentnis der reinen Lare des Euangelii und Confutation der itzigen Schwermerey Niclasen von Ambsdorff, Wittenberg 1558.

Literatur F. Seifert, Johann P., der erste lutherische Pastor zu St. Nikolai und Superintendent in Leipzig, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 4/1888, S. 33-162 (WV); W. Hüttel, Zur Geschichte der Reformation im Schönburgischen, in: Herbergen der Christenheit 16/1987/88, S. 61-75; G. Wartenberg, Landesherrschaft und Reformation. Moritz von Sachsen und die albertinische Kirchenpolitik bis 1546, Weimar 1988, S. 253-255; ders., Philipp Melanchthon und Johannes P., in: Philipp Melanchthon und Leipzig: Beiträge und Katalog zur Ausstellung, hrsg. von G. Wartenberg in Zusammenarbeit mit C. Winter/R. Behrens, Leipzig 1997, S. 41-50; J. Hermann, Kloster Eicha in der Reformationszeit, in: L. Heydick/U. Schirmer (Hg.), Kloster Eicha. Wallfahrts-, Antoniter-, Reformations- und Ortsgeschichte, Beucha 1997, S. 90-92; H. Junghans (Hg.), Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen, Leipzig 22005 (P); M. Hein (Hg.), Die Professoren und Dozenten der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig von 1409 bis 2009, Leipzig 2009, S. 250f. – ADB 25, S. 624-630; BBKL 7, Sp. 413-416; A. Hauck (Hg.), Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 15, Leipzig 1904, S. 252-254; RGG4, Bd. 6, Sp. 1231.

Porträt Johannes P., J. von der Perre, um 1614, Ölgemälde, Thomaskirche Leipzig; Johannes P., T. de Bry, 1597/99, Kupferstich, Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Public Domain Mark 1.0 Lizenz].

Michael Wetzel
9.8.2018


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Johannes Pfeffinger,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3136 [Zugriff 29.3.2024].