Erich Hösel
H. war ein bedeutender sächsischer Bildhauer. Klassisch ausgebildet und im Naturalismus geschult, wendete er sich in der Porzellanmanufaktur Meißen der Porzellan-Kleinplastik zu und geriet zunehmend ins Spannungsfeld zwischen traditionellen und zeitgenössischen Ausdrucksweisen. – H.s Vater war kaufmännischer Angestellter eines Annaberger Unternehmens. Als H. zwei Jahre alt war, gründete sein Vater die „Carrara Marmor-Waren Fabrik
Julius Hösel Dresden“ und die Familie zog in die sächsische Hauptstadt. Der Betrieb fertigte u.a. 1874 den Ikonostas der Russisch-Orthodoxen Kirche in Dresden an. H. besuchte die 3. Bürgerschule in Friedrichstadt und anschließend das neu gegründete Wettiner Gymnasium. Aufgrund seiner zeichnerischen Begabung verließ H. die Schule 1886 nach der Untersekunda und trat in die Kunstakademie Dresden ein. Dort besuchte er zunächst den Malsaal von Leon Pohle, wechselte 1889 zur Bildhauerei bei Johannes Schilling und ab 1892 zu Robert Diez, wo er durch seine Fähigkeiten und erste Plastiken („Entlaufener Negersklave mit Hund“) überzeugen konnte. In dieser Zeit fertigte H. Studien in den zoologischen Gärten und den angeschlossenen sog. Völkerschauen. Er wurde mit einem akademischen Reisestipendium ausgezeichnet und begab sich 1898/99 zu Studienreisen nach Kleinasien. – Am 1.10.1899 trat H. eine Lehramtsstelle an der Kunstakademie Kassel an und wurde am 1.4.1903 auf Diezʼ Vorschlag hin als Gestaltungsvorsteher an die Königliche Porzellanmanufaktur Meißen berufen. Anlässlich einer Studienreise in die USA ernannte ihn der König Georg am 4.6.1904 zum Professor. Bei dieser Studienreise begleitete er einerseits den kaufmännischen Direktor
Paul Gesell, der beauftragt worden war, in San Francisco (USA) eine Verkaufsniederlassung der Porzellanmanufaktur zu errichten. Andererseits war H. von der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft zum Preisrichter für Bildende Kunst und Kunstgewerbe in die Jury zur Weltausstellung nach St. Louis (USA) delegiert worden. Dort besuchte H. die zahlreichen Völkerschauen und studierte v.a. die ca. tausend Köpfe starke Gruppe nordamerikanischer Indianer. Außerdem erwarb er in den USA mehrere aussagekräftige ethnografische Objekte indianischer Herkunft und besuchte die ethnografischen Abteilungen mehrerer Museen. Nach seiner Rückkehr aus den USA im Oktober 1904 begann er mit der Anfertigung von Kleinplastiken zum Themenkreis „Leben der nordamerikanischen Indianer“. – Gemeinsam mit William Baring und anderen künstlerisch und humoristisch interessierten Meißner Persönlichkeiten gründete H. 1914 eine Sektion des weltweit agierenden, deutschsprachigen Geselligkeitsvereins „Schlaraffia“, die „Colonie Castellum Misniense“. Bis um 1930 leitete er als „Oberschlaraffe Plastolinus mit der Porzellanbüchse“ diesen, dem Humor und der Geselligkeit zugewandten Verein. Im August 1931 war er Gründungsmitglied des Vereins „Meißner Paddler“, der ab 1933, nachdem die NS-Regierung im Sommer 1933 den Arbeiter Turn- und Sportverein enteignet hatte, zum mitgliederstärksten Paddlerverein Meißens wurde. – Spätestens als Max Adolf Pfeiffer 1918 Direktor der Porzellanmanufaktur Meißen wurde, begann eine zwischenmenschlich konfliktreiche Zeit für beide. Nach
Schärers Meinung litt besonders H.s Schaffenskraft darunter, während Pfeiffer H.s künstlerische Fähigkeiten gering schätzte und dessen Naturalismus teilweise als Grausamkeit charakterisierte. Er erkannte bei H. größeres Potenzial in der Rekonstruktion und Restaurierung historischer Modelle des 18. Jahrhunderts, hier besonders jene des Porzellanmodelleurs Johann Joachim Kändler, was er als in höchstem Maß nützlich für die Manufaktur einschätzte. Durch diese Tätigkeit wurde H. ein europaweit geachteter und konsultierter Kenner des historischen Meißner Porzellans. Dabei zeigt die Forschung, dass Pfeiffers Blick auf H. äußerst subjektiv und nicht gerechtfertigt gewesen ist, jedoch zur autorisierten Meinung über H. wurde. – Aufgrund der Animositäten nutzte H. die Möglichkeit des vorzeitigen Ruhestands ab 1.8.1929. Er behielt allerdings bis 1950 ein Atelier auf dem Betriebsgelände und lieferte - auf Honorarbasis - Modelle für Kleinplastiken wie z.B. Tiere. – 1934 bot H. dem sächsischen Finanzministerium als Bauherr für die neugebaute Meißner Elbbrücke seine 170 cm hohe Plastik „Abessynischer Ziegenbock“ aus Kalkstein zum Kauf für 3.500 Reichsmark an. Diese Geste H.s zeigt insofern Humor, da das Finanzministerium der Elbbrücke im Februar 1934 auf dem rechten Brückenkopf tatsächlich ein Reiterstandbild als Hitlersäule geplant hatte und sich der Stadtrat bei der Reichskanzlei erfolglos um die Benennung in Adolf-Hitler-Brücke bemüht hatte. Mit dem Verkauf dieser Plastik wollte H. seinen finanziellen Vorschuss für das Paddlerheim des von ihm 1931 mitgegründeten Paddlervereins refinanzieren. – H. starb aufgrund einer Lungenentzündung und Herzschwäche.
