Georg Körner
K. machte sich als Chronist des Erzgebirges und sorbischer Sprachforscher einen Namen. Seine wissenschaftlichen Leistungen zeichnen ihn als Wegbereiter der Slawistik und gedanklichen Vorläufer der Vergleichenden Sprachwissenschaft aus. – Nach dem Besuch der Dorfschule in Pölbitz wechselte der äußerst begabte K. im Alter von zwölf Jahren auf die Lateinschule in Zwickau, wo er ein ausgeprägtes Interesse für Fremdsprachen entwickelte. Neben dem traditionellen altsprachlichen Unterricht (Latein, Griechisch, Hebräisch, Syrisch, Chaldäisch) erlernte er teils auf außerschulischem Weg noch Französisch, Italienisch, Tschechisch, Polnisch und v.a. Sorbisch. Parallel zu seinem 1739 begonnenen Studium der Theologie, Geschichte und Philologie an der Universität Leipzig erweiterte K. seine Sprachkenntnisse so weit, dass er bald insgesamt 20 Sprachen lesen und zehn von ihnen fließend sprechen konnte. Die besondere Hinwendung zum Sorbischen unterstrich K. 1739 mit dem Eintritt in die seit 1716 bestehende Wendische Predigergesellschaft in Leipzig, deren Ziel es war, die sorbische Sprache zu erhalten und zu verbessern. Eine praktische Umsetzung dieses Anliegens gelang ihm 1745 während des Zweiten Schlesischen Kriegs in seiner Tätigkeit als kursächsischer Feldprediger, bei der er sorbischsprachige Soldaten geistlich betreute. 1746 fungierte er als Aushilfsprediger bei der evangelisch-böhmischen Gemeinde in Dresden und unter den Sorben in Krakau bei Königsbrück. Durch vielfältige berufliche Erfahrungen vom Nutzen des Sorbischen für die praktische Seelsorge überzeugt und Gedanken der Aufklärung übernehmend, trat K. als Anwalt der slawischen Völker auf und propagierte die sprachliche Gleichberechtigung der Wenden im Kurfürstentum Sachsen. Dieses Bemühen stand im diametralen Gegensatz zur Sprachenpolitik des Kurfürsten, der 1735 ein Verbot des Sorbischen im Schulunterricht durchgesetzt hatte. K.s Berufung zum Pfarrer für das abgelegene Erzgebirgsdorf Bockau (1747) ist daher bisweilen als Strafmaßnahme verstanden worden. Der wissenschaftlichen Betätigung des Theologen tat dies indes keinen Abbruch, obwohl K.s visionäres Denken und seine Leistungen auf dem Gebiet der Philologie im Ort selbst kaum Beachtung fanden. 1750 bis 1763 legte K. eine historische Darstellung in zwölf Teilen mit dem Titel „Alte und neue Nachrichten von dem Bergflecken Bockau“ vor, mit der er die von Christian Lehmann, Christian Meltzer, Johann Christian Engelschall und Johann Paul Oettel geprägte Tradition der erzgebirgischen Chronistik fortsetzte. 1763 folgten „Kurze historische Nachrichten von dem Freyguthe Albernau und Schindlerischblaufarbenwerke“. Unter den philologischen Schriften ragt ein fünfbändiges deutsch-sorbisches Wörterbuch (1768) hervor, das als umfangreichstes seiner Art im 18. Jahrhundert gilt. Damit leistete K. einen entscheidenden Beitrag zur Kodifizierung der obersorbischen Schriftsprache, wenngleich das Werk zu Lebzeiten des Verfassers ungedruckt blieb. Es galt lange Zeit als verschollen und ist erst 1979/80 von dem Slawisten
Reinhold Olesch im Faksimiledruck publiziert worden. Daneben verfasste K. die erste sorbische Bibliografie, untersuchte den Fachwortschatz von Bergbau und Landwirtschaft nach slawischen Lehnwörtern und erkannte den Wert slawischer Ortsnamen als Quellen für die Besiedlungsgeschichte Sachsens. 22 von K.s Werken erschienen im Druck. Außerdem belegt sein reger Briefwechsel mit Johann Christoph Gottsched und die Mitgliedschaft in den Gesellschaften Freier Künste in Leipzig und Augsburg intensive Kontakte zu herausragenden Geisteswissenschaftlern seiner Zeit. – Im Hungerjahr 1772 starb K. im Alter von 55 Jahren an einer den Nahrungsmangel begleitenden Fieberepidemie.
Quellen J. C. A. Katzer, Kurzgefaßte Historische Nachricht von dem Anfange und Fortgange der ietzt lebenden Wendischen Gesellschaft in Leipzig, Leipzig 1766.
