Alfred Meiche
M. besuchte die Stadtschule in Sebnitz und anschließend die Annenschule in Dresden (1885-1892). Danach studierte er an den Universitäten Leipzig, München und Heidelberg Neuere Sprachen, Germanistik und Geschichte. In Leipzig promovierte er 1898 mit einer Untersuchung über den Dialekt der Kirchfahrt Sebnitz. Seit 1899 wirkte M. als Privatgelehrter in Dresden. Als solcher und als Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Vereine sowie als Schriftleiter der Zeitschrift „Über Berg und Thal“ entfaltete er eine fruchtbare wissenschaftliche Tätigkeit. Er widmete sich v.a. der Kultur- und Landesgeschichte Sachsens, insbesondere der Sächsischen Schweiz, der Oberlausitz und seiner Vaterstadt Sebnitz. 1905 bis 1935 leitete M. im Auftrag der Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte die Arbeit am Historischen Ortsverzeichnis für das Königreich Sachsen. Die ca. 100.000 Exzerpte aus wichtigen Urkunden und Büchern umfassende Zettelsammlung befindet sich gegenwärtig im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden. Für die Bemühungen um die Gründung einer Blumenfachschule in Sebnitz verlieh ihm der sächsische König Friedrich August III. 1909 den Professorentitel. Nachdem M. in den Jahren der Inflation den größten Teil seines Vermögens verloren hatte und ohne feste Anstellung geblieben war, geriet er mit seiner Familie in Not. Seit 1933 lebte der Gelehrte wieder in Sebnitz. – Im Sinne seiner Leipziger Universitätslehrer Karl Lamprecht und Eduard Sievers trat M. für die Einbettung der regionalgeschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen in die allgemeingeschichtlichen Zusammenhänge ein. Aus seiner Sicht mussten Geschichte, Volkskunde und Sprachforschung in steter Beziehung zueinander bleiben, wenn sie aus einseitiger oder laienhafter Betrachtung zu wissenschaftlich unanfechtbaren Schlüssen führen sollten. Mit den Untersuchungen zur Deutung von Orts-, Flur- und Familiennamen und den Studien über die deutsch-slawischen Kulturbeziehungen im Mittelalter bereicherte M. das Wissen über die Siedlungsgeschichte Sachsens. Mit dem „Sagenbuch des Königreichs Sachsen“ legte M. der Fachwelt die erste nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten gegliederte und ausgewählte Sammlung von sächsischen Sagen vor und stellte zugleich dank der Mithilfe des sorbischen Gelehrten Georg Pilk den Sagenschatz der Sorben vor. In seinem Hauptwerk „Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna“ wertete er die Materialien des Historischen Ortsverzeichnisses für diesen Verwaltungsbezirk aus, der etwa das Gebiet der Sächsischen Schweiz umfasste. Es diente ähnlichen Werken über andere deutsche Landschaften als Vorbild. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Ergebnisse seiner deutsch-slawischen Forschungen unterdrückt. Sie waren „aus politischen Gründen“ unerwünscht. Otto Eduard Schmidt hatte schon 1928 im Band 6 der „Kursächsischen Streifzüge“ derartige Forschungen „slawophile Spielereien“ und „recht gefährliche Vermutungen“ genannt. Bezeichnenderweise wurde Schmidt 1939 bei der Neubildung der Sächsischen Kommission für Geschichte zum Ehrenmitglied ernannt. M. hingegen gehörte der Kommission künftig nur noch als „förderndes Mitglied“ an.
Quellen Sebnitzer Kunstblumen- und Heimatmuseum „Prof. Alfred M.“, Nachlass M. (P).
Werke Der Dialect der Kirchfahrt Sebnitz, Halle/Saale 1898; Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903 (ND Leipzig 1985); (Hg.), Die Burgen und vorgeschichtlichen Wohnstätten der Sächsischen Schweiz, Dresden 1907 (ND Sebnitz 2000); Die Anfänge der Kunstblumenindustrie in Dresden, Leipzig, Berlin und Sebnitz, Dresden 1908; Das Flurbild von Sebnitz in der Sächsischen Schweiz, Crimmitschau 1925 (ND Sebnitz 1993); Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, Dresden 1927 (ND Sebnitz 1991); Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete, Dresden 1929 (ND Berlin 1991).