Quellen Kirchgemeinde Annaberg-Buchholz, Taufbuch der Kirchgemeinde St. Annen Annaberg 1869, Nr. 181, S. 258; Kirchgemeinde St. Afra/Frauenkirche Meißen, Sterberegister; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Finanzministerium, Neubauamt Elbbrücke Meißen 1933/34, Loc. 13978; Stadtarchiv Meißen, Standesamtliches Sterberegister 1944, 1953, Nachlass H.
Werke Hunne zu Pferde, 1895, Plastik, Kolonnadenhof der Nationalgalerie Berlin; Entlaufener Negersklave im Kampfe mit einem Bluthund, Plastik, Zoo Dresden; Liebenbach-Denkmal, 1902, Spangenberg; Ahnen, Porzellan-Abzeichen, Schlaraffia-Gesellschaft, Kleinplastik; Junger Osmane, Stadtmuseum Meißen; Tierfiguren, Kleinplastiken, Staatliche Porzellan-Manufaktur GmbH/Meissen Porzellan-Stiftung GmbH; zwei Büsten nordamerikanischer Indianer, Karl-May-Museum Radebeul.
Literatur Dresdner Nachrichten 6.6.1874, S. 1; C. Albiker, Die Meißner Porzellantiere im 18. Jahrhundert, Berlin 1959; J. Schärer, Auf den Punkt gebracht. Porzellane für Meissen, Max Adolf Pfeiffer zu Ehren, Meißen 2000; R. Wagner, Fantasie in blauen Schwertern - Erich H. und die Indianer, in: Der Beobachter an der Elbe 5/2004, Nr. 2, S. 32-36; S. Bergmann/T. Bergmann, Meissener Künstler-Figuren, Karlsruhe 2010.
Porträt Erich H., Max Freitag, um 1910, Fotografie, Stadtarchiv Meißen (Bildquelle).
Steffen Förster
10.8.2018
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Erich Hösel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23660 [Zugriff 2.11.2024].
Erich Hösel
Quellen Kirchgemeinde Annaberg-Buchholz, Taufbuch der Kirchgemeinde St. Annen Annaberg 1869, Nr. 181, S. 258; Kirchgemeinde St. Afra/Frauenkirche Meißen, Sterberegister; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Finanzministerium, Neubauamt Elbbrücke Meißen 1933/34, Loc. 13978; Stadtarchiv Meißen, Standesamtliches Sterberegister 1944, 1953, Nachlass H.
Werke Hunne zu Pferde, 1895, Plastik, Kolonnadenhof der Nationalgalerie Berlin; Entlaufener Negersklave im Kampfe mit einem Bluthund, Plastik, Zoo Dresden; Liebenbach-Denkmal, 1902, Spangenberg; Ahnen, Porzellan-Abzeichen, Schlaraffia-Gesellschaft, Kleinplastik; Junger Osmane, Stadtmuseum Meißen; Tierfiguren, Kleinplastiken, Staatliche Porzellan-Manufaktur GmbH/Meissen Porzellan-Stiftung GmbH; zwei Büsten nordamerikanischer Indianer, Karl-May-Museum Radebeul.
Literatur Dresdner Nachrichten 6.6.1874, S. 1; C. Albiker, Die Meißner Porzellantiere im 18. Jahrhundert, Berlin 1959; J. Schärer, Auf den Punkt gebracht. Porzellane für Meissen, Max Adolf Pfeiffer zu Ehren, Meißen 2000; R. Wagner, Fantasie in blauen Schwertern - Erich H. und die Indianer, in: Der Beobachter an der Elbe 5/2004, Nr. 2, S. 32-36; S. Bergmann/T. Bergmann, Meissener Künstler-Figuren, Karlsruhe 2010.
Porträt Erich H., Max Freitag, um 1910, Fotografie, Stadtarchiv Meißen (Bildquelle).
Steffen Förster
10.8.2018
Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Erich Hösel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/23660 [Zugriff 2.11.2024].