Werke Alte und neue Nachrichten von dem Bergflecken Bockau bey Schneeberg, 12 Teile, Schneeberg 1750-1763; De Originibus Schoenburgicis, Schneeberg 1758; Kurze historische Nachrichten von dem Freyguthe Albernau und Schindlerischblaufarbenwerke, Schneeberg 1763; Philologisch-kritische Abhandlung von der Wendischen Sprache und ihrem Nutzen in den Wissenschaften, Leipzig 1766; Wendisches oder Slavonisch-Deutsches ausführliches und vollständiges Wörterbuch, 5 Bde., 1768 [MS], hrsg. von R. Olesch, 2 Bde., Köln/Wien 1979/80 (P).
Literatur C. A. Jentsch, Geschichte der Lausitzer Predigergesellschaft zu Leipzig, Bautzen 1867; J. Páta, Zawod do studija serbskeho pismowstwa, Bautzen 1929; K. Hengst, Georg K.- ein Vorläufer der slawistischen Toponomastik in Sachsen, in: Studia Onomastica, Bd. 1, Leipzig 1980, S. 54-60; F. Michalk, Wo fiórlach Körneroweho serbskonim skeho slownika, in: Létopis A, 29/1982, S. 27-45; ders. (Hg.), Georg K. aus Zwickau - Förderer slawistischer Studien, Halle/Saale 1988; W. Zeil, Slawistik in Deutschland, Köln u.a. 1994, S. 87-90, 92, 98; ders., Sorabistik in Deutschland, Bautzen 1996; Schriftenreihe der Magister-Körner-Gesellschaft, Bockau 1/1999ff.; B. Bauer, 750 Jahre Bockau, Bockau 2007 (P). – DBA I; E. Eichler u.a. (Hg.), Slawistik in Deutschland von den Anfängen bis 1945, Bautzen 1993, S. 212f.; H. E. Brekle u.a. (Hg.), Bio-bibliographisches Handbuch zur Geschichte der Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts, Bd. 5, Tübingen 1997, S. 189-191.
Porträt Magister K., Ölgemälde Mitte des 18. Jahrhunderts, Bockau, Dorfkirche (Bildquelle).
Michael Wetzel
12.11.2013
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Georg Körner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22528 [Zugriff 25.11.2024].
Georg Körner
Quellen J. C. A. Katzer, Kurzgefaßte Historische Nachricht von dem Anfange und Fortgange der ietzt lebenden Wendischen Gesellschaft in Leipzig, Leipzig 1766.
Werke Alte und neue Nachrichten von dem Bergflecken Bockau bey Schneeberg, 12 Teile, Schneeberg 1750-1763; De Originibus Schoenburgicis, Schneeberg 1758; Kurze historische Nachrichten von dem Freyguthe Albernau und Schindlerischblaufarbenwerke, Schneeberg 1763; Philologisch-kritische Abhandlung von der Wendischen Sprache und ihrem Nutzen in den Wissenschaften, Leipzig 1766; Wendisches oder Slavonisch-Deutsches ausführliches und vollständiges Wörterbuch, 5 Bde., 1768 [MS], hrsg. von R. Olesch, 2 Bde., Köln/Wien 1979/80 (P).
Literatur C. A. Jentsch, Geschichte der Lausitzer Predigergesellschaft zu Leipzig, Bautzen 1867; J. Páta, Zawod do studija serbskeho pismowstwa, Bautzen 1929; K. Hengst, Georg K.- ein Vorläufer der slawistischen Toponomastik in Sachsen, in: Studia Onomastica, Bd. 1, Leipzig 1980, S. 54-60; F. Michalk, Wo fiórlach Körneroweho serbskonim skeho slownika, in: Létopis A, 29/1982, S. 27-45; ders. (Hg.), Georg K. aus Zwickau - Förderer slawistischer Studien, Halle/Saale 1988; W. Zeil, Slawistik in Deutschland, Köln u.a. 1994, S. 87-90, 92, 98; ders., Sorabistik in Deutschland, Bautzen 1996; Schriftenreihe der Magister-Körner-Gesellschaft, Bockau 1/1999ff.; B. Bauer, 750 Jahre Bockau, Bockau 2007 (P). – DBA I; E. Eichler u.a. (Hg.), Slawistik in Deutschland von den Anfängen bis 1945, Bautzen 1993, S. 212f.; H. E. Brekle u.a. (Hg.), Bio-bibliographisches Handbuch zur Geschichte der Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts, Bd. 5, Tübingen 1997, S. 189-191.
Porträt Magister K., Ölgemälde Mitte des 18. Jahrhunderts, Bockau, Dorfkirche (Bildquelle).
Michael Wetzel
12.11.2013
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Georg Körner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22528 [Zugriff 25.11.2024].