Literatur H. Lemme, Der Heimatforscher Alfred M. und seine Veröffentlichungen über die Sächsische Schweiz, in: Sächsische Schweiz. Berichte des Arbeitskreises Sächsische Schweiz in der Geographischen Gesellschaft der DDR 4/1975, S. 171-182 (P); M. Schober, Prof. Dr. Alfred M. und seine Zusammenarbeit mit dem sorbischen Gelehrten Dr. Georg Pilk, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe C – Volkskunde 20/1977, S. 55-67 (P); H. Walther, Alfred M.s Bedeutung als Sprach- und Namensforscher, in: Namenskundliche Informationen 52/1987, S. 42-48; S. Hoyer, Alfred M. Historiker, Namensforscher und Volkskundler Sachsens, in: Sächsische Heimatblätter 34/1988, H. 3, S. 136-139 (P); E. Hoffmann/M. Schober, Sorabistische Aspekte des Schaffens von Alfred M. im Spiegel seiner Korrespondenz mit Arnošt Muka, in: Lětopis. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur 40/1993, H. 2, S. 98-128. – DBA II; DBE 7, S. 29; NDB 16, S. 633f.
Porträt Alfred M., 1906, Fotografie, Kunstblumen- und Heimatmuseum Sebnitz (Bildquelle).
Manfred Schober
8.10.2007
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Schober, Artikel: Alfred Meiche,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10835 [Zugriff 2.11.2024].
Alfred Meiche
Quellen Sebnitzer Kunstblumen- und Heimatmuseum „Prof. Alfred M.“, Nachlass M. (P).
Werke Der Dialect der Kirchfahrt Sebnitz, Halle/Saale 1898; Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903 (ND Leipzig 1985); (Hg.), Die Burgen und vorgeschichtlichen Wohnstätten der Sächsischen Schweiz, Dresden 1907 (ND Sebnitz 2000); Die Anfänge der Kunstblumenindustrie in Dresden, Leipzig, Berlin und Sebnitz, Dresden 1908; Das Flurbild von Sebnitz in der Sächsischen Schweiz, Crimmitschau 1925 (ND Sebnitz 1993); Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, Dresden 1927 (ND Sebnitz 1991); Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete, Dresden 1929 (ND Berlin 1991).
Literatur H. Lemme, Der Heimatforscher Alfred M. und seine Veröffentlichungen über die Sächsische Schweiz, in: Sächsische Schweiz. Berichte des Arbeitskreises Sächsische Schweiz in der Geographischen Gesellschaft der DDR 4/1975, S. 171-182 (P); M. Schober, Prof. Dr. Alfred M. und seine Zusammenarbeit mit dem sorbischen Gelehrten Dr. Georg Pilk, in: Lětopis. Jahresschrift des Instituts für sorbische Volksforschung, Reihe C – Volkskunde 20/1977, S. 55-67 (P); H. Walther, Alfred M.s Bedeutung als Sprach- und Namensforscher, in: Namenskundliche Informationen 52/1987, S. 42-48; S. Hoyer, Alfred M. Historiker, Namensforscher und Volkskundler Sachsens, in: Sächsische Heimatblätter 34/1988, H. 3, S. 136-139 (P); E. Hoffmann/M. Schober, Sorabistische Aspekte des Schaffens von Alfred M. im Spiegel seiner Korrespondenz mit Arnošt Muka, in: Lětopis. Zeitschrift für sorbische Sprache, Geschichte und Kultur 40/1993, H. 2, S. 98-128. – DBA II; DBE 7, S. 29; NDB 16, S. 633f.
Porträt Alfred M., 1906, Fotografie, Kunstblumen- und Heimatmuseum Sebnitz (Bildquelle).
Manfred Schober
8.10.2007
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Schober, Artikel: Alfred Meiche,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10835 [Zugriff 2.11.2